Gemeinderat

Grundsteuer: „Konjunkturprogramm für radikale Parteien“

In Creglingen wurde der Hebesatz für die Grundsteuer B ums Dreifache erhöht. Uwe Hehn sieht „Gerechtigkeitsdebatte“ kommen

Von 
Arno Boas
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Das baden-württembergische Grundsteuermodell entlastet Firmen und belastet Besitzer von größeren bebaubaren Grundstücken. Creglingens Bürgermeister Uwe Hehn sieht eine „Gerechtigkeitsdebatte“ kommen. © Wilhelm/Boas

Creglingen. Die Stadt Creglingen hat ihren Hebesatz zur Berechnung der Grundsteuer B verdreifacht – von 450 auf künftig 1350 Punkte. Bürgermeister Uwe Hehn sieht Gerechtigkeitsdebatten heraufziehen und empfiehlt Betroffenen, sich per e-mail direkt an die Politiker zu wenden, die für die in Baden-Württemberg gewählte Grundsteuerreform verantwortlich sind. Im Kern wird die Grundsteuer für Hausbesitzer mit größeren Grundstücken teurer, für Gewerbebetriebe günstiger.

Uwe Hehn hat das Unheil schon vor einigen Jahren kommen sehen. Als 2018 die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft worden war und ein neues Bundesmodell entwickelt wurde, da entschied sich unter anderem Baden-Württemberg für einen Sonderweg. Nur noch der Bodenwert und die Grundstücksgröße sollen eine Rolle spielen – unabhängig von der Bebauung. „Es ist völlig egal, was auf dem Grundstück steht“, stellte Uwe Hehn klar. So weit – so schlecht für Gemeinden wie Creglingen.

Beispielrechnungen zur neuen Grundsteuer

Stadtkämmerin Lara Jungwirth präsentierte in der Sitzung des Gemeinderats einige Beispielrechnungen zur Grundsteuer.

Einfamilienhaus Creglingen, Ortslage (482 qm Fläche): nach altem Recht 197,42 Euro. Nach neuem Recht bei gleich bleibendem Hebesatz (450 Punkte): 59,21 Euro. Bei Anpassung des Hebesatzes auf 1350 Punkte: 177,64 Euro – Entlastung von 19,77 Euro.

Einfamilienhaus Neubaugebiet Schafgärten Creglingen (750 qm Fläche): nach altem Recht 469,58 Euro. Nach neuem Recht 213,45 Euro. Mit angepasstem Hebesatz: 640,36 Euro – Erhöhung um 170,78 Euro.

Neubaugebiet Forst in Finsterlohr (830 qm Fläche): nach altem Recht 424,71 Euro. Nach neuem Recht: 220,93 Euro. Mit angepasstem Hebesatz: 638,23 Euro. Erhöhung um 213,52 Euro.

Unbebautes Grundstück Creglingen Ortslage (776 qm Fläche): nach altem Recht 83,75 Euro, nach neuem Recht 136,19 Euro. Mit angepasstem Hebesatz: 408,56 Euro. Erhöhung um 324,81 Euro.

Unbebautes Grundstück in Finsterlohr im Baugebiet (828 qm Fläche): nach altem Recht 53,15 Euro. Nach neuem Recht 314,85 Euro. Mit angepasstem Hebesatz: 909,56 Euro. Erhöhung um 926,38 Euro. Sollte das Grundstück bebaut werden, verringert sich die Grundsteuer um rund 30 Prozent.

Gewerbegrundstück Creglingen (Industriestraße), Größe 32 956 qm. Nach altem Recht: 23 163,17 Euro. Nach neuem Recht: 3460,18 Euro. Mit angepasstem Hebesatz: 10 380,53 Euro. Entlastung von 12 782,94 Euro. abo

Als das baden-württembergische Modell vorlag, begann Uwe Hehn zu rechnen. Mit dem Ergebnis, dass der Stadt unterm Strich über 400 000 Euro jährliche Einnahmen flöten gehen würden, wenn der Hebesatz bei 450 Punkten bleibt. Und dass es Verlierer und Gewinner geben würde, wenn die Stadt eine aufkommensneutrale Variante wählen würde. „Es wird Verwerfungen geben“, lautete Uwe Hehns Bilanz aus seinen Rechenbeispielen. Mit der jetzt beschlossenen Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 450 auf 1350 Punkte bleibt für das Stadtsäckel alles beim Alten. Gewerbebetriebe aber werden künftig weniger Grundsteuer zahlen, Besitzer von großen, bebaubaren Grundstücken zum Teil massiv mehr.

