Besonderes Angebot

Lauda-Königshofen: Pferde helfen bei psychologischen Problemen

Auf dem Reiterhof Haun im kleinen Weiler Hofstetten arbeiten Kinder und Jugendliche pädagogisch erfolgreich mit den Tieren. Es gibt eine Kooperation mit der Kitzberg-Klinik Bad Mergentheim.

Von 
Klaus T. Mende
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Auf dem Reiterhof Haun im Lauda-Königshöfer Weiler Hofstetten arbeiten Kinder und Jugendliche, die sich mit diversen Problemen konfrontiert sehen, mit Pferden. © Klaus T. Mende/Reiterhof Haun

Hofstetten. Der Lauda-Königshöfer Weiler Hofstetten gehört im Main-Tauber-Kreis, bezogen auf die Einwohnerzahl, wohl zu jenen Örtlichkeiten mit der höchsten Pferdedichte. Mira, Willy, Brownie, Nono, Lilli und Peanut stehen in den Boxen des Reitstalls von Uli und Marco Haun – und verrichten eine wertvolle pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die sich in irgendeiner Form innerhalb ihrer Familie mit psychischen Problemen konfrontiert sehen. Hierzu gibt es eine erfolgreiche Kooperation mit der Bad Mergentheimer Kitzberg-Klinik, eine weitere derartige Zusammenarbeit mit ähnlichen Einrichtungen ist für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

„Echte Quereinsteigerin“

Uli Haun betreibt ihre Reitschule seit rund dreieinhalb Jahren – zunächst im Igersheimer Weiler Reckerstal, nun in Hofstetten. Die gebürtige Soltauerin, die auch noch eine Ausbildung zur Tierosteopathin absolviert hat, bezeichnet sich als „echte Quereinsteigerin“, nachdem sie zunächst als Industriekauffrau tätig war. Wie der Tellerwäscher zum Millionär, habe sie einen Transformationsprozess von der Ausmisterin zur Reitlehrerin mit pädagogischer Zusatzqualifikation erfolgreich durchlebt, sagt sie.

Uli Haun betreibt ihre Reitschule seit rund dreieinhalb Jahren. © Reiterhof

„Ich war in Reckerstal als Reitlehrerin angestellt – und habe dort das gesamte Spektrum gemanagt“, erzählt die Niedersächsin, die seit drei Jahrzehnten tauberfränkische Gefilden ihre Heimat nennt, im Gespräch dem FN-Reporter. Hierbei habe sie gemerkt, dass ihr die Kinder sehr am Herzen lägen und „die Arbeit mit ihnen mir großen Spaß bereitet“. Mittlerweile stehen sechs Rösser in den Haun’schen Stallungen. „Wobei es sich hierbei ausschließlich um Ponys handelt, die bis zu einem Stockmaß von 1,50 Meter gehen“, klärt die Fachfrau auf. „Auch wenn sie sich äußerlich noch von Pferden kaum unterscheiden.“

Umgang mit Pferden lernen

„Wir praktizieren eine andere Herangehensweise. Die Kinder und Jugendlichen werden nicht auf der gestriegelte und gesattelte Pferd gesetzt, um ihre Runden zu drehen und dann wieder runterzusteigen“, gibt Uli Haun einen Einblick in ihre tägliche Arbeit. Vielmehr käme der Nachwuchs gewissermaßen ohne Bezug zum Tier nach Hofstetten und würde mit dem Umgang mit den Pferden, deren Wertschätzung sowie Verantwortungsbewusstsein vertraut gemacht. Der pädagogische Part genieße hierbei einen ganz hohen Stellenwert.

Annette Pache, pädagogische Leitung am Kinderzentrum der Kitzberg-Klinik Bad Mergentheim, über den Reiterhof in Hofstetten

„Über die tiergestützte Intervention/Pädagogik erleben die Kinder über das Pferd oder den Hund eine Form der direkten Zuwendung, die von den Tieren völlig wertfrei angeboten wird“, gibt Annette Pache, pädagogische Leitung am Kinderzentrum der Kitzberg-Klinik Bad Mergentheim, einen Einblick in das Tun auf dem Reiterhof in Hofstetten.

Schwierige zwischenmenschliche Erfahrungen

Kinder und Jugendliche brächten zum Teil persönliche Lebenserfahrung mit, die auch durch schwierige zwischenmenschliche Erfahrungen geprägt seien. Das Pferd oder auch der Hund gäben ihnen eine sofortige, nonverbale direkte Rückmeldung, die keine Bewertung, sondern ein Spiegel des Verhaltens „im Hier und Jetzt“ anböten, so die Fachfrau gegenüber den Fränkischen Nachrichten. Das Tier kooperiere mit den Kindern, ohne dass Anforderungen formuliert werden.

Psychische Gesundheit fördern

„In der tiergestützten Intervention nutzen wir die Beziehung zwischen den Kindern/Jugendlichen und den Tieren, um die psychische Gesundheit zu fördern und/oder wachsen zu lassen. Die meisten Menschen haben ein natürliches Interesse an Tieren, das sich auch im therapeutischen Setting als hilfreich abbildet“, teilt Pache weiter mit. Die soziale, emotionale und sogar die kognitive Entwicklung der Kinder könne durch die Interaktion mit den therapeutisch eingesetzten Tieren sehr gut unterstützend wirken.

Ängste reduzieren durch Streicheln

Schon allein das Streicheln lebender Tiere reduziere Ängsten oft signifikant. „Nach dem Kontakt mit den Tieren sind häufig: mehr Zufriedenheit und Kooperationsbereitschaft, mehr soziale Interaktionen, eine Verbesserung der Spielfreude, Aufmerksamkeit für die soziale Umgebung, Förderung von Ruhe und Entspanntheit, eine Erhöhung des empathischen Verhaltens und mehr emotionale Balance erkennbar“, fährt die Zentrumsleiter fort. Die Kinder und Jugendlichen könnten über diese tiergestützte Intervention exemplarisch neue, korrektive Erfahrungen machen, „die sie im besten Falle auf ihre soziale Umgebung übertragen und anwenden können.“

„Die Buben und Mädchen agieren miteinander in Gruppen. Sie holen die Pferde eigenständig aus dem Stall, putzen und pflegen sie zusammen, lernen, wie sie gesattelt und geführt werden, wie vom Boden aus mit ihnen gearbeitet wird, wie sie sich im Umgang mit ihnen durchsetzen.“ Schließlich habe jedes Ross seinen eigenen Charakter – das müsse jedem klar sein, bevor auch der Schritt in den Sattel gewagt werden könne. „Doch unsere Ponys sind allesamt geduldig und gutmütig.“ Und zudem: Das Ganze solle nicht in Stress ausarten – weder für Pferde noch für die jungen Reiter.

„Lebewesen stehen im Fokus“

„Bei uns stehen die Lebewesen – Menschen wie Pferde – im Fokus. Es geht hier nicht um Leistung im sportlichen Sinne, sondern vielmehr um Erfolg im persönlichen Umgang. Die Ponys sowie die Kinder und Jugendliche sollen sich wohlfühlen, führt die passionierte Reiterin weiter aus, die von der Arbeit mit den Pferden voll in Beschlag genommen werde.

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Was klein begann, habe sich immer weiter ausgeweitet. Mittlerweile käme mehrfach die Woche eine Gruppe mit Kindern bis zehn Jahren, dazu eine Mutter-Kind-Gruppe. Hinzu gesellen sich Jugendliche zwischen 13 und 17, die zwar nicht auf den Pferden ritten, jedoch mit ihnen ausgiebig arbeiteten, darüber hinaus mit anderen Vierbeinern, wie etwa dem Haun’schen Neufundländer. „Hierbei steht die tiergestützte Intervention im Vordergrund“, sagt die Soltauerin, für deren Mann Marco alles Glück der Erde kurioserweise nicht auf dem Rücken der Pferde liegt.

Mit den Tieren das Selbstbewusstsein stärken

„Der positive Effekt ist bald spürbar. In der Klinik sind die jungen Patienten bisweilen isoliert, hier aber tauchen sie ein in eine andere, viel buntere Welt“, ist weiter zu erfahren. Der Nachwuchs käme zunächst einmal mit einer gewissen Last und gehe schließlich mit einer großen Lust auf die Tiere. „Die Arbeit mit den Pferden trägt dazu bei, die Probleme nach hinten zu drücken.“ Kleine persönliche Erfolge bei den pädagogischen Einheiten in der Gruppe in der Reitschule verliehen „einen Schub für das eigene Selbstbewusstsein“.

„Die Pferde sind für die jungen Patienten eine Brücke zurück in einen normalen Alltag. Dabei sind die Ponys die Therapeuten, sie nehmen die Kinder und Jugendlichen so an, wie sie sind“, hat die Reitpädagogin ausgemacht. Die Tiere könnten individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingehen, sie spürten sofort, wie es den Menschen gehe, weil diese es unbewusst ausstrahlten. Das Pony habe übrigens auch ein Gefühl dafür, ob sein Schützling vorsichtig, ruhig oder ängstlich ist – und reagiere dann im Umgang mit ihm entsprechend sensibel.

Weitere Kooperationen geplant

„Was ich immer wieder höre ist, dass die Kinder gerne hierher kommen. Nach dem Umgang mit den Pferden fällt es den Patienten leichter, sich wieder im Alltag zurechtzufinden.“, bilanziert Uli Haun, die hervorhebt, dass die Einheiten von den Krankenkassen finanziell unterstützt würden. Aktuell werde mit weiteren Einrichtungen wie die Kitzberg-Klinik Kontakt aufgenommen und das Konzept vorgestellt – mit dem Ziel, neben dem herkömmlichen Reitkursangebot für Kinder aus der Umgebung, weitere solcher Kooperationen einzugehen. Denn die Niedersächsin will mit ihrem Team künftig noch mehr Gutes tun und jungen Menschen dabei tatkräftig unterstützen, ihre Sorgen zu bewältigen.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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