Grünsfeld. Am 15. April ist Schluss. Dann sollen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz. „Geht uns dann das Licht aus?“ Dieser Frage ging Diplom-Ingenieur Karl-Heinz Schmidt in einem Vortrag im Familienzentrum nach. Bei der Veranstaltung in Kooperation mit der Frauengemeinschaft zeigte er auch Lösungen für eine künftige Energieversorgung auf.
Von einem „brisanten Thema“ sprach Cornelia Renk. Die Energiekrise betreffe schließlich jeden. Das Familienzentrum im Caritasverband komme mit Vorträgen zu aktuellen Themen seinem Bildungsauftrag nach, machte dessen Leiterin in ihrer Begrüßung deutlich:„ Wir ermöglichen Begegnung, Beratung und Begleitung“.
Mit Karl-Heinz Schmidt referierte ein ausgewiesener Experte vor zahlreichen interessierten Zuhörern. Er hat Energie- und Verfahrenstechnik in Esslingen und Stuttgart studiert und war unter anderem für ABB als Leiter der Abteilung Umwelttechnik tätig. Für Knauf in Iphofen plante und baute er Rauchgasreinigungsanlagen für Großkraftwerke und Abfallverbrennungsanlagen in ganz Europa. Bei Siemens koordinierte er als Vize-Präsident den Kraftwerksbau in Westeuropa und Afrika. Er war Leiter der zentralen Beschaffung für Kraftwerke bei Evonik und Vertriebsleiter bei Bilfinger.
Mehr Expertise geht kaum. Entsprechend fundiert waren Schmidts Ausführungen. „Ambitioniert“ waren in seinen Augen die Klimaziele der Bundesregierung. Die hat beschlossen, bis zum Ende des Jahrzehnts den Treibhausgas-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu verringern. Verbunden damit ist der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle. Stattdessen setzt man fast ausschließlich auf Wind- und Solarenergie. Den Plänen stand Schmidt skeptisch gegenüber. „Bislang beruhte unsere Versorgungssicherheit auf einem Energiemix“, erklärte er. Die sah er durch die einseitige Festlegung auf erneuerbare Energien gefährdet und warnte: „Es droht der Blackout.“
Erneuerbare Energien
Problematisch schätzte er die von den erneuerbaren Energien benötigten Rohstoffe ein. So kämen zwei Prozent des benötigten Kupfers aus Chile. Bei Kobalt komme zwei Drittel aus dem Kongo. Die Bedingungen, unter denen diese Rohstoffe gewonnen werden, sind nach Schmidts Angaben mehr als heikel. Mangelnder Arbeitsschutz, Umweltbelastung und Kinderarbeit nannte er als kritische Faktoren.
Die deutsche Energiewende beruhte bislang auf dem Einsatz von vor allem billigem russischem Erdgas. Damit sollte die Energieversorgung gewährleistet sein, wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht. Keine gute Idee, wie Schmidt fand. „Wir haben uns einseitig abhängig gemacht und nicht Realpolitik betrieben“, meinte er und nannte die Entscheidung der Regierung Merkel einen „eklatanten politischen Fehler“.
Fragwürdig ist in Schmidts Augen auch der Umgang mit Frackinggas. Fracking bezeichnet ein Verfahren, mit dem sich Erdgas aus undurchlässigem Gestein lösen lässt. In Deutschland sei dies aus Umweltschutzgründen verboten, gleichzeitig werde aber so gewonnenes Gas aus den USA importiert. Das könne man nicht anders als Doppelmoral bezeichnen, so Schmidt.
Der Referent beließ es nicht bei der Kritik, sondern zeigte auch Lösungsansätze auf. Schmidt sprach sich für einen breiten Energiemix aus, um auch künftig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. „Die Energieversorgung muss bezahlbar, sicher und nachhaltig sein“, betonte er. Unter anderem plädierte er dafür, moderne Kohlekraftwerke wie Moorburg an der Elbe am Netz zu lassen. Die Technik lasse sich weiterentwickeln. Gleiches gilt seiner Meinung nach für moderne Kernkraftwerke. „Wenn wir Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland in Betrieb lassen, können wir den deutschen Technologievorsprung halten.“
Offen für weitere Energieformen
Zum Energiemix gehören Schmidts Auffassung nach außerdem Biogasanlagen, Biomassekraftwerke, Windenergie, Photovoltaik, Wasserstoff und Flüssiggas. Alles unter Beachtung der Umweltverträglichkeit.
Verschließen solle man sich seinen Angaben zufolge auch nicht Energieformen, die derzeit noch erforscht werden. Schmidt nannte beispielsweise Fusionsenergie und kleine Nuklearkraftwerke. Vielversprechende Möglichkeiten sah er auch in der Neustrukturierung von Stadtlandschaften oder nachhaltigen Verkehrskonzepten. „Auf die Mischung kommt es an“, lautete Schmidts Fazit. feu
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