Lauda-Königshofen. Die einen klagen über den Fachkräftemangel in deutschen Schwimmbädern, die anderen handeln – und sind dabei, diesem Trend erfolgreich gegenzusteuern: Seit September letzten Jahres absolviert der 24-jährige Yasser Arazdi in Lauda die Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe. „Wir geben ihn nicht mehr her“, sagt Schwimmmeister Ben Koch bereits nach den ersten sechs Monaten. Und Bürgermeister Dr. Lukas Braun ist ebenfalls positiv angetan: „Der Aufwand hat sich gelohnt, das Experiment ist gelungen.“ Kurios: Yasser stammt aus Marokko und hat sich im heimischen Marrakesch auf die Lehrstelle beworben.
„Yasser ist schnell aufgetaut und längst ein vollwertiges Mitglied unseres sechsköpfigen Bäderteams“, macht Ben Koch deutlich, dass die Integration gelungen ist. Der 24-Jährige, der in seiner Heimat eifrig Deutsch gelernt hat, obwohl er zuvor noch nie hierzulande war, sei wissbegierig, voll motiviert und stehe seinen Mann, wo es immer auch erforderlich sei – auf einen Nenner gebracht: eine wertvolle Verstärkung.
Minusgrade bisher nicht gekannt
Von Marrakesch nach Lauda-Königshofen – was für viele einem „Kulturschock“ gleichkommt, habe er so keinesfalls empfunden, lacht der junge Nordafrikaner. Viel eher sei er von einem regelrechten „Temperaturschock“ überrascht worden. Denn Minusgrade seien ihm in Marokko bislang fremd gewesen – „und hier habe ich auch zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben Schnee gesehen“. Umso mehr freue er sich jetzt schon auf die Sommersaison, in der er seinen Dienst statt im Hallen- im Freibad verrichtet. Denn zu erwartende Temperaturen von 35 Grad und mehr könnten ihm nichts anhaben: „Die bin ich von Marokko gewohnt.“
Doch jetzt will der FN-Reporter wissen, was es denn mit der gleichermaßen kuriosen wie nicht alltäglichen Bewerbung auf sich hat? „Wasser hat mich schon immer fasziniert. Und mir war recht früh klar, dass ich einen Beruf erlernen möchte, der damit zu tun hat“, erzählt Yasser im Gespräch mit unserer Zeitung. Um hierbei voranzukommen, habe er sich deshalb dazu entschieden, nach einem Ausbildungsplatz im Ausland Ausschau zu halten – und im Internet gesurft.
„Durch Zufall bin ich dabei auf eine Seite im Internet gestoßen, auf der ich gesehen habe, dass die Lehrstelle hier in Lauda-Königshofen ausgeschrieben ist.“ Schnell sei ihm klar geworden, „Nägel mit Köpfen machen zu wollen“, weshalb er per Mail umgehend seine Bewerbung an die Personalabteilung der Stadtverwaltung von Lauda-Königshofen abgeschickt habe.
„Wir haben uns sehr gefreut, dass es für die Stelle einen Interessenten gibt“, blicken Dr. Lukas Braun und Ben Koch unisono zurück. Rasch sei das Bewerbungsgespräch terminiert worden, das man – über das Mittelmeer – via Skype geführt habe. „Zwar war die Verbindung zwischendurch immer wieder mal leicht gestört“, lacht Koch. Doch beide Seiten hätten schließlich einen Draht zueinander gefunden und Einigkeit darüber erzielt, „dieses Experiment zu wagen“, ergänzt der Rathauschef – denn: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
Inzwischen ist Azubi Yasser bereits seit mehr als einem halben Jahr im Taubertal beruflich engagiert und wird von Kollegen und Gästen des Hallenbades – immerhin mehr als 30 000 im Jahr – gleichermaßen sehr geschätzt.
Das Arbeitsspektrum von Yasser ist vor allem hinter den Kulissen breit gestreut. Denn er soll bewusst früh all das kennenlernen, was zu den regelmäßigen Tätigkeiten eines Fachangestellten für Bäderbetriebe gehört, lässt Schwimmmeister Ben Koch durchblicken, der vor seinem Start in Lauda übrigens im Nürnberger "Kristall Palm Beach" beschäftigt war.
Zwischendurch habe der junge Marokkaner auch mal das Geschehen im Becken während der Öffnungszeiten im Blick. Das Tun mache ihm sehr viel Spaß, was auch daran liege, dass er sich sehr wohl und gut aufgenommen fühle.
Auch außerhalb der Ausbildung sei er längst im Taubertal angekommen und habe nicht nur in der Berufsschule Anschluss gefunden. Hierzu hätten seine bereits sehr guten Deutsch-Kenntnisse, die er weiter verbessert, beigetragen. Dass er sich so rasch akklimatisiert habe, sei auch das Verdienst seiner Kollegen im Bad und in der Stadtverwaltung, die ihn bei vielen Behördengängen und der Wohnungssuche tatkräftig unterstützt hätten. „Dies war nicht immer leicht, schließlich kommt Yasser aus einem Land, das nicht in der EU ist“, wirft Bürgermeister Dr. Lukas Braun ein.
In seiner Freizeit geht der 24-Jährige gerne ins Fitnessstudio oder erkundet bei Spaziergängen auch mal die Umgebung. Land und Leute seien ihm schon sehr vertraut. Ernährungstechnisch bevorzuge er allerdings lieber Spezialitäten aus seiner marokkanischen Heimat, teilt er grinsend mit.
„Meine Mutter war zunächst dagegen, aber mein Vater hat mich darin bestärkt, dieses Abenteuer in Deutschland einzugehen“, erinnert sich der Azubi, der noch eine Schwester hat. Doch mittlerweile seien seine Angehörigen allesamt stolz darauf, dass er in beruflicher Hinsicht den Sprung ins kalte Wasser gewagt habe. Und beim nächsten Heimatbesuch gebe es sicher viel zu erzählen.
Ein „Glücksfall“
Abschließend bezeichnen Dr. Lukas Braun und Ben Koch den jungen Marokkaner als „echten Glücksfall“. Und die beiden sind sich sicher, dass er seinen beruflichen Weg machen wird. Wenn die dreijährige Lehrzeit alsoviert ist, können sie sich jetzt schon „eine dauerhafte Zusammenarbeit sehr gut vorstellen“.
Worte, die Yasser Aradzi einerseits sicher gerne hören dürfte, die andererseits aber auch die Verantwortlichen in Sachen Fachkräftemangel im Bäderwesen durchatmen lassen – zumindest in Lauda-Königshofen.
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