Lauda-Königshofen. Vor 75 Jahren, im Oktober 1950, erlangten mehrere Kommunen im badischen Main-Tauber-Raum ihr historisches Stadtrecht (wieder) zurück: Grünsfeld, Königshofen, Külsheim und Lauda. Damit führten Bemühungen zum Erfolg, die zuletzt in einem gemeinsamen Schreiben an den badischen Präsidenten gegipfelt hatten. Denn die Gemeindeordnungen von 1921 und 1935 hatten den historischen Adelstitel „Stadt“ von der Bevölkerungszahl abhängig gemacht.
Von der Stadtgemeinde zur Gemeinde
Die Badische Gemeindeordnung vom 5. Oktober 1921 erlaubte die Führung des Titels erst ab einer Bevölkerungszahl von mindestens 15.000 Einwohner. So mussten sich die alten Städte im badischen Main-Tauber-Raum fortan „Stadtgemeinde“ nennen: Boxberg, Freudenberg, Grünsfeld, Königshofen, Külsheim, Lauda, Tauberbischofsheim und Wertheim. Und es sollte noch schlimmer kommen: Die Deutsche Gemeindeordnung vom 3. April 1935 unterschied nur noch zwischen Städten (ab 30.000 Einwohnern) und „Gemeinden“. Die erwähnten Stadtgemeinden mussten sich nun mit dem Attribut „Gemeinde“ bescheiden.
Allerdings konnte der „Herr Reichsstatthalter in Baden“ Siedlungen mit dem früheren Titel „Stadt“ die Erlaubnis erteilen, ihre alte Bezeichnung weiterzuführen. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung erhielten Tauberbischofsheim (als Bezirksamtssitz) und Wertheim (als Residenzstadt) mit Entschließung vom 16. Mai 1938 wieder den Beinamen „Stadt“. Die Anträge weiterer „Gemeinden“ wurden „vorerst zurückgestellt“.
Mehr Rechte als Stadt
Warum war den Kommunen die Bezeichnung „Stadt“ so wichtig? Eine Stadt hat im Unterschied zu einer Gemeinde mehr Rechte, mehr zentrale Bedeutung. Kennzeichen einer Stadt waren früher Mauern, Marktrecht und Gericht. Und die Stadt-Werdung geschah oft in mehreren Schritten. So wird Lauda schon 1284 urkundlich „oppidium“ (befestigter Ort) genannt. Kaiser Ludwig IV. („der Bayer“) verleiht Lauda am 22. November1344 offiziell das Recht der Stadt Rothenburg mit Ummauerungsrecht, hoher Gerichtsbarkeit und vielem mehr.
Ähnlich Boxberg: Nach Karl Hofmann könnte die Siedlung schon um 1250 erste Stadt- und Marktrechte gehabt haben. 1321 wird von „Bockisberg der veste und stette“ gesprochen. Die erste offizielle Bestätigung stammt vom 9. April 1388: König Wenzel „gewährt Conrad von Rosenberg die Gnade, daß alle, welche nach Boxberg ziehen, das Recht der Stadt Lauda haben sollen“.
Königshofen kann zwar kein konkretes Datum vorweisen, hat aber im 14. Jahrhundert mit der Existenz eines Marktes (Königshöfer Messe) und als Sitz des Zentgerichts für über 20 Orte eindeutige Stadtrecht-Eigenschaften.
Sollten all diese jahrhundertelang bewährten und bestätigten Stadtrechte nun null und nichtig sein? Nach dem Krieg setzten die Anstrengungen zur Stadtrechts-Verleihung wieder ein. Bürgermeister Oskar Stapf appellierte auf der ersten Boxberger Nachkriegs-Maimesse vor zahlreichen Regierungsvertretern: „Gebt uns unsere alten Stadtrechte und Messen wieder!“ Die neue Blüte der alten Städte werde dem ganzen Land nutzen. Im Oktober 1949 bekam Boxberg, auch als Wiedergutmachung für den Verlust des Bezirksamts 1924, das Stadtrecht zurück, was die Nachbarkommunen weiter anspornte.
Königshofen verwies auf seine Ebenbürtigkeit mit Boxberg bei deutlich mehr Einwohnern; einzig die schweren Kriegszerstörungen erschwerten noch den Aufschwung.
