Gemeinderatssitzung Krautheim

Kontroverse Diskussion zum Bauvorhaben der Spedition Rüdinger

Das Transportunternehmen aus Krautheim will rund 800 Meter von Neunstetten entfernt einen Standort zur Sammelgutversorung bauen. Diese Idee fanden jedoch nicht alle Stadträte gut. Einige haderten mit dem geplanten Areal.

Von 
Nicola Beier
Lesedauer: 
Der geplante Standort liegt an der Kreisstraße zwischen Neunstetten und Windischbuch, gegenüber des Lagerortes für die Windradteile. © Ründinger Spedition

Krautheim. Zu einer rund einstündigen Diskussion kam es am Donnerstagabend in der Gemeinderatssitzung in Krautheim, als der Tagesordnungspunkt zum vorhabensbezogenen Bebauungsplan für einen Standort für Sammelgutversorgung des Logistikunternehmens Rüdinger in Neunstetten aufgerufen wurde. Es galt, einen Aufstellungsbeschluss zu fassen, also darüber zu entscheiden, ob der Bebauungsplan für die Fläche nördlich von Neunstetten an der Kreisstraße nach Windischbuch weiter verfolgt werden sollte. Würde dem zugestimmt werden, solle unter anderem der Natur- und Artenschutz, Emissionen, die Oberwasserableitung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung geprüft werden, erläuterte Bürgermeister Andreas Köhler. „Das heißt aber noch nicht, dass das genehmigt wird.“

Das Bauvorhaben

Zu Beginn stellte er das Vorhaben von Rüdinger vor. Weil sich das Unternehmen mit Hauptsitz in Altkrautheim dort flächentechnisch nicht mehr weiterentwickeln könne, sei es auf der Suche nach neuen Bauflächen, um zu expandieren. Am Standort nahe der Stadtgrenze zu Boxberg, rund 800 Meter von Neunstetten entfernt, soll einiges passieren.

„Folgendes ist geplant: der Neubau einer Sammelgutanlage in zwei bis drei Bauabschnitten, eine Stückguthalle mit 10 000 Quadratmetern, ein dreigeschossiges Bürogebäude mit insgesamt 750 Quadratmetern Fläche, drei Lagerlogistikhallen mit jeweils 4000 Quadratmetern Fläche, 75 Lang-Lkw-Parkplätze und Stellplätze für 105 Pkw“, fasste Köhler zusammen. Am neuen Standort sollen in drei Schichten 130 Mitarbeiter aus Altkrautheim tätig werden – davon zehn Azubis.

Mehr zum Thema

Risikomanagement

Krautheim vor Starkregen schützen

Veröffentlicht
Von
Nicola Beier
Mehr erfahren

„Der geplante Standort soll ein Modellprojekt für Elektro-Lkw werden“, erklärte Köhler. Da diese allerdings viel Ladestrom benötigten, sollen PV-Anlagen über den Stellflächen und auf allen Dächern errichtet werden. Zusätzlich ist geplant, den Strom der in der Nähe befindlichen Windräder und der PV-Anlage für den hohen Ladestrombedarf zu nutzen.

Für Neunstetten sei die ausgewählte Fläche am „verträglichsten, weil die meisten Anlieferungen von Norden aus erfolgen“, erklärte Köhler und verwies auf die Anschlussstelle der A 81 und die Bundesstraße. Der Stückgutverkehr solle von dort aus auch wieder in die Kreise Main-Tauber und Neckar-Odenwald zurückgeführt werden.

„Der Ortschaftsrat von Neunstetten hat dem Vorhaben seine Zustimmung verweigert [im Verhältnis 4-1-1; Anm. der Red.]“, sagte Köhler. Er selbst appellierte jedoch, für den Aufstellungsbeschluss zu stimmen, da die Firma Rüdinger nicht nur ein bedeutender Gewerbesteuerzahler sei, sondern auch über 600 Arbeitsplätze und 50 bis 60 Ausbildungsplätze biete – mehr als alle anderen in Krautheim ansässigen Firmen und Gewerbetreibende zusammen.

Antrag gestellt

Das schien einige Stadträte jedoch nicht zu beeindrucken. Nachdem der Bürgermeister fertig war, ergriff Jakob Meyer, der ebenfalls Ortschaftsrat in Neunstetten ist, das Wort und beantragte den Punkt in nichtöffentlicher Sitzung fortzuführen und eine Entscheidung auf die übernächste Gemeinderatssitzung zu vertagen. „Wir haben uns in Neunstetten als Ortschaftsrat dagegen ausgesprochen, obwohl wir die Expansion von Rüdinger begrüßen – aber nicht an dieser Stelle“, machte er seine Haltung deutlich. Nach einer „Werbeveranstaltung“, zu der Bürgermeister Köhler persönlich eingeladen haben sollte – was dieser jedoch deutlich zurückwies – habe es keine Möglichkeit gegeben, sich auszutauschen und mögliche Standortalternativen zu beratschlagen. „Es sind Diskussionen erforderlich“, sagte er.

Die Vorhaltungen von Meyer wies Köhler daraufhin entschieden zurück. Er habe im Namen von Roland Rüdinger und nicht selbst zu einer Informationsveranstaltung zum geplanten Vorhaben eingeladen. Auch Stadtrat Thomas Dubowy erklärte, dass es sich um keine „Werbeveranstaltung“ gehandelt habe: „Ich möchte weit vom Gemeinderat weisen, dass es hier zu einer Vorteilsnahme kam“, entgegnete er. Es sei eine „ganz sachliche Veranstaltung“ gewesen.

Dubowy sprach sich deutlich gegen eine Vertagung aus. „Wir sollten uns nicht um die Entscheidung drücken. Wir haben einen klaren Antrag der Firma, den wir mit ’Ja’ oder ’Nein’ bescheiden können.“ Der Antrag von Jakob Meryer wurde mit zehn zu sechs Gegenstimmen abgelehnt.

So ging die Diskussion munter weiter. Stadtrat Wolfgang Ringeisen forderte mehr Informationen, beispielsweise eine Verkehrsanalyse und Bodenrichtwerte. Schließlich solle eine riesige landwirtschaftliche Fläche versiegelt werden. Dem ganzen Vorhaben stand er ablehnend gegenüber: Gigaliner würden in erster Linie Personal einsparen. „Der beste Lang-Lkw ist der Güterzug“, sagte er. Auch er sprach sich für die Suche nach einem Alternativstandort aus.

Behörden prüfen das Vorhaben

„Die Behörden werden alle Punkte prüfen, auch das Landwirtschaftsamt und Straßenbauamt sind involviert“, entgegnete Köhler. „Das ist ein langes Verfahren. Es ist ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, bei dem viele Punkte geprüft werden müssen. Wir sagen heute nur, dass es geprüft werden soll.“ Mit Nachdruck verwies er erneut auf die Wichtigkeit Rüdingers als Arbeitgeber und „besonderen“ Gewerbesteuerzahler: „Wir wollen denen das Ding doch nicht vermasseln. Das kann doch nicht sein.“ Er erhielt daraufhin Applaus von den Zuhörern.

Stadtrat Matthias Englert hieb in die gleiche Kerbe: „Ich stimme dem Projekt zu. Ich möchte der Firma eine Lösung bieten“, machte er klar und nannte dieselben Argumente wie der Bürgermeister. Er verglich das Projekt mit dem geplanten DHL-Paketzentrum, das in Oberkessach zunächst abgelehnt wurde. „ Osterburken ist nun froh drum“, meinte er. Auch der Verkehr durch Neunstetten könne kein Argument sein, denn dieser würde sich, egal wo der Standort Rüdingers läge, nicht ändern. „Einen besseren Standort finden wir nicht mehr“, stimmte Stadtrat Frank Fraulob ihm zu.

Zahlreiche Gegenargumente

Nachdem sein Antrag abgelehnt wurde, nannte Stadtrat Meyer seine Gegenargumente nun in öffentlicher Sitzung. Er verwies auf die standortnahen Seen, die zu verlanden drohten, auf die starke Zersiedlung und ebenfalls auf die Standortalternativen. Er schlug eine Fläche nahe der Windräder und der PV-Anlage vor. „Dort sind zwar die Grundstücksverhältnisse schwieriger, weil es dort zehn Flächen gibt, die zehn Eigentümern gehören, statt wie in Neunstetten dreien. Das heißt, die Verhandlungen werden schwieriger. Ich kenne Herrn Rüdinger aber gut genug, um zu wissen, dass er auch gegen Widerstände verhandeln kann“, spitzelte er gegen den Unternehmer. Außerdem könne die Stromversorgung dort einfacher sichergestellt werden. Eine schlechte Lösung „als Abschiedsgeschenk unseres Bürgermeisters“ sei nicht wünschenswert.

Köhler wies auch diese Unterstellung von sich. Er würde nicht zum eigenen Vorteil handeln und auch keine „CDU-nahen Entscheidungen“ treffen, wie es zuvor bei der Ortschaftsratssitzung behauptet worden sei.

Die Geräusch- und Lichtemissionen „wollen die Bürger nicht“, warf Bernd-Michael Beisel noch weitere Gegenargumente ein. Der Ortschaftsrat habe gegen den Standort entschieden. „Das Gremium sollte nicht einfach übergangen werden.“ Dem pflichtete auch Eberhard Stauch bei: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Ortschaftsräte.“

Anderer Meinung war Thomas Dubowy. Er erinnerte daran, dass man nicht nur im Namen der Neunstettener Bürger entscheiden dürfe, sondern an alle Bürger Krautheims denken solle. In diese Richtung ging auch Bürgermeister Köhler, als er vor der Abstimmung, mahnte: „Die Summe der Einzelinteressen ist nicht das Gemeinwohl. Das ist von Sigmar Gabriel und trifft hier genau zu.“

Daraufhin stimmte der Gemeinderat mit elf Für-, vier Gegenstimmen und zwei Enthaltungen dem Aufstellungsbeschluss für den vorhabensbezogenen Bebauungsplan „Sondergebiet Logistikstandort Neunstetten Nord“ zu.

Gleichzeitig fasste er die Entscheidung, den Flächennutzungsplan für die Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen in ein Sondergebiet zum Aufbau eines Pilotprojektes Logistikbetrieb mit regenerativ erzeugtem Strom fortzuschreiben.

Redaktion Im Einsatz für die Redaktionen Buchen und Sport

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten