„Igersheimer Impulse“

Igersheim: Klaus Augenthaler, ein Star ohne Allüren

Die Bayern-Legende gibt Anekdoten seiner langen und erfolgreichen Karriere zum Besten, die ihn mit der deutschen Nationalmannschaft bis auf den Weltmeisterthron führte. Als Spieler und Trainer hat er viel erlebt

Von 
Simon Retzbach
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„Ich war vielleicht zu gutmütig, wollte es immer allen recht machen“: Klaus Augenthaler begeisterte das Publikum. © Sabine Holroyd

Igersheim. Von Medienprofis glatt gezogene Phrasen sind nicht sein Ding, Klaus „Auge“ Augenthaler ist ein Freund klarer Worte. Dies sorgte für zahllose Lacher in der gut besetzten Erlenbachhalle.

Sinnbildlich hierfür schon der Einstieg in die Gesprächsrunde mit Organisator Klaus T. Mende und Moderator Josef Gabel. Ob er gut in Mathe sei, wollte Mende vom Urbayer Augenthaler wissen. „Was ist das?“, gab dieser zurück. Mende konfrontierte ihn daraufhin mit dem Wechselfehler, der Augenthaler in Vertretung von Franz Beckenbauer als Cheftrainer der Bayern 1996 unterlief.

Im letzten Spiel der Saison wechselte er gegen Fortuna Düsseldorf unerlaubterweise drei neue Feldspieler und Ersatztorwart Michael Probst ein. „Die haben ja andauernd die Regeln fürs Auswechseln geändert“, rechtfertigt sich „Auge mit einem Schmunzeln. Zudem sei eigentlich Torwart Kahn Schuld, der unerwartet ebenfalls ausgewechselt werden wollte.

Das Publikum hatte er mit dem trockenen und bodenständigen Humor stets auf seiner Seite. Von Igersheims Bürgermeister Frank Menikheim um Tipps für dessen Lieblingsmannschaft 1860 München gebeten, äußerte der Weltmeister, dass er froh über eine Rückkehr der 60er in die erste Liga wäre. „Das sind sichere sechs Punkte für Bayern“, ist er sich sicher. Doch die Freude über eine Rückkehr des Vereins in die Bundesliga wäre bei FC-Bayern-Legende Augenthaler durchaus echt, schon um der schönen Münchner Derbys Willen.

Zustimmung aus dem Publikum

Denn aus den vielen Schilderungen und Anekdoten wird neben dem Humor vor allem eines erkennbar: Klaus Augenthaler ist ein Fußballnostalgiker, der die heutigen Zustände im Profigeschäft durchaus kritisch sieht. „Was bringt uns 75 Prozent Ballbesitz, wenn vor dem Tor nichts passiert?“, bemängelt er den aktuellen Spielstil der deutschen Nationalmannschaft. Dieses „Ballgeschiebe“, in Deutschland eingeführt unter dem damaligen Bayerntrainer Pep Guardiola, langweile die Leute. Er schalte die Spiele öfter vorzeitig ab, bekannte er unter großem Zuspruch aus dem Publikum. „Das ist nicht mehr der Fußball, den wir gerne sehen wollen“, so sein Fazit.

Was einen guten Fußballer ausmache, wollte Moderator Josef Gabel von Fachmann Augenthaler wissen. „Fußball ist so einfach“, gab dieser zurück. Heute würden schon frühzeitig Analysten eingesetzt, alles verkompliziert und den Spielern so die Lust am Fußball genommen. „Dabei ist es leicht, es gibt zwei Tore. Beim einen verteidige ich, ins andere will ich treffen“, fasste er den Kern des Fußballs zusammen.

„Verdirbt Geld den Charakter?“, wollte Josef Gabel mit Blick auf heutzutage enorme Gehälter im Profibereich wissen. „Wenn man charakterfest ist, ist das Gehalt egal“, meint Augenthaler und nennt Bayern-Urgestein Thomas Müller als Beispiel für seine These. Er selbst habe zu Beginn seiner Karriere bei den Bayern die damals stolze Summe von 4000 D-Mark bekommen, ein ordentlicher Sprung nach den 370 Mark, die es in der Ausbildung zum Bürokaufmann gab. Über Nachverhandlungen, wie heute üblich, habe er bei dieser für einen 19-Jährigen extrem hohen Summe gar nicht nachgedacht.

Dem bunt gemischten Publikum mit zahlreichen Bayernfans gefiel die humorvolle Art des Weltmeisters von 1990. © Sabine Holroyd

Offene Einblicke

Offene Einblicke hinter die Kulissen der damaligen Zeit, als der Profifußball noch ein anderer war, kommen beim Publikum gut an. So auch die Anekdote über eines der wohl intensivsten Spiele für den erfolgreichen Defensivmann. Im Halbfinal-Rückspiel des Europapokals der Landesmeister, dem Vorgänger der heutigen Champions League, erlebt Augenthaler gegen Real Madrid ein Spiel zum Vergessen.

Zwar war die Führung aus dem Hinspiel in München mit 4:1 noch komfortabel, dies änderte sich jedoch nach frühem Platzverweis für „Auge“ und dem 0:1-Rückstand. Augenthaler, der das Spiel in der Kabine verfolgen musste, ertrug die erzwungene Hilflosigkeit kaum: „In den Katakomben vom Bernabeu hast du die 80 000 Fans sehr laut gehört. Jede Torchance hat sich wie ein Tor angehört und damals hingen ja noch nicht überall Bildschirme, ich wusste in der Kabine also nie, ob es jetzt ein Tor war. Irgendwann habe ich alle Duschen aufgedreht, um die Fans nicht mehr zu hören. Am Ende waren wir weiter und die hatten eine schöne Wasserrechnung“.

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Nicht nur als Spieler, auch als Trainer hat Klaus Augenthaler den Fußball kennengelernt. Mit verschiedenen Stationen beim FC Bayern, dem Grazer AK, dem 1. FC Nürnberg, bei Bayer Leverkusen, dem VfL Wolfsburg, der SpVgg Unterhaching und dem SV Donaustauf erlebte er Höhen und Tiefen.

Für ihn die größte Herausforderung als Coach? „Ich war vielleicht zu gutmütig, wollte es immer allen recht machen. Das geht im Fußball aber nicht“, bekannte er selbstkritisch.

Für hektisches Gestikulieren und Schreien der Trainer während des Spiels hat Augenthaler übrigens wenig Verständnis. „Die Spieler hören das bei dem Lärm im Stadion eh nicht. Außerdem ist doch im Vorfeld alles bekannt, dafür macht man ja die Vorbesprechung. Während des Spiels hat man keinen großen Einfluss als Trainer“, ist er überzeugt. Man müsse den Spielern auch vertrauen: „Ob ich mit Dreier-, Vierer- oder Schneekette spiele, ist wurscht. Die Spieler wissen schon, was sie tun.“

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