Frauental. Dort, wo sonst Hochzeiten gefeiert werden, trafen am Dienstag über 100 Interessierte zusammen, die der Einladung der Interessengemeinschaft „Für unsere Region – gegen den Logistikstandort Frauental“ und des BUND Landesverbandes Baden-Württemberg zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung gefolgt waren.
In der historischen Schäferei direkt neben dem geplanten Industriegebiet begrüßte IG-Sprecherin Manuela Ott auch die anwesenden Kreis- und Kommunalpolitiker auch aus dem Landkreis Neustadt-Aisch sowie den aus dem Raum Heilbronn angereisten Landtagsabgeordneten Armin Waldbüßer, der sich der Diskussion vor Ort stellen wollte.
Referent Stefan Flaig macht mit seinen Kollegen in einem Stuttgarter Büro seit über 20 Jahren Leerstandsanalysen für Kommunen und erarbeitet Empfehlungen zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Selten wird nach seinen Worten hinterfragt, welchen Sinn die Ausweisung neuer Gewerbegebiete für Kommunen habe. Überall hofften Kommunen auf zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen und Bevölkerungszuwachs. Leider gebe es kaum Untersuchungen, aber Erfahrungswerte. Wegen der Verlustschreibung neuer Betriebe und wegen des kommunalen Finanzausgleichs „würden Sie überrascht sein, wie wenig da übrig bleibt“, meinte Flaig.
Die Kommunen müssten eine Vollkostenrechnung machen zu Erschließungskosten, Unterhalt usw. Daher frage er sich, wie Creglingen im Gewerbegebiet Hörle oberhalb von Münster, wo noch 16 Hektar Gewerbefläche unbebaut seien, den Quadratmeter erschlossenes Bauland auf einem Werbeschild für unter 13 Euro anbieten könne. Flaig schätzte allein die Erschließungskosten für die Stadt auf einen mehrfachen Betrag.
Viele Kommunen weisen Gewerbegebiete nicht nach Bedarf aus, sondern würden eine Angebotsplanung machen. Zwischen den Kommunen herrsche eine große Konkurrenz. Diese Konkurrenz hält Flaig volkswirtschaftlich gesehen für unsinnig, da insgesamt kaum neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern nur Stellen verlagert würden.
Im Vergleich zu anderen Städten in ländlichen Regionen stehe Creglingen mit 36 Prozent sozialversicherten Stellen im Verhältnis zur Einwohnerzahl ohnehin sehr gut da. Natürlich gebe es in Heilbronn noch mehr Stellen pro Einwohner, da Firmen vorrangig in Ballungszentren bleiben, um ihre Fachkräfte zu halten. So sei auch ein erster Interessent des Industriegebietes Frauental vor allem wegen der dünn besiedelten Gegend um Creglingen wieder abgesprungen. Die meisten qualifizierten Mitarbeiter seien außerdem familiär gebunden und würden bei Standortverlagerungen eher bis zu einer Stunde pendeln als ihren Wohnort wechseln. Wörtlich meinte Flaig zu den Creglinger Planungen: „Ich glaube auch nicht, dass jemand wegen einem Lagerarbeitsplatz hierher zieht.“
Erwin Keller, ehemaliger Stadtrat von Uffenheim, berichtete, dass die Logistikbetriebe in Uffenheim vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund täglich aus den Städten mit Bussen zu ihren Betrieben holen würden, da sie vor Ort keine Arbeitskräfte fänden. Flaig zog das ernüchternde Resümee: Wenn Städte wie Creglingen einen Bevölkerungszuwachs realisieren sollen, würden höchstens Maßnahmen helfen wie „ein S-Bahn-Anschluss nach Heilbronn oder Würzburg“ oder die Landesregierung müsste neue Hochschulen bauen. Das ziehe Firmen wegen ihrer Suche nach Fachkräften an.
Es sei bekannt, dass der Fachkräftemangel in Deutschland dadurch verursacht werde dass die geburtenstarken Jahrgänge nun in die Rente gehen. An diesem demographischen Wandel könne keine Kommune etwas ändern. Die Zeiten des Wachstums seien daher vorbei und die Kommunen müssten umdenken, statt weiter nur neue Gewerbegebiete auszuweisen. Flaigs Eindruck ist, dass „die Gemeinden das auch wissen, aber es nicht glauben wollen“ und daher noch nicht danach handeln.
Runden Tisch angeregt
Landtagsabgeordneter Waldbüßer, der für die Region eine Stimme im Regionalverband Heilbronn-Franken hat, bekannte vor den Zuhörern, dass er die Umsetzung der Industriegebietsplanung der Stadt Creglingen für sehr schwierig halte, er sich aber noch keine feste Meinung gebildet habe. Er habe bereits in einem Vorgespräch angeboten, sich darum bemühen zu wollen, alle Entscheidungsträger von der Regierung bis zur Kommune unter Beteiligung der IG und des BUND an einen runden Tisch zu bringen.
Gunter Haug, der ebenfalls unter den Zuhörern saß, empörte sich über die unentschiedene Haltung des grünen Landtagsabgeordneten und sprach Armin Waldbüßer direkt auf den Widerspruch zu seiner Heimatgemeinde an. Waldbüßer musste zugeben: „Ja, wir haben in Obersulm verhindert, dass Logistik ins Gewerbegebiet kommt, weil der Gemeinderat den Verkehr nicht will.“
In der Diskussion brachten viele Zuhörer Ideen ein, welche Entwicklungen für das 4700 Einwohner Städtchen stattdessen möglich seien. IG-Sprecherin Beate von Helmst aus Adelhofen sagte, dass sie auch unter Creglinger Bürgern Ideen gehört habe, wie der Leerstand in der Stadt genutzt werden könne. BUND-Landesvorsitzende Karin Haug meinte, sinnvoll wäre es, Kontakt zur Hochschule Heilbronn zu suchen, die bei der Entwicklung eines erfolgversprechenden Tourismus-Konzeptes unterstützen könne. Von einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit mit den bayerischen Nachbargemeinden könnten beim Tourismus alle profitieren.
Auch Stefan Flaig appellierte an die Anwesenden: „Machen Sie nicht dieselben Fehler wie die anderen“: Ist ein neues Industriegebiet wirklich sinnvoll oder sollte man nicht eher darauf achten, dass Menschen gerade wegen der noch naturnahen Landschaft und der Ruhe in diese Region ziehen wollen?
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