In Lauda verfasste Berufsschullehrer Karl Schreck mit Stadtrechner Alois Mohr und Reichsbahnrat Karlfried Bürkel eine umfangreiche 200-seitige „Denkschrift der Stadtgemeinde Lauda zur Begründung ihres Anspruches auf Wiederverleihung des alten Stadtrechtes“ – halb Texte, halb Fotos.
Anträge der Kommunen an Landesbezirk Baden
Am 14. August 1950 schrieb Karlsruhe an Königshofen, Lauda, Grünsfeld, Külsheim und weitere Gemeinden, die Anträge auf Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ würden dem Präsidenten des Landesbezirks Baden (Finanzminister Dr. Kaufmann) vorgelegt, der sich die endgültige Entschließung persönlich vorbehalte. Um eine Entwertung des Stadt-Begriffs vorzubeugen, müsse eine gewisse Zurückhaltung geübt werden, es dürften nicht alle Anträge Erfolg haben.
Daraufhin schrieben die Bürgermeister August Fuchs (Grünsfeld), Wilhelm Wörlein (Königshofen), Alois Schmitt (Külsheim) und Stellvertreter Martin Raps (Lauda) gemeinsam an den „Hochverehrten Herrn Präsidenten“. Datiert auf 25. August 1950 erläuterten sie: „In Württemberg führen heute noch sämtliche Städte, auch die kleineren, die Bezeichnung „Stadt“, soweit ihnen das Recht hierfür in früheren Zeiten verliehen wurde. Bei Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung behielten sie die Bezeichnung „Stadt“. In der Anlage führen wir als Beispiel alle (32) württembergischen Gemeinden auf, die 1939 weniger als 2000 Einwohner zählten (und heute noch Stadt heißen). Es kann nicht angenommen werden, dass diese kleineren nordwürttembergischen Städte andere oder ältere Rechte oder Urkunden aufweisen können als die früheren nordbadischen kleineren Stadtgemeinden bis zu 2000 Einwohner.“
Weiter erklärten die Autoren, die 1807 in Baden eingeführte Verwaltungs-Bezeichnung „Stadtgemeinde“ sei immer gleichbedeutend mit dem Begriff „Stadt“ gewesen. Die Verfasser der Deutschen Gemeindeordnung hätten diese Bedeutung verkannt und in der Folge einzig die badischen Stadtgemeinden von der Bezeichnung „Stadt“ ausgeschlossen. Die Bürgermeister fragten: „Soll nun dieses unseren badischen kleineren Städten angetan Unrecht verewigt werden? Sollen unsere Jahrhunderte alten Rechte schlechter oder weniger wert sein als zum Beispiel die der württembergischen kleineren Städte?“
Am 3. Oktober wurde Bezeichnung „Stadt verliehen
Das Schreiben führte zum Erfolg, was Landrat Schwan zwei Wochen später telefonisch mitteilte. Am 3. Oktober 1950 unterzeichnete Dr. Edmund Kaufmann, der Präsident des Landesbezirks Baden, für Lauda, Königshofen, Grünsfeld, Külsheim und für weitere Antragsteller, folgende Urkunde mit dem jeweiligen Gemeindenamen: „In Würdigung des bereits im Mittelalter verliehenen, durch Gesetze der Jahre 1921 und 1935 entzogenen Stadtrechts wird der Gemeinde … gemäß § 9 Absatz 2 Deutsche Gemeindeordnung in Verbindung mit Ziffer 4 und 9 des Status der Landesverwaltung Württemberg-Baden vom 20. Dezember 1945 … die Bezeichnung „Stadt“ verliehen.“
Stadtrecht-Festwoche vom 24. Juni bis 1. Juli 1951
Lauda feierte die Wiederverleihung des Stadtrechts zunächst am 14./15. Oktober 1950. Höhepunkte waren die Enthüllung der Gedenktafel am Geburtshaus des verstorbenen Staatspräsidenten Dr. Josef Schmitt und die Urkundenüberreichung durch Ministerialrat Dr. Unser. Königshofen feierte eine Woche später. Hier hielt Präsidialdirektor Dr. Kistner eine „tiefschürfende Rede zu den Gästen und der Bevölkerung“, wie Bürgermeister Wörlein in den Akten vermerkte. Zum Laudaer Hauptfest wurde die Stadtrecht-Festwoche vom 24. Juni bis 1. Juli 1951, als man das Jubiläum „600 Jahre Stadt Lauda“ (1344 – 1944) nachholte.
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