Historisches Bodendenkmal gibt Rätsel auf

Geheimnisvoller „Wiedertäufer“-Stein mitten im Wald bei Creglingen

Wer hat den „Taufstein“ im Wald bei Creglingen aufgestellt? Waren es die „Wiedertäufer“, die in der Zeit des Bauernkriegs hier ihre radikal-reformatorischen Lehren verbreiteten? Das Objekt bleibt rätselhaft – in der Liste der Creglinger Bodendenkmale taucht es nicht einmal auf.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Der so genannte „Taufstein der Wiedertäufer“ überhalb des Herrgottstals im Wald nahe Schmerbach – am Zusammenfluss von Schmerbach und Rimbach). © Michael Weber-Schwarz

Creglingen. Uralte geheimnisvolle Steinobjekte gibt es rund um die Creglinger Ortsteile Lichtel, Oberrimbach und Schmerbach einige. Bekannt ist der von Kopfweiden gesäumte so genannte Taufstein beim Ruheforst Landhege. Er ist aufgrund der nahen Feldwege leicht zugänglich. Wer aber einen versteckt liegenden „Taufstein der Wiedertäufer“ oberhalb der L 1005 finden will, muss dagegen gut zu Fuß sein. Das behauene trogartige Denkmal befindet sich im Wald an einer abfallenden steinigen Hangkante; dort, wo sich Rimbach und Schmerbach zum Herrgottsbach vereinen.

Es führt kein Wanderweg zu der Stelle oberhalb des Herrgottstals: der Suchende muss sich durch den Wald auf Geröll von der Hangkante abwärts mühen. Dort „liegt ganz verborgen ein mystischer viereckiger Taufstein der aus der Schweiz kommenden Wiedertäuferbewegung. Dieser Zeuge alter Kultur stammt aus der nachreformatorischen Zeit der so genannten Gemeinschaft der Wiedertäufer“. Deren Mitglieder lehnten die Kindertaufe strikt ab und ließen sich stattdessen als bewusste Glaubensentscheidung im Erwachsenenalter taufen, heißt es auf der Webseite der evangelischen „Dreiergemeinde Fischli“ (Fusion von Finsterlohr, Schmerbach und Lichtel 2013).

Allein, die Quellenlage zu dem beeindruckenden steinernen, eher fünf- statt viereckigen Objekt ist äußerst dürftig: In der offiziellen Auflistung der Creglinger Kulturdenkmale taucht es gar nicht auf. Zuschreibung und Datierung in die Zeit um den Bauernkrieg vor 500 Jahren sind also mit Vorsicht zu genießen.

Selbst bei etablierten und bekannten Denkmalen wie dem so genannten „Taufstein“ am Ruheforst klafft die Datierungsschere: Im 2. bis 3. Jahrhundert soll er errichtet worden sein (Liste der Creglinger Kulturdenkmale). Auf das Jahr 720 legt sich eine Tafel vor Ort (ohne Quellenangabe) fest. Stimmt die erste zeitliche Einordnung, ist eine Nutzung des runden Objekts als christlicher Taufstein eher unwahrscheinlich, denn die Christianisierung in Süddeutschland fand in der Breite erst Jahrhunderte später statt. Auf dem Hinweisschild vor Ort nennt man deshalb ausreichend vage und doch äußerst prominent personalisiert einen späteren Zeitraum: „Vermutlich aufgestellt von Bonifatius, der damals hier gewirkt hat“ – und deshalb macht ihn eine Internet-Quelle gleich zum „Bonifatius-Taufstein“. Richtig ist: Der angelsächsische Mönch und Missionar (673 – 754) begründete das Bistum Würzburg mit. Ob Bonifatius (Geburtsname Wynfreth in der in der heutigen englischen Grafschaft Devon) aber jemals in den Raum Creglingen und Oberrimbach verirrt hat, dafür fehlt schlicht der historische Beleg.

Zeitsprung vorwärts ins 16. Jahrhundert und zum möglichen „Wiedertäufer-Taufstein“ im Wald bei Schmerbach. Der historische Kontext: Die fundamental-frömmige, pazifistische Täuferbewegung entstand in den 1520er Jahren als quasi-radikal empfundener „linker“ Teil der Reformationsbewegung. Die Täufer forderten eine Rückkehr zu den biblischen Grundlagen des Christentums und lehnten die Kindstaufe ab, weil sie annahmen, dass nur Erwachsene, die ihren Glauben bewusst bekennen, getauft werden sollten. „Wiedertäufer“ war schon damals ein abwertender Begriff. In vielen Regionen, einschließlich Creglingen, wurden bekennende Täufer aufgrund ihrer Überzeugungen verfolgt, gefoltert und getötet.

Per Beschluss verfügte der Reichstag zu Speyer 1529, dass solche, die die Wiedertaufe oder an sich vollziehen lassen, seien es Männer oder Frauen, