Igersheim. Landrat Christoph Schauder feierte seine Premiere als Besucher der „Igersheimer Impulse“. Beim sonntäglichen Auftritt von Michaela May outete er sich als großer Fan der Münchnerin. Er sei „richtig begeistert“ vom Gastspiel der beliebten Schauspielerin, die sich als Star ohne Allüren präsentierte. „Wir hätten ihr gerne noch länger zugehört, der Abend war sehr informativ und kurzweilig“, äußerte sich ein weiterer Zuhörer ebenfalls recht angetan von dem Abend – stellvertretend für alle, die in der Erlenbachhalle mit dabei waren, darunter auch Bürgermeister Frank Menikheim. Er freute sich explizit darüber, dass die Reihe auch nach der Corona-Pause nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt habe und auf solch eine große Resonanz stoße.
Akribisch vorbereitet
Talkmaster Josef Gabel war – einmal mehr – in seinem Element. Er hatte sich akribisch auf das Gespräch mit Michaela May vorbereitet und blickte mit ihr unterhaltsam „hinter die Kulissen“ ihrer Biografie „Hinter dem Lächeln“, in der sie sich unter anderem ausführlich mit dem Thema Depression auseinandersetzt – vor dem Hintergrund, dass sich ihre drei Geschwister in jungen Jahren allesamt das Leben genommen hatten. Ihr sei es wichtig, dass die Depression „als Krankheit akzeptiert und offen darüber gesprochen wird“. Es sei falsch, dazu zu schweigen, es gelte vielmehr, „rauszukommen aus einer Tabuzone“.
Eigentlich habe sie zunächst nicht daran gedacht, eine Biografie zu schreiben. Doch schlussendlich seien drei Grunde dafür ausschlaggebend, dass sie es doch getan habe – und erstaunt darüber sei, dass das Buch solch einen großen Zuspruch findet. „Scheinbar spreche ich vielen aus der Seele, die ebenfalls solche Erfahrungen gemacht haben, und das Buch ist für sie wie ein Wegweiser“, mutmaßt die viel beschäftigte Schauspielerin, die seit 2006 mit dem Regisseur Bernd Schadewald verheiratet und inzwischen vierfache Oma ist.
Einerseits habe der Lockdown ihr gewisse Freiräume ermöglicht, um sich solch einem Projekt zu widmen. Andererseits seien zu runden Geburtstagen immer wieder Verlage bei ihr aufgeschlagen mit der Frage, ob sie sich denn nicht vorstellen könne, ihre Erinnerungen zu verfassen. „Und schließlich bin ich im Keller auf zwei Kisten mit Aufzeichnungen aus dem Leben eines meiner Brüder gestoßen“, erzählt die 70-Jährige, die für das Ur-Münchnerische, Bodenständigkeit, unbändige Reiselust, Wohltätigkeit und großes schauspielerisches Können steht. Letztlich habe dies den Anstoß dazu gegeben, die Biografie zu schreiben und so der Gesellschaft zu verdeutlichen, wie es „Hinter dem Lächeln“ ausschaut.
Viel mitgemacht und erlebt
„Jeder trägt seinen Rucksack“, sagt May, dennoch sei es angebracht, trotz mancher Schicksalsschläge persönlich ein Leben zu führen, das Spaß mache. Sie habe viel mitgemacht und erlebt, dennoch sei es ihr ein Anliegen zu betonen, dass „ich leben und möglichst viel aus meinem Leben machen möchte“. Der Suizid ihrer drei Geschwister sei ihr und ihren Eltern, die Mutter sei für sie Halt, Freundin und Vorbild gewesen, dennoch sehr nahegegangen.
Liebe als großer elterlicher Halt
Und wie seien vor allem die Eltern darüber hinweggekommen? „In ihrer Liebe zueinander fanden sie großen Halt. Und auch der Glaube hat ihnen dabei geholfen.“ Sie seien sich sicher gewesen, dass die Menschen nur Gast auf Erden seien und sich nach dem Tod alle wieder sähen. Sie selbst sei auch im Glauben und tiefer religiöser Verwurzelung aufgewachsen, habe aber nach dem Tod ihrer Geschwister immer wieder Zweifel an der Kirche gehegt.
Suizide seien „ein Frevel gegen Gott“, habe es geheißen, weswegen Bestattungen mit kirchlichem Segen verweigert worden waren. „Ein Schlag ins Gesicht meiner Eltern, die dies nicht verstanden“ und was dazu geführt habe, dass sie nach dem Tod der Mutter aus der Kirche ausgetreten sei.
