Messelhausen/Würzburg. Pater Christoph Weberbauer wirkt seit über drei Jahren am Augustinerkloster in Würzburg. Die letzte Zeit war jedoch nicht einfach für den mittlerweile 80-jährigen, früheren Prior des Klosters in Messelhausen.
Das laute, quirlige Leben am Würzburger Dominikanerplatz wird plötzlich ganz leise. Schon auf dem Weg zur Klosterpforte hin vergisst man fast, dass man in einer Stadt ist. Öffnen sich die Tore dann, ist man in einer anderen Welt – einer Welt, die für den früheren Prior des Augustinerklosters Messelhausen zum Zuhause geworden ist.
Ein Gespräch mit Pater Christoph Weberbauer.
Pater Christoph, schon seit neun Jahren wirken Sie nicht mehr in Messelhausen. Wenn Sie Ihr Leben seitdem in drei Wörtern beschreiben müssten, welche drei würden Sie verwenden?
Pater Christoph Weberbauer: Es werden heuer sogar schon zehn Jahre. Ich nenne mal spontan und aus dem Bauch heraus drei Wörter für die Zeit nach Messelhausen: Loslassen, Hinhören und als drittes Wort brauche ich dann auf jeden Fall noch den Begriff „Alt“ – in Form von Altwerden, Altsein.
Erklären Sie bitte kurz, warum Sie genau diese Wörter gewählt haben.
Pater Christoph: Loslassen ist eine Kunst des Lebens, die ich nie gut beherrscht habe. Es fällt mir immer noch und immer wieder schwer. Dabei scheint es das Natürlichste der Welt zu sein – ein Prinzip des Lebens, das von allem Geschaffenen verlangt wird. 20 Jahre war ich in Messelhausen. Und ich war gerne dort. Ich habe Land und Leute kennen- und auch lieben und schätzen gelernt. In diesen Jahren konnte ich das Kloster mitprägen und mitgestalten.
In den Kursen, die wir dort gehalten haben, habe ich viel für mich selbst gelernt. Schöne und tiefe Freundschaften sind entstanden und gewachsen. Der Augustinusweg, ein Herzensanliegen von mir, wird immer noch gerne gegangen. All das und vieles mehr musste ich gefühlt von heute auf morgen – jedenfalls viel zu schnell für mich – loslassen.
Und hinhören?
Pater Christoph: Hinhören ist ein ähnlich fundamentales Lebenswort. Es ist für mich eine Übersetzung des Ordensgelübdes „Gehorsam“ und bedeutet wesentlich mehr, als einem Oberen gehorsam zu sein. „Gott, ich will hören, was Du mir sagst, wie ich weiter gehen soll. Ich will hören durch all die Lebensumstände, die sich für mich zeigen und ergeben.“ Hinhören also jeden Tag neu.
Und da sind wir schon beim dritten Wort. Als bekannt wurde, dass ich die Leitung des Exerzitienhauses aufgeben werde – ich war gerade 70 geworden – sagte mir eine Frau recht vorwurfsvoll, dass ich mich doch schämen müsse, so bald aufhören zu wollen. Ich solle mir doch Papst Benedikt XVI. als Vorbild nehmen. Er war noch 15 Jahre älter als ich.Aber kurze Zeit später gab er sein Amt auf, weil er überfordert war. Wie ich meine, war dies sein wichtigster Schritt, den er als Papst noch gewagt hat und der mir viel Respekt eingeflößt hat. Gott spricht zu uns vielleicht sogar am deutlichsten durch den Körper. Und es ist nicht immer leicht gewesen, das anzunehmen, was ich da höre.
Ich bin alt geworden und will mein Sterbenmüssen nicht verdrängen. Erst kürzlich habe ich meinen Bruder verloren.
Sie nahmen sich nach Messelhausen Auszeiten in zwei italienischen Klöstern, waren dann im eher beschaulichen Fährbrück zuhause und leben jetzt im Zentrum von Würzburg. Andere Menschen in Ihrem Alter ziehen nicht so oft um wie Sie.