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Gerd Weimer
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„Es findet bei der finanziellen Belastung eine Verschiebung vom Gewerbe hin zu Privateigentümern statt und es trifft vor allem auch die Besitzer bebaubarer Grundstücke“, resümierte der Creglinger Verwaltungschef am Dienstag vor dem Gemeinderat, der in der Cafeteria des Schulzentrums tagte. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Viele Grundstückseigentümer werden nicht stärker belastet als bisher; für manche aber wird es teils dramatisch teuer – im Extremfall um 17 000 (!) Prozent. Wie hoch letztlich die Belastung für jeden einzelnen ausfällt, wird sich zeigen, wenn die Stadt Anfang 2025 ihre Forderungen an die Bürgerinnen und Bürger verschickt.

„Wir haben unsere Bedenken in Stuttgart und beim Gemeindetag vorgebracht,“ blickte Uwe Hehn zurück. Allerdings hätten die Politiker in der Hauptstadt davon nichts wissen wollen. „Ich empfehle deshalb allen Betroffenen, sich direkt an die Verantwortlichen in Stuttgart zu wenden“, sagte Uwe Hehn, der eine „Gerechtigkeitsdebatte“ kommen sieht. „Wir geben gerne die Mailadressen heraus“, ergänzte das Stadtoberhaupt.

Die Hebesätze der Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) hob der Gemeinderat von 450 auf 700 Punkten an. Uwe Hehn wies darauf hin, dass bis jetzt die landwirtschaftliche Hofstelle auch den Wohnteil umfasst habe. Dieser müsse nun der Grundsteuer B zugeordnet werden. Der Gemeinderat verzichtete zudem auf Vorschlag der Verwaltung darauf, eine Grundsteuer C einzuführen – diese würde es ermöglichen, für unbebaute, aber baureife Grundstücke den Hebesatz noch stärker anzuheben. „Die Betroffenen müssen jetzt schon immens mehr bezahlen“, begründete Uwe Hehn den Verzicht auf die Grundsteuer C. Nur drei Kommunen in Baden-Württemberg liegen künftig beim Hebesatz im Creglinger Bereich. Die hohen Hebesätze sind allerdings auch ein Spiegelbild niedriger Grundstückswerte und sagen für sich alleine nichts über die Höhe der Belastung aus. Stadträtin Daniela Pfeuffer fehlte „jedes Verständnis“ für das baden-württembergische Modell. „Das ist ein Konjunkturprogramm für radikale Parteien“, sagte sie. Zumal die Steuer-Bescheide wohl kurz vor der Bundestagswahl zugestellt werden.

Kreisumlage steigt

Kämmerin Lara Jungwirth hatte verschiedene Modellberechnungen vorgenommen, anhand derer ersichtlich wird, wie sich die Steuer erhöht beziehungsweise verringert (siehe nebenstehenden Bericht).

Bürgermeister Uwe Hehn sagte mit Blick auf die allgemeine finanzielle Lage der Kommunen, dass der Landkreis seine Umlage 2025 von 31 auf 34 Punkte erhöhen wolle. Für Creglingen bedeutet dies eine um rund 250 000 Euro höhere Umlage. 2026 soll die Kreisumlage auf 36 Punkte und 2028 auf 38,5 Punkte steigen, was für Creglingen laut Uwe Hehn eine Erhöhung um rund 600 000 Euro zur Folge hätte. Bisher zahlt die Stadt zirka 2,5 Millionen jährlich. Der Gemeinderat beschloss die neuen Hebesätze für die Grundsteuer A und B bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung.

Redaktion Redakteur bei den FN

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