Lauda-Königshofen. Der Fachkräftemangel in der Pflege spitzt sich dramatisch zu. Schon heute fehlen in Deutschland rund 120.000 Pflegekräfte. Prognosen zeigen: Wenn nicht gegengesteuert wird, könnten es bis 2035 fast eine halbe Million sein. „Der demografische Wandel und der steigende Bedarf an Pflegeplätzen verschärfen die Lage von Jahr zu Jahr“, erklärt Britta Kangas von der Stabstelle Ehrenamt und interkulturelle Öffnung bei der Caritas im Tauberkreis mit Hauptsitz in Tauberbischofsheim.
Um diese Lücke zumindest halbwegs schließen zu können, setzen mittlerweile viele Träger auf internationale Fachkräfte. „Unser Caritasverband etwa unterhält gemeinsam mit drei weiteren Caritasverbänden ein innovatives Pilotprojekt in Vietnam“, betont Vorstandsvorsitzender Michael Müller im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Ziel sei es, junge Menschen gezielt für den Pflegeberuf in Deutschland zu gewinnen – und sie umfassend auf Sprache, Kultur und Berufspraxis vorzubereiten.
„Wir haben ein Verfahren entwickelt, das sowohl den Fachkräften als auch den Einrichtungen Sicherheit gibt“, sagt Müller. Konkret bedeute das: „Die Teilnehmer durchlaufen in Vietnam zunächst einen intensiven Deutschkurs bis Niveau B2. Erst wenn die Sprachkompetenzen gesichert sind, erfolgt die Einreise nach Deutschland und dann die Ausbildung zur Pflegefachkraft.“
Die Caritas-Vertreter betonen, dass es nicht nur um Personalzahlen gehe, sondern auch um Qualität und Nachhaltigkeit. „Wir wollen keine kurzfristigen Lösungen, sondern langfristige Bindungen schaffen“, lassen Kangas und Müller unisono wissen. Deshalb gehöre zur Unterstützung auch ein kulturelles Integrationsprogramm: von Arbeitsrecht über Alltagswissen bis hin zu interkulturellem Training.
Im Mittelpunkt stehe jedoch stets der Mensch. „Es ist uns wichtig, dass die Pflegekräfte sich hier wirklich zu Hause fühlen können“, betont Britta Kangas. Dazu zähle auch die Unterstützung bei Wohnungssuche, Behördengängen und familiären Fragen. Einheimische, die mit der Materie betraut seien, begleiteten die angehenden Fachkräfte von Anfang an – sowohl organisatorisch als auch emotional.
Das Projekt ist jedoch nur ein Baustein, um mit größerem Optimismus nach vorn blicken und sich den Herausforderungen erfolgreich stellen zu können. Neben Vietnam verfolge die Caritas nämlich weitere Initiativen, unter anderem mit der Türkei, Indien und den Philippinen. Immer gehe es darum, Partnerschaften fair zu gestalten – für die Fachkräfte, die Herkunftsländer und die Pflegeeinrichtungen. „Wir wollen keine Abwanderung fördern, sondern Kooperationen, die für beide Seiten Nutzen bringen“, unterstreicht Vorstandsvorsitzender Michael Müller.
Auch die Politik schaue inzwischen genau hin. Denn Projekte wie dieses gelten als Modell für eine gelingende Arbeitsmigration. Sie könnten ein Schlüssel sein, um den drohenden Kollaps im Pflegesystem - und auch in anderen Bereichen wie Gastronomie oder ÖPNV - zu verhindern. Gleichzeitig zeigten sie, wie wichtig gesellschaftliche Akzeptanz ist. „Internationale Fachkräfte sind keine Notlösung, sondern eine Bereicherung“, hebt Britta Kangas hervor - und erhält durch Michael Müller nickend Zustimmung.
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