Pater Christoph: Ja, jetzt weiß ich aus Erfahrung, was das kluge Wort sagen will: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht mehr.“ Dennoch bin ich froh und dankbar, dass ich ausprobieren durfte, hinhören durfte. In Italien hat es mir sehr gut gefallen. Das Leben kam mir dort als typisch Deutschem leicht, froh und auch lustvoll entgegen. Aber die Sprache richtig lernen mit damals 70 Jahren? Auf Italienisch predigen, die Beichte abnehmen? Darin war ich wohl nicht schlecht, aber auf Dauer wäre es mir zu anstrengend gewesen.
Welche Aufgaben erfüllen Sie heute, auch mit 80 Jahren noch?
Pater Christoph: Gespräche sind mir immer noch wichtig, ob im regelmäßigen Beichtstuhlangebot der Kirche oder persönlich. Mit unterschiedlichen Gruppen und an verschiedenen Orten darf ich Gottesdienste feiern, und gerade bereite ich mich auf zwei Wochen Exerzitien in Köln vor, die ich begleiten darf.
Sie waren schwer erkrankt. Gibt es etwas, das Sie durch diese Krankheit noch gelernt haben? Mussten Sie sich noch mehr in Geduld, in Demut üben? Haderten Sie auch mit Ihrem Schöpfer?
Pater Christoph: Das alles kann ich nur mit einem deutlichen Ja bestätigen. Es ist so viel leichter, anderen zur Seite zu stehen und aufmunternde Worte zu finden, als selbst darauf angewiesen zu sein, sie zu erhoffen oder gar zu erbitten… Ich habe sehr intensiv mit meinem Schöpfer gesprochen. Gebet heißt für mich reden, das Herz reden lassen, rufen, schreien. Danach war es mir oft.
30 Strahlenbehandlungen, die mit der Zeit immer schmerzhafter wurden, musste ich überstehen. Ich hatte immer Angst, wenn diese Apparaturen über mich hinweg schwebten, das hat mich alles sehr bewegt. Doch eines half mir auch in dieser dunklen Zeit: Eine der Krankenschwestern muss gespürt haben, wie es mir geht. Sie hat mich immer sehr freundlich angeschaut. Ihr Blick war so schön, ich durfte ihr ein bisschen in die Seele schauen. Jeden Tag freute ich mich auf diesen Augenblick. Inzwischen ist mit Olga, so heißt sie, eine kleine, schöne Freundschaft entstanden. Seitdem weiß ich: Auch wenn das Leben noch so schwer ist, gibt es immer wieder ein Licht, ein Hoffnungszeichen. Deshalb mag ich auch Regenbogen so gerne.
Sind Sie geheilt?
Pater Christoph: Ja, das bin ich. Ich fühle mich fit und gesund, allerdings muss ich regelmäßig zur Kontrolle gehen.
Welche drei Wörter kommen Ihnen beim Blick in die Zukunft in den Sinn?
Pater Christoph: Dankbarkeit, Vertrauen und Verbundenheit. Wenn ich stehe, bin ich mit beiden Beinen mit der Erde verbunden, Körper und Kopf richten sich gen Himmel. Gerne breite ich dabei die Arme aus, weil ich die Menschen liebe und nicht gerne alleine bin. Ich erlebe viel Verbundenheit mit den Menschen. Ich umarme gerne und lasse mich ebenso gerne umarmen.
Wie gefällt Ihnen das Leben in Würzburg?
Pater Christoph: Wir sind 16 Brüder, die sich in zwei Gruppen aufteilen – im Konvent St. Augustin lebt die jüngere Generation mit mir als Ältestem. Es ist wie in einer Familie: Die Jungen sind die Enkel, und ich bin sozusagen ihr Opa. Mit allen, auch den Brüdern im Seniorenkonvent St. Thomas, verstehe ich mich sehr gut.
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