Königshofen/Tauber-Odenwald. Es war das Gesprächsthema in der Messestadt – und weit darüber hinaus: Der Großeinsatz von Feuerwehr, Polizei, DLRG, THW und DRK am Sonntagmorgen, der sich am Ende als ein Missverständnis herausstellte. Von Kopfschütteln über Fassungslosigkeit bis hin zur Forderung nach einer Strafe für den Verursacher reichten die Reaktionen.
Zur Erinnerung: Ein 29-jähriger Besucher der Königshöfer Messe hatte sich in der Nacht auf Sonntag zu Fuß auf den Heimweg gemacht. Auf der Tauberinsel, nahe des Spielplatzes an der B 292 nach Boxberg, legte er eine Pause ein. Dort ließ er Rucksack, Schuhe und weitere Utensilien zurück. Als er weiterging, bemerkte er den Verlust nicht.
Security-Mitarbeiter entdecken die Gegenstände
Am frühen Sonntagmorgen entdeckten Security-Mitarbeiter des Volksfests die Gegenstände. Sie stellten zudem Fußspuren fest, die direkt in Richtung der hochwasserführenden Tauber führten. Für die Sicherheitskräfte ein klarer Hinweis: Hier könnte jemand ins Wasser gestürzt sein. Sie alarmierten die Polizei.
Was dann folgte, war ein Einsatz, wie man ihn in Königshofen nicht alle Tage erlebt. „Da nicht auszuschließen war, dass jemand in die Tauber gefallen ist, habe ich Alarm ausgelöst“, erklärte Kreisbrandmeister Andreas Geyer im Nachgang.
Innerhalb kürzester Zeit beteiligten sich rund 160 Kräfte an der Suchaktion: Feuerwehrleute mit Drehleitern und Wärmebildkameras, Taucher der DLRG, Boote, das Technische Hilfswerk, Rettungsdienste und zahlreiche Polizisten sowie Drohnen. Sogar ein Zug der Berufsfeuerwehr Würzburg war zwischenzeitlich angerückt.
Die Einsatzkräfte suchten akribisch den Fluss und die Uferbereiche ab. Minuten wurden zu Stunden. Nach mehr als vier Stunden tauchte der Mann plötzlich am „Tatort“ auf – überrascht von dem ungewöhnlichen Treiben an Fluss und Insel. „Ich wollte nur meinen Rucksack und meine Sachen wieder abholen“, erklärte er verblüfft.
Mit dieser schlichten Erklärung war die Gefahrenlage auf einen Schlag beendet. Der Einsatz wurde sofort abgebrochen – gerade noch rechtzeitig. Denn nach FN-Informationen hatten Bundeswehr-Hubschrauber in Niederstetten bereits grünes Licht zum Abheben, um die Suche aus der Luft zu unterstützen. Minuten später wären sie in der Luft gewesen – Kostenpunkt: rund 2800 Euro pro Stunde.
Was bleibt, ist die Frage: Wer zahlt eigentlich für so einen Einsatz? Schließlich war der Aufwand enorm, das Material teuer und die Zahl der Helfer hoch.
„Die Rettungskräfte mussten von einer Lebensgefahr ausgehen, denn die Spuren führten zum Wasser“, betont Kreisbrandmeister Geyer. Es habe kein Vorsatz vorgelegen. „Die Allgemeinheit zahlt – er muss nichts erstatten.“
Auch das Innenministerium Baden-Württemberg bestätigt diesen Grundsatz. Sprecher Patrick Knapp erklärt: „Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, wozu auch die Suche nach möglichen Vermissten zählt, ist zunächst und grundsätzlich für betroffene Personen frei von Kosten. Die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen in großer Not geholfen wird. Finanzielle Fragen dürfen hier niemals ein Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme von Hilfe sein.“
Der Gedanke dahinter: Wer in Not gerät, soll nicht aus Angst vor Rechnungen zögern, Hilfe zu holen. „Kosten werden von Polizei, Feuerwehr oder den Rettungsdiensten tatsächlich nur in Einzelfällen erhoben. Hier gilt es dann jedes Mal, den Einzelfall zu prüfen“, betont Knapp.
Wann wird es teuer? Polizeisprecher Frank Belz vom Präsidium Heilbronn sagt: „Die Gebühren richten sich nach dem Landesgebührengesetz und dem Gebührenverzeichnis des Innenministeriums.“ Ein Bescheid werde beispielsweise dann erlassen, „wenn durch Angehörige die Rückkehr der Vermissten nicht oder nicht rechtzeitig mitgeteilt wird und die Suchmaßnahmen der Polizei daher unnötig weiterlaufen“.
Für den Normalfall nennt Belz aus Polizeisicht klare Zahlen: Polizeibeamter: 36 Euro je angefangene halbe Stunde. Polizeihund: 11 Euro je halbe Stunde. Dienstfahrzeug: 0,45 Euro pro Kilometer (einfache Strecke). Polizeihubschrauber: 1240 Euro je Viertelstunde. Drohne: 32 Euro je halbe Stunde. Polizeiboot: 70 Euro pro Stunde.
Die Bundeswehr in Niederstetten nennt für einen Hubschraubereinsatz pauschal rund 2800 Euro pro Stunde.
Auch andere Blaulicht-Organisationen kalkulieren nach FN-Recherche ihre Einsätze: Freiwillige Feuerwehr: 15 bis 25 Euro pro Einsatzkraft und Stunde, Löschfahrzeug 100 bis 200 Euro/Stunde, Boot 80 bis 150 Euro/Stunde. Berufsfeuerwehr: 40 bis 60 Euro pro Einsatzkraft und Stunde, Löschfahrzeug 200 bis 300 Euro/Stunde. Rettungsdienste: Rettungswagen 400 bis 600 Euro/Stunde, Notarztwagen 500 bis 700 Euro/Stunde. DLRG: Einsatzkraft 15 bis 25 Euro/Stunde, Boot 80 bis 150 Euro/Stunde. THW: Einsatzkraft 20 bis 30 Euro/Stunde, Fahrzeug 100 bis 200 Euro/Stunde.
Teuer, spektakulär und am Ende harmlos
Der Großeinsatz vom Sonntag war teuer, spektakulär und am Ende - zum Glück - harmlos. Für viele Bürger bleibt ein fader Beigeschmack. „So viel Aufwand – und alles wegen eines vergessenen Rucksacks?“, werden sich manche vielleicht gewundert haben.
Doch für die Einsatzkräfte bleibt der Kern: Sie mussten handeln, als Lebensgefahr nicht auszuschließen war. Im Zweifel entscheiden sie sich wir uns immer für das Menschenleben. Das Innenministerium sieht das genauso. „Die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen geholfen wird“, betont Sprecher Knapp. Und fügt hinzu: „Nur in klaren Ausnahmefällen, bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, gibt es eine Rechnung.“
Für den 29-Jährigen heißt das: kein Bußgeld, keine Kosten. Für die Allgemeinheit bedeutet es: eine fünfstellige Summe, getragen aus Steuermitteln – und eine Geschichte, die noch lange erzählt werden wird.
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