Ausstellung „Gurs 1940“

Ausstellung in Hardheim: Das Mädchen mit der Hutschachtel

Mahnung gegen das Vergessen: Die neue Ausstellung des Museumsvereins „Erfatal“ in Hardheim zeigt die Deportation tausender Juden nach Gurs 1940. Darunter waren unter anderem auch Bürger aus Hardheim, Walldürn, Buchen.

Von 
Ingrid Eirich-Schaab
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Zu den 17 letzten aus Hardheim nach Gurs deportierten Juden gehörten (von links): Abraham Selig (Großvater von Jack Löwenthal), Selma Urspringer, Rita und Edith Billigheimer und Jakob Urspringter (Großmutter, Mutter, Schwester und Großvater von Manfred Billigheimer) sowie Selma Hanft. © Ingrid Eirich-Schaab

Hardheim. Verfolgung, Krieg, Gefangennahme, Flucht, Bombenangriffe und Vernichtung sind Begriffe, die aus der heutigen Nachrichten-Berichterstattung nicht wegzudenken sind. Sie zeigen Schattenseiten des menschlichen Miteinanders auf der Erde, spiegeln die Grausamkeiten wider, die sich tagtäglich an vielen Orten der Welt ereignen. Angst und das Gefühl der Bedrohung nehmen angesichts solcher Brutalität und Gefahren zu. Dabei hätte die Menschheit eigentlich aus der Vergangenheit lernen, das „Nie wieder“ in Fleisch und Blut übergehen müssen.

Diese Gedenktafel erinnert an die Deportation der letzten Hardheimer Juden. © Ingrid Eirich-Schaab

So hat die neue Ausstellung des Museumsvereins „Erfatal“ in Hardheim einen ganz aktuellen Bezug zum Zeitgeschehen. Sie stellt eine eindringliche Mahnung wider das Vergessen und den Krieg dar, einen Appell, den Frieden prinzipiell zu bewahren und weiteres Elend, Leid und Not zu vermeiden. Der Titel lautet „Gurs 1940“ oder in Anlehnung an ein Theaterstück von Lisa Sommerfeldt „Mädchen mit Hutschachtel“. Eröffnung ist am 28. April in der Erftalhalle.

Fakten und Öffnungszeiten

Da das Erfatalmuseum aufgrund mangelhafter Brandschutzmaßnahmen immer noch nicht geöffnet werden darf, wird die Ausstellung im Konferenzraum der Erftalhalle (ehemaliges „Famos“) zu sehen sein. Und zwar von Ende April bis zum 15. Juli. Die Eröffnung und Auftaktveranstaltung findet am Sonntag, 28. April, bei freiem Eintritt um 18 Uhr in der Erftalhalle statt. Danach ist die Ausstellung jeweils sonntags und feiertags von 14.30 bis 17 Uhr geöffnet.

Weitere Veranstaltungen: Parallel dazu sind Sonderveranstaltungen für Schüler und Schulklassen, ein Lyrikabend mit Ann-Kathrin Schneider aus Walldürn unter dem Motto „Rose Ausländer“ und eine Führung auf dem Hardheimer Judenfriedhof geplant. Letztere wird vom Museumverein in Zusammenarbeit mit dem Odenwaldklub am Sonntag, 9. Juni, angeboten. Erläuterungen vor Ort gibt es von Vorstandsmitglied Hans Sieber.

Der Ausstellung liegt kein besonderer Jubiläums- oder Gedenktag zugrunde. „Das Thema sollte immer allgegenwärtig und als Mahnung zugegen sein. Eine Verfolgung von (religiösen) Minderheiten darf sich so nicht mehr wiederholen“, so die Intention des Museumsvorstandes, speziell von Vorsitzender Jutta Biller.

Die Ausstellung nimmt inhaltlich Bezug auf die Deportation Tausender Jüdinnen und Juden aus Baden und der Saarpfalz am 22. und 23. Oktober 1940 ins französische Gurs am Fuße der Pyrenäen. Darunter befanden sich auch Bürger aus Hardheim, Walldürn, Buchen, Bödigheim, Eberstadt, Hainstadt, Königheim, Külsheim, Großeicholzheim, Mosbach, Sennfeld, Sindolsheim und Adelsheim. Es war eine der ersten organisierten Verschleppungen von Juden aus ihrer Heimat.

Biographie von Edith Leuchter aus Bruchsal

Die Grundlage für die Ausstellung in Hardheim bildet das Stück „Mädchen mit Hutschachtel“. Dieses hat die Biographie der Edith Leuchter, geborene Löb, aus Bruchsal zum Inhalt. Es gibt eine historische Filmsequenz, in der die 13-jährige Edith mit ihrer Mutter und Großmutter zum Bahnhof läuft, einen Rucksack auf dem Rücken und eine Hutschachtel in der Hand. Daher der Titel.

Edith, ihre Mutter und die Großmutter werden zur Internierung nach Gurs deportiert, Bruder Heinz befindet sich derweil im Internat in Frankfurt. Das junge jüdische Mädchen überlebte den Lageraufenthalt und wanderte später zu ihrem Vater nach Amerika aus. Die Großmutter starb noch in Gurs, Mutter und Bruder wurden nach Auschwitz gebracht und dort vergast.

Erinnerung an Gurs 1940 im Alpengarten: Die feierliche Enthüllung der Gedenktafel am 13. Oktober 2002 nahmen (von links) der damalige Hardheimer Bürgermeister Heribert Fouquet, Jack Löwenthal und Moshe Ben Yaacov (Manfred Billigheimer) vor. © Eirich-Schaab

Den Intendanten der Badischen Landesbühne, Carsten Ramm, fesselte das Schicksal der Bruchsaler Familie. Die Autorin Lisa Sommerfeldt sowie die Dramaturgin und Regisseurin Petra Jenni begaben sich daraufhin auf Spurensuche. Die Ergebnisse ihrer Recherche fasste Sommerfeldt in dem bereits erwähnten Dokumentar-Theaterstück über die Geschichte der Holocaustüberlebenden für die Landesbühne zusammen. Uraufführung war im Oktober 2022. Daneben gibt es einen Film.

Schicksal der Juden aus dem Erftal

Die Badische Landesbühne wandte sich an Hans Sieber als Geschäftsführer der Arnold-Hollerbach-Stiftung, ob in Hardheim Interesse an einer Aufführung für Schüler bestünde. Denn die Stiftung hatte in der Vergangenheit schon mehrere Vorstellungen mitfinanziert. Letztendlich wurde aus Kostengründen beschlossen, nur die Aufführungsrechte für den Film zu erwerben. Dieser wird am Eröffnungsabend vorgeführt. „So oder ähnlich erging es vielen Tausend Juden, auch denen aus dem Erftal. Der Film ist beispielhaft für das Schicksal vieler“, dachte sich Hans Sieber. Und sofort sah er Parallelen zu der Hardheimerin Edith Billigheimer und ihrer Familie, die ein vergleichbares Schicksal ereilte wie ihre Namensvetterin aus Bruchsal.

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Parallel zu dem allem wurde Vorsitzende Brigitte Scheuermann auf eine Ausstellung zum gleichen Thema aufmerksam, die das „Haus der Wannseekonferenz“ für Rastatt und Bruchsal zusammengestellt hatte. Auf Nachfrage erklärte sich Rastatt bereit, die „Roll-Ups“ den Hardheimern für ihre Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Sie werden durch einige Roll-Ups mit Hardheimer Geschichtsinformationen ergänzt, die Jutta Biller inhaltlich erarbeitet und Horst Bernhard gestaltet hat.

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