Grünsfeld. Zwei Städte, die über Jahrhunderte durch eine wechselvolle Geschichte verbunden waren, schlagen nun ein neues Kapitel auf: Am Sonntag, 28. September, um 11 Uhr unterzeichnen die Bürgermeister Joachim Markert (Grünsfeld) und Sven Nickel (Rieneck) im Rienecker Rathaus die Partnerschaftsurkunde. Alle Bürgerinnen und Bürger dieser Städte sind willkommen, diesen historischen Moment mitzuerleben und damit selbst Teil einer Freundschaft zu werden, die Vergangenheit und Zukunft verbindet. Im Vorfeld hat sich der Autor in den Archiven umgesehen, um die geschichtlichen Hintergründe etwas zu erleuchten.
Enge Bande seit dem Mittelalter
Die Ursprünge der Verbindung reichen zurück ins Jahr 1213. Durch Heirat und Erbschaft gelangte Grünsfeld in den Besitz der Grafen von Rieneck. Damit wurde die Stadt, die zuvor zur Herrschaft Zimmern gehört hatte, Teil einer der bedeutendsten Grafschaften Frankens. Die Rienecker prägten Grünsfeld nachhaltig: Sie ließen eine Burg auf dem Schorren errichten, um die wichtige Fernhandelsstraße von Nürnberg nach Frankfurt zu sichern, die durch das Tal führte. Die Bürger erhielten Geleitrechte, die bereits 1313 urkundlich erwähnt sind. Um 1320 folgte das Stadtrecht, das Grünsfeld ein neues Selbstbewusstsein gab und es zu einem wichtigen Ort der Region machte. Immer wieder bekräftigten die Bewohner ihre Treue zu den Rieneckern – etwa 1367, als sie den Brüdern Gerhard und Gottfried von Rieneck feierlich huldigten. Grünsfeld entwickelte sich zu einem wirtschaftlich und politisch bedeutenden Zentrum innerhalb der Grafschaft.
Außergewöhnliche Frau zwischen Politik und Liebe
In diesem Geflecht von Herrschaft und Erbfolgen ragt eine Frau besonders heraus: Dorothea von Rieneck (um 1440 bis 1503). Sie war die Tochter von Graf Philipp d. Ä. von Rieneck und seiner Frau Amalia von Mosbach und wuchs in einer Zeit auf, in der Familienbande über das Schicksal ganzer Städte entschieden. 1467 heiratete Dorothea Landgraf Friedrich V. von Leuchtenberg. Diese Verbindung war nicht nur ein familiäres, sondern auch ein politisches Bündnis. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Amalie, Elisabeth und Johann IV., der später das Geschlecht der Leuchtenberger im Mannesstamm fortsetzte. Ihr Vater überschrieb Dorothea und ihrem Gemahl noch zu Lebzeiten das Amt Grünsfeld. Diese Entscheidung stieß allerdings auf den Widerstand seines Bruders Philipp d. J., der sich übergangen fühlte und die Regelung nie akzeptierte. Es kam zu langwierigen Auseinandersetzungen innerhalb der Familie.
Nach dem plötzlichen Tod Friedrichs V. im Jahr 1487, während des Fürstentags in Nürnberg, und dem Tod ihres Vaters zwei Jahre später, stand Dorothea vor einer ungewissen Zukunft. Im Januar 1489, nur Wochen nach dem Begräbnis ihres Vaters, heiratete sie Graf Asmus von Wertheim – gegen den erklärten Willen der Kurfürsten Philipp und Otto von der Pfalz, die als Vormünder ihrer Kinder eingesetzt waren. Die Verlobung war heimlich erfolgt, noch zu Lebzeiten ihres Vaters, „ohn wissen aller ihrer Freundschafft“, wie es in einer Quelle heißt. Viele Historiker deuten dies als Hinweis darauf, dass es sich nicht nur um einen politischen Schachzug, sondern um eine Liebesheirat handelte. Auch die späteren emotional aufgeladenen Auseinandersetzungen zwischen Dorothea und ihren Verwandten sprechen dafür. Die Vormünder sorgten allerdings durch eine Heiratsabrede für klare Verhältnisse: Asmus sollte keinesfalls Landesherr werden. Selbst wenn Kinder aus der zweiten Ehe hervorgehen würden, bliebe die Herrschaft über Grünsfeld dem Sohn aus erster Ehe, Landgraf Johann, vorbehalten. Als Ausgleich erhielt Asmus von Dorothea eine „Morgengabe“ in Höhe von 10.000 Gulden sowie Güter in Lauda.
