Auszeichnung - Waldpädagogikpreis für Projekt von Julia Fleckenstein vom SBBZ Lauda-Königshofen

Klassenzimmer wird gegen grünes Blätterdach getauscht

Regelmäßig tauscht die vierte Klasse das Klassenzimmer mit dem Wald. Initiatorin und Klassenlehrerin Julia Fleckenstein wird dafür nun mit dem Deutschen Waldpädagogikpreis ausgezeichnet.

Von 
Diana Seufert
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Viel Spaß beim Lernen haben die Schüler des SBBZ im „Grünen Klassenzimmers im Wald“. Für ihr Konzept erhält Julia Fleckenstein, Klassenlehrerin der vierten Klasse (Zweite von links), den Waldpädagogikpreis. Mit ihr freuen sich auch Bürgermeister Dr. Lukas Braun (links), Schulleiterin Tanja Rygiel (Sechste von links) und Hans-Peter Scheifele als Waldpädagogik-Beauftragter beim Forstamt (Sechster von rechts). © Diana Seufert

Lauda-Königshofen. Regelmäßig tauscht die vierte Klasse das Klassenzimmer mit dem Wald. Initiatorin und Klassenlehrerin Julia Fleckenstein wird dafür nun mit dem Deutschen Waldpädagogikpreis ausgezeichnet.

Lauda-Königshofen. Die Kinder springen ausgelassen zwischen den Büschen umher. Manche haben ein Klemmbrett mit einer Karte. Sie sollen Geräusche hören und erkennen. Geräusche, die es im Wald gibt. Ihre Klassenlehrerin Julia Fleckenstein hat den elf Kindern diese Aufgabe gestellt. Und die Begeisterung ist den Schülern sofort anzumerken.

Jeden Freitag ist die kleine Gruppe unterwegs und tauscht das Klassenzimmer im Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) am Schulzentrum Lauda mit dem grünen Blätterdach. Dass sie mit ihrem pädagogischen Ansatz nun deutschlandweit Anerkennung findet und den Waldpädagogikpreis verliehen bekommt, freut Julia Fleckenstein sehr. Auch wenn sie die Auszeichnung gar nicht erwartet hätte, die ihr am 23. September von Kultusministerin Theresa Schopper in Stuttgart im „Haus des Waldes“ verliehen werden soll.

„Der Wald hat viele Vorteile. Den Wald können die Kinder mit allen Sinnen entdecken“, schwärmt die Pädagogin. „Frau Fleckenstein, ich habe eine Schlange gehört, das ist mein Lieblingstier“, erzählt einer der Schüler ganz aufgeregt. Andere verschwinden im Gebüsch auf der Suche nach weiteren Geräuschen und kommen mit einem Stock zurück, der untersucht wird. „Hören, sehen, riechen oder anfassen gehört einfach dazu.“ Einen Stock oder ein Blatt könne man in die Hand nehmen und von allen Seiten betrachten.

Waldpädagogik-Konzepte vom Forstamt unterstützt

„Der Wald ist das einzige Drittel der Landschaft, das am wenigsten vom Menschen beeinflusst ist“, sagt Förster Hans-Peter Scheifele. Er kümmert sich beim Forstamt Main-Tauber um das Thema Waldpädagogik. Durch spielerisch vermittelte Informationen wird das Interesse an Wald und Natur geweckt. Vernetztes Denken und ein bewusster Umgang mit der Natur werden gestärkt und soziales Lernen in der Gruppe wird ermöglicht.

Zielgruppen sind Kita-Kinder, Schüler, Familien sowie förderbedürftige Personen. Kompetenzen vermitteln und besondere Reize erfahren, stehen im Vordergrund. Dazu passt der Ansatz von Julia Fleckenstein mit einem Klassenzimmer im Grünen für Scheifele perfekt.

Seine Aufgabe sieht Scheifele vor allem in der Unterstützung der unterschiedlichen Projekte im Main-Tauber-Kreis. Vom Forstamt gibt es Infos zur Waldbox des „Hauses des Waldes“, um zu erkennen, „wie der Wald tickt“. Zudem stehen Lehrmaterialen und Ideen für die Unterrichtsgestaltung zur Verfügung.

Den Wald mit allen Sinnen erleben und entdecken: Das mittlerweile zweijährige Projekt am SBBZ in Lauda ist einmalig im Kreis. Ein ähnlicher Ansatz wird mit einem Projekt an der Pater-Alois-Grimm-Schule in Külsheim verfolgt. Weil die Kinder immer im gleichen Waldstück arbeiten, können auch größere Projekte, etwa der Bau eines Unterstands oder das Bearbeiten von Sitzmöbeln mit Feilen und Raspel, durchgeführt werden.

Die Pädagogik im Wald verfolgt ein offenes Konzept. Sie bietet die Möglichkeit für einen Inklusions-Unterricht sowie für Kinder mit Beeinträchtigungen. Gleichzeitig ermöglicht sie die Chance zur Differenzierung.