„Wir haben eine schöne und unbeschwerte Kindheit verbracht“, lässt Michaela May die gebannten Zuhörer wissen. Sie sei von ihrer Oma, die sich an Fasching verkleidete, bereits mit sechs Jahren zum Viktualienmarkt mitgenommen worden sei. Die Basis zur Schauspielerei sei gelegt worden. Später habe sie sich mit kleinen Werbefilmen das erste Taschengeld verdient, um sich im Laufe der Zeit zu einem echten Tausendsassa in Filmen, auf der Kinoleinwand oder auf Theaterbühnen zu mausern.
Im Verlauf der kurzweiligen mehr als zwei Stunden war von Michaela May viel Persönliches zu erfahren. So habe sie 1968 ein Faible für die Beatles gehabt, sich in den Schlagzeuger einer Band verliebt und beim ersten Zungenkuss gedacht, sie sei schwanger („wir waren ja noch nicht richtig aufgeklärt“). Es habe vieles mal ausprobiert werden müssen – auch mal eine Haschzigarette.
Gertraud Elisabeth Berta Franziska Mittermayr, so ihr bürgerlicher Name – für den internationalen Film nicht gerade förderlich, blickt die zweifache Mutter zurück. Zudem sei sie trotz der etwas anderen Schreibweise ihres Nachnamens immer wieder mal mit der Skifahrerdynastie Mittermaier verwechselt worden. Lange Rede, kurzer Sinn, mit dem neues Pseudonym habe sie karrieremäßig viel mehr anfangen können. Und letztlich sei sie auch froh gewesen, einen Chirurgen-Termin abgesagt zu haben, der ihr eine „Filmnase“ habe verpassen sollen. „Madl, die bist ein Charakter und kein Modell“, sei ihr dann kundgetan worden, „und jetzt mag ich meine Nase und habe mich an sie gewöhnt . . .“
Sie habe in all den Jahren vieles richtig gemacht – privat wie beruflich, teilt Michaela May weiter mit. Ihr Credo sei bis in die Gegenwart, „nicht zurückzublicken und in Mitleid verfallen“, sondern das Positive im Auge zu haben. Sie genieße es, die Zuneigung der Menschen zu spüren, was sie als „echtes Glück“ bezeichnet, wobei der Begriff Liebe für sie einen hohen Stellenwert habe und sich wie ein roter Faden durch ihr Leben ziehe.
Kinderkrebs- und Welthungerhilfe sowie Patin für SOS-Kinderdörfer, dazu Schirmherrin für Mukoviszidose – die Schauspielerin engagiert sich stark für soziale Zwecke. Sie wolle etwas für die Allgemeinheit tun und ihr zurückgeben, wovon sie selbst auch profitiert habe. Für sie sei eine erfreuliche Folge der Corona-Pandemie, dass die Spendenbereitschaft hierzulande wieder gesteigert worden sei. Denn es gebe viele Menschen in Deutschland, die Hilfe bräuchten. Und hier wäre es von Vorteil, wenn statt des Egoismus’ der Wir-Gedanke wieder mehr in den Vordergrund treten würde.
Mit Vorwurf konfrontiert
Anfänglich seien viele Schauspieler von der Boulevardpresse mit dem Vorwurf konfrontiert worden, sie würden sich vor allem zur Selbstdarstellung sozial engagieren. Das habe sie so nicht auf sich sitzen lassen wollen: „Ich musste mir deswegen etwas eigenes suchen, wozu ich auch einen Bezug habe – und das wollte ich aus Überzeugung tun“ – mit dem Resultat, dass sie sich seit 2019 zusammen mit Elmar Wepper auch noch für den Verein „Retla“ einsetze, der sich darum kümmert, in das Leben von Senioren, die aus verschiedenen Gründen einsam sind, wieder etwas Farbe zu bringen. Es sei wichtig und richtig, sich für die Kinder zu engagieren, im gleichen Atemzug dürften allerdings die Senioren nicht vergessen werden.
Sie sei in jedem Fall noch so voller Tatendrang, dass sie sich auf all das freue, was auf sie noch warte, meinte Michaela May abschließend, ehe sie mit viel Applaus vom Publikum verabschiedet wurde. Auch sie habe sich sehr wohlgefühlt, ließ sie durchblicken. Das Angebot, erneut zu kommen, weil es noch so viel zu erzählen gebe, nahm sie schmunzelnd zur Kenntnis, bevor sie sich sehr viel Zeit für Gespräche, Selfies und zum Signieren der Bücher nahm.
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