Grünsfeld. 244 Bundesligaeinsätze, 128 Spiele in der 2. Bundesliga und das Pokalfinale 2008 hat er geleitet. In der Saison 2011/12 wurde er zum „Schiedsrichter des Jahres“ gewählt. Seit 1. Juli ist er der neuer Geschäftsführer Sport und Kommunikation der DFB Schiri GmbH. Die Rede ist von Knut Kircher. Er und Erstliga-Schiedsrichter Benjamin Brand waren am vergangenen Freitag für die gute Sache in Grünsfeld im Einsatz.
Der Benefizabend stand unter dem Motto „Der 23. Mann und der VAR“ und wurde von der Stadt, dem FC Grünsfeld, dem Fußballkreis und der Schiedsrichter-Vereinigung Tauberbischofsheim in der Grünsfelder Stadthalle veranstaltet. Eine stattliche Besucherzahl lauschte den Ausführungen der Top-Referees – und hatten so manches Mal auch etwas zu lachen.
Knut Kircher hat Spielszenen mitgebracht
Direkt zu Beginn des Abends hielt Knut Kircher eine Präsentation zur Problematik: „Videoassistent: Fluch – Segen – Hilfsmittel?“. Denn die Frage „Was machen die da eigentlich [im Video-Assist-Center in Köln; Anm. der Redaktion]?“, kennt Kircher nur zu gut. „Und da will ich Sie mitnehmen“, versprach er den Gästen. Mit Hilfe anschaulicher Szenen aus dem Spiel VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt (nach VAR-Eingriff wurde Tor wegen Abseits nicht gewertet) ging der Schiri-Boss dieser Frage auf den Grund und stellt deutlich klar: „Wir wollen, dass nur bei klaren und offensichtlichen Fehlentscheidungen eingegriffen wird.“ Von diskutablen Situationen sollte der VAR lieber die Finger lassen. Hier kommt für Kircher der Schiedsrichter als „starke Persönlichkeit auf dem Platz“ ins Spiel, der die Entscheidung zu treffen hat.
Um die Debatte zum Videoassistenten ging es auch später am Abend in der Podiumsdiskussion mit FN-Reporterchef Michael Fürst, Knut Kircher und Bundesliga-Schiedsrichter Benjamin Brand (72 Bundesligaeinsätze, 62 Spielleitungen in der 2. Liga). Der hatte für diesen Abend sogar der UEFA für eine VAR-Nations-League-Ansetzung abgesagt, um in Grünsfeld dabei zu sein.
Probleme mit der Handspielregel
Michael Fürst startete das Gespräch mit einer Bitte, die die Zuhörer direkt zum Lachen brachte: „Benni, erkläre mir in drei Sätzen die Handspielregel.“ Auch der 35-Jährige musste schmunzeln. „Das kann ich nicht in drei Sätzen erklären“, gab er zu. In den vergangenen Jahren hätten die FIFA und das IFAB (International Football Association Board, zuständig für Regeländerungen im Fußball) zunächst versucht, die Regel durch klare Angaben zu schärfen. Als das nicht funktionierte, wurde eine Kehrtwende hingelegt, die die Regelauslegung vereinfachen sollte. „Die Diskussionen, die wir führen, sind die gleichen“, sagte der 35-Jährige. Für ihn ist in Bezug auf die Eingriffsschwelle klar: „Weniger ist mehr, bei Handspiel und bei Strafstößen.“ Kircher sieht das ähnlich und schlug vor: „Hand ist Hand. Immer und egal wo.“ Ob das aber die Akzeptanz bei den Fans erhöhen wird, sei seiner Meinung nach auch dann fraglich.
Moderator Fürst erinnerte an die Einführung des VAR zur Saison 2017/18. „Er wurde eingeführt, um klare Fehlentscheidungen zu vermeiden. Ist dieses Ansinnen erfüllt?“, wollte er wissen. „Übererfüllt“, meint Kircher. Denn die Eingriffe passierten mittlerweile auch bei Entscheidungen im Graubereich. „Da wollen wir zurück zu klaren Fehlentscheidungen“, erklärte er.
Benjamin Brand fordert mehr Transparenz
Um den VAR-Eingriff verständlicher zu machen, sei für Brand vor allem wichtig, dass mehr Transparenz in den Ablauf eines „On-field review“ gebracht werde. Er selbst habe das bei einem Spiel während der Heim-EM, dem er als Zuschauer beiwohnte, festgestellt: „Das war selbst für mich nicht nachvollziehbar“, sagte er. Er sei ein großer Befürworter davon, dass in den Stadien Bilder der entscheidenden Szene eingeblendet werden. Er könne sich aber auch vorstellen, dass die Schiedsrichter ihre Entscheidung künftig auf dem Feld erklären: „Ich bin kein Stadionsprecher, aber auch hier sind wir bereit, unseren Beitrag zu leisten.“
Michael Fürst selbst hatte auch noch einen Vorschlag: Man könnte doch eine Uhr einblenden, die von 20 Sekunden runter zählt. Sollte der Schiedsrichter in dieser Zeit keine Belege für eine klare Fehlentscheidung finden, bleibt die ursprüngliche Entscheidung bestehen. „Die Idee finde ich richtig gut“, stimmte Brand ihm zu. Denn auch auf FIFA-Ebene sei die „Wunschvorstellung“, dass ein Clip nicht länger als 15 Sekunden ohne Kameraperspektivwechsel dauere. Kircher warf aber ein: „Ein zusätzlicher Zeitslot bringt natürlich zusätzlichen Druck rein.“ Aus seiner Sicht müsste die Entscheidung, ob es eine klare Fehlentscheidung ist, vorgelagert der VAR selbst treffen und entsprechend entscheiden, ob der Schiedsrichter überhaupt raus muss, um sich die Szene anzusehen.
Ein weiterer Vorschlag, der bereits seit geraumer Zeit diskutiert wird, ist die Trainer-Challenge. Auch dafür seien die Schiris offen: „Wer mir letztlich den Befehl gibt, rauszugehen, ist mir ein Stück weit egal“, erklärte Brand. Allerdings müssten vor der Einführung einige Fragen geklärt werden: Unter anderem, ab wann ein Eingriffszeitpunkt zu spät sei.
Schiedsrichterei ist eine Schule fürs Leben
Zuletzt durfte Elite-Schiri Brand dann aber noch über ein Thema sprechen, bei dem die Zuschauer direkt merkten, dass es ihm am Herzen liegt: der Schiedsrichtermangel. „Ich kann es mir leicht machen und sagen: Probiert es einfach mal aus. Ich weiß aber nicht, ob das klappt“, sagte er und lächelte. Für ihn sei jedoch klar: „Das ist ein Schule fürs Leben.“ Man sei mittendrin und müsse „seinen Mann stehen“. Das habe ihn schon immer fasziniert.
Kircher appelliert in diesem Zusammenhang an die Vereine vor Ort: „Der beste Weg ist die persönliche Ansprache.“ Er wisse zwar, was für eine „Herkulesaufgabe“ das für die Ehrenamtlichen ist, für die jungen Schiedsrichter seien Ansprechpartner vor Ort aber sehr wichtig. Und er ist überzeugt: „Das ist ein klasse Job, der da an der Basis gemacht wird.“
Ein Exklusivinterview mit Knut Kircher wird in den kommenden Tagen veröffentlicht.
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