Im Gewann „Galgenberg“, direkt am Panorama-Wanderweg gelegen, findet regelmäßig Unterricht statt. „Die Kinder haben dort ein Refugium, auf dem sogar eine kleine Hütte gebaut wurde.“ Allein der Fußmarsch von rund 20 Minuten ist für die Klasse eine Möglichkeit zum Lernen. „Tiere am Wegrand werden beobachtet, die Namen der Blumen prägen sich ein“, berichtet Fleckenstein. Oben angekommen, genieße man erst einmal die schöne Aussicht über Lauda. Und auch das sei Bildungsarbeit, so die Lehrerin. Kürzlich habe ein Mädchen dabei einem Mitschüler erklärt, wie man so sehen könne, dass die Erde rund sei. „Und plötzlich hatten wir eine Diskussion über die Erdkrümmung.“ Für Fleckenstein eine Bestätigung ihrer Arbeit.

So ganz nebenbei lernen die Schüler auch Teamfähigkeit und soziale Kompetenz. Um ein langes Baumstück zu tragen, müssen sich mehrere Kinder zusammentun und verständigen. „Alles Kompetenzen, die im Leben wichtig sind.“ Natürlich werde auch Unterricht gemacht, sagt Fleckenstein. Ob Sachkunde oder Sport, Mathematik oder Deutsch: „Jedes Fach lässt sich im Wald umsetzen.“ Von Zahlenspielen und dem Vermessen der Zweige bis zu Wortarten und Aufrollgeschichten, bei denen Gegenstände aus einem Tuch gerollt und in die Erzählung integriert werden, hat sie schon vieles ausprobiert.

Motivation gesteigert

Ihre ursprüngliche Intension: „Die Kinder sollten wegen der Corona-Einschränkungen die Möglichkeit haben, gemeinsam an der frischen Luft zu lernen.“ Die Bewegung tue gut, entspanne und fördere gerade Lerntypen, die nicht still sitzen können. Positive Rückmeldungen kommen auch von den Eltern, was die Pädagogin sehr freut.

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Und sie hat noch weitere wichtige Faktoren ausgemacht. „In Bezug auf Interesse und Motivation ist der Wald sehr hilfreich“, findet sie. Denn nach fünf Schulstunden komme häufig die Frage, warum der Unterricht schon zu Ende sei. „Hier vergeht die Zeit viel schneller“, bestätigen die Kinder. Ein Effekt, der sich fast nebenbei eingestellt hat: „Die Kinder sind sensibilisiert für die Umwelt. Sie achten sehr darauf, dass der Wald sauber bleibt.“ Scherben oder Müll werde eingesammelt.

Begleitung durch Forstamt

Interessierter Gast einer solchen Unterrichtseinheit ist Bürgermeister Dr. Lukas Braun. Er gratuliert Fleckenstein zu diesem tollen Erfolg. „Es macht uns unheimlich stolz, solche Pädagogen in der Stadt zu wissen.“ Und er ergänzt: „Das Konzept passt hervorragend zur Stadt und ist nach dem Waldkindergarten ein weiterer Mosaikstein in Sachen Waldpädagogik.“ Auch weil viele Kinder heutzutage weniger im Wald spielen als früher. Das Grundstück hat die Kommune gerne zur Verfügung gestellt – ebenso wie die Möglichkeit des Besuchs im Arboretum am Schwimmbad. Unterstützung erhält Julia Fleckenstein, die auch an der Pater-Alois-Grimm-Schule in Külsheim unterrichtet, von Hans-Peter Scheifele vom Forstamt. Rund ein Dutzend Mal war er mit dabei, begleitet von Hund Hägar. „Die Reize im Wald sind vielfältig, weil sich auch der Wald im Lauf des Jahres ändert“, so der Förster. Gleichzeit rege er die Fantasie zu unendlich vielen Spiel- und Lernmöglichkeiten an. Denn: „Die Aktionen sind immer lösungsorientiert.“

Teamarbeit und soziales Handeln sind neben dem Lernen wichtige Aspekte des Unterrichts im Wald. © SBBZ

Für den Waldpädagogikpreis unter dem Motto „Raus aus dem Klassenzimmer – rein in den Wald“ hat sich Julia Fleckenstein eher zufällig beworben. Weil das Projekt „Schulfächer im Wald: Möglichkeiten für inklusiven Unterricht und Unterricht für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen – zwischen zieldifferent und gemeinsam“ perfekt passte, reichte sie ihr Konzept ein. Und war erfolgreich. Nicht minder erfolgreich war man bei der Stiftung Landesbank Baden-Württemberg, die den pädagogischen Ansatz mit 2000 Euro zur Anschaffung von Becherlupen oder anderen Materialien unterstützt.

Seit fast zwei Jahren hat Julia Fleckenstein nun das Waldklassenzimmer, das auch Rektorin Tanja Rygiel sehr stolz macht. „Ihre Begeisterung für den Wald ist ansteckend“, betont die SBBZ-Schulleiterin.

Und die beiden wollen die Kollegen animieren, bei Projekten mit ihren Schülern mitzumachen. Ideen hat die Preisträgerin noch viele.

Redaktion Hauptsächlich für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim im Einsatz

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