Ein Paar mit kulturellem Einfluss
Graf Asmus, ursprünglich für eine geistliche Laufbahn bestimmt, brachte kulturelle Interessen in die Ehe mit ein. So beauftragte er 1491 den Würzburger Schreiber Heinrich Meise mit der Erstellung einer Bilderhandschrift, die heute als „Nativität“ in der Universitätsbibliothek Heidelberg erhalten ist. Gemeinsam mit Dorothea tat er sich auch als Stifter hervor: 1496 ließen beide für die Grünsfelder Pfarrkirche eine Kapelle mit Ölberg, ein „Männleinbild“ und ein Beinhaus errichten – sichtbare Zeichen ihres Engagements für die Stadt und ihre Menschen. Dorothea verbrachte ihre letzten Jahre in Grünsfeld. Sie starb am 24. März 1503 und wurde in der Pfarrkirche St. Peter und Paul bestattet. Ihr Epitaph, geschaffen von Tilman Riemenschneider, gilt als eines der bedeutendsten Kunstwerke der Region. Es zeigt sie in zeitgenössischer Tracht, mit gefalteten Händen, als würde sie noch heute für die Zukunft ihrer Stadt beten.
Die Herrschaftsverhältnisse zwischen Grünsfeld und Rieneck waren in jenen Jahrhunderten oft umstritten. Mehrfach kam es zu Erbstreitigkeiten, Aufteilungen und wechselnden Bündnissen. Doch trotz aller Konflikte blieb Grünsfeld bis ins 16. Jahrhundert eng mit dem Schicksal der Rienecker verbunden. Die Teilung der Grafschaft 1463 zwischen den Brüdern Philipp d. Ä. und Philipp d. J. ist ein markantes Beispiel: Grünsfeld, Lauda und Wildenstein fielen an den älteren Bruder und wurden damit Dorotheas Erbe – sehr zum Ärger ihres Onkels. Später führte die Ehe Dorotheas mit den Leuchtenbergern und Wertheimern dazu, dass Grünsfeld noch stärker in die großen Familien- und Herrschaftsnetze Süddeutschlands eingebunden wurde.
Heute erinnern Straßennamen, Schulen und nicht zuletzt das Riemenschneider-Epitaph an Dorothea von Rieneck und damit an die enge Verbindung zwischen Grünsfeld und Rieneck. „Die gemeinsame Vergangenheit ist eine faszinierende Grundlage für unsere Partnerschaft“, sagt Grünsfelds Bürgermeister Joachim Markert. „Doch wichtiger noch ist, dass wir aus dieser Geschichte eine lebendige Gegenwart machen – mit Begegnungen zwischen Vereinen, Schulen und Bürgerinnen und Bürgern.“ Auch Rienecks Bürgermeister Sven Nickel sieht in der Partnerschaft eine Brücke zwischen Gestern und Morgen: „Unsere beiden Städte haben viele Jahrhunderte gemeinsame Geschichte erlebt – mit Höhen und Tiefen. Heute aber gestalten wir gemeinsam die Zukunft. Ich lade alle Bürgerinnen und Bürger herzlich ein, bei der Unterzeichnung im Rathaus dabei zu sein und diese neue Freundschaft mitzuerleben.“
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