Adelsheim. Große dunkle Augen, warme Nüstern und mit einem Stockmaß von 95 Zentimetern einer durchaus akzeptablen Größe für Pferdescheue – so steht Pony „Rossi“ auf dem Pferdehof von Cindy Assenheimer im „Lindengrund“. Sie ist Reitausbilderin für Menschen mit Behinderung und man spürt im Gespräch, wie wichtig ihr die Begegnung zwischen Mensch und Tier ist. Rossi und Deutsch Quarter-Horse-Wallach „Spooky“ sind ihre Therapiepferde und zeichnen sich durch Nervenstärke, Belastbarkeit und Sanftmut aus.
„In der Therapie eingesetzte Pferde müssen viel gesehen haben in ihrem Leben“, erklärt die Pferdeliebhaberin und erzählt strahlend, dass „Spooky“ sie schon seit vielen Jahren, genauer seit ihrem 18. Geburtstag, begleitet. Damals habe sie sich den Wunsch nach einem eigenen Pferd, dem ihre Eltern erfolgreich widerstanden, selbst erfüllt. Pony „Rossi“ stand im selben Pensionsstall und seither sei das Therapie-Dreamteam ihr eigen und nicht nur das. Denn: „Die zwei sind meine Wegbegleiter“, beschreibt die Trainerin C im Westernreitsport deren Bedeutung in ihrem Leben.
In einer sich verändernden, von der Natur entfernenden Gesellschaft sei der Kontakt zu Tieren nicht mehr selbstverständlich. Dem entgegenzusteuern sei ihr ein Bedürfnis, insbesondere vor dem Hintergrund, dass über ein Tier, hier über ein Pferd, therapeutische Maßnahmen umgesetzt werden könnten. Hierbei stehe weniger der Heilungsprozess, als vielmehr der direkte Kontakt im Vordergrund.
Die Inklusion ist bei den Reitstunden der Grundgedanke
Bei Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, beispielsweise dem Fehlen eines Arms, unterscheide sich die Reitstunde außer speziellen Zügelanpassungen nicht von einer üblichen Reitstunde. Darüber hinaus sei es wichtig, „ihn so weit als möglich alles tun zu lassen, was er tun kann“, verdeutlicht die 32-Jährige und verweist auf den dahintersteckenden Grundgedanken: die Inklusion, was bedeute, dass sie in ihren Alltag integriert werden.
Striegeln, Füttern, Führen, das sei zu bewältigen. Bei Menschen mit höherem Behinderungsgrad sei eine eins zu eins Betreuung erforderlich. Explizit bei Kindern sei in der Regel ein Elternteil, ansonsten eine weitere Betreuungsperson zugegen. Der Bewegungsrhythmus des Mediums Pferd übertrage sich auf den Patienten, so dass stark verkrampfte, spastische Muskulatur gelockert, schlaffe mit wenig Muskeltonus gespannt werde. Auch Oberkörperhaltung und Balance würden positiv beeinflusst. Da sie indessen über keine Hebevorrichtung verfüge, die die Patienten auf’s Tier hebe, könne sie nur Menschen betreuen, die annähernd alleine aufsitzen können.
Wichtig sei ihr, die „klassisch wie viele Mädels“, früh mit dem Reit- und Turniersport begonnen habe, die Begegnung von Mensch und Tier so früh wie möglich zu fördern. Daher gehe sie in Kindergärten, besuche Sommerfeste oder lade Gruppen zu sich auf den Hof ein und fördere so das Gemeinschaftserlebnis.
Das Verantwortungsbewusstsein einer lebenden Kreatur gegenüber schaffe das Erleben von Grenzerfahrungen sowie deren Überwinden. Gerne baue sie hierbei Stationen auf mit Futter, Trense, Putzzeug oder Sattel, um die Kinder sachte an die zutraulichen Tiere heranzuführen. Füttern, Streicheln, Striegeln, Aufsitzen oder für ganz Mutige gar eine Runde reiten, jedes Kind könne sich nach seinem Befinden einbringen. „Das Reiten ist natürlich der Höhepunkt“, meint sie lachend. „Überhaupt hat man das Gefühl, dass das Glück der Erde tatsächlich auf dem Rücken der Pferde liegt“, hebt die Frau hervor, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Denn wenn die, wie am Akzent noch gut zu hören ist, aus dem Rems-Murr-Kreis Stammende von ihrer Tätigkeit und Leidenschaft berichtet, verströmt sie eine ansteckende Fröhlichkeit und Begeisterung, die selbst den kräftigen Tieren weniger Zugeneigte erfasst und deren Zurückhaltung vor ihnen vergessen lässt. Fast...
Ponys absoliveren ein "Schrecktraining"
Pony „Rossi“, dessen Hufe gerade von Töchterchen Clara gepflegt und dessen Flanken von Söhnchen Finn gestriegelt werden, wie die Berichterstatterin maximal beeindruckt und staunend feststellt, tut ein Übriges. Ruhiger, gelassener, sanftmütiger, geduldiger geht’s kaum, wobei die Kinder einen erstaunlich versierten Umgang an den Tag legen. Die „extreme Gelassenheit und Nervenstärke“ sei den Quarter Horses eigen und durch Zucht veredelt worden, weiß die Zuchtrichterin der Deutschen Quarter Horse Association, die gerade aufgrund dessen als Therapeuten auf vier Hufen empfohlen werden. „Man hat beim Interieur, also den Charaktereigenschaften Wert auf Nervenstärke gelegt.“ Dennoch hätten sie ein „Schrecktraining“ zu absolvieren. Viel befahrene Straßen, die Geräusche einer „Flatterplane“, eines sich öffnenden Regenschirms oder Trubel dürften sie nicht aus der Ruhe bringen, ebenso wenig wie unkontrollierte Bewegungen beim Auftreten eines Muskelkrampfes oder ungewohnte Berührungen. Überflüssig zu erwähnen, aber der Vollständigkeit halber – Beißen und Austreten sind natürlich auch tabu.
„Spooky“ und „Rossi“ vereinten all diese Eigenschaften und Fähigkeiten, womit sie praktisch auf die richtigen Pferde setze. Um diese mental für die Therapiestunden fit zu halten, sei ein Ausgleich unerlässlich. Nicht mehr als zwei auf die jeweiligen Patienten individuell abgestimmten Therapieangebote, dazwischen ein entspannter Geländeausritt mit einem „guten Reiter“ täte ihnen wohl. Die zweifache Mutter, die von ihren Sprösslingen auf Trab gehalten wird, in einer ortansässigen Firma in der Personalabteilung arbeitet und mehrere Pensionspferde versorgt, komme leider selbst kaum mehr zum Ausreiten. „Vielleicht einmal im Monat“, bedauert sie, was indessen schnell kompensiert werde, wenn sie sehe „wie das Reiten den Menschen guttut.“ Gut, dass sie der Liebe wegen in die Region gezogen ist und sich diese Möglichkeiten mit dem Hof eröffnet haben. Manchmal hat das Leben doch ein bisschen was von Ponyhof...
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/adelsheim_artikel,-adelsheim-adelsheim-bei-cindy-assenheimer-ist-das-leben-doch-ein-ponyhof-_arid,2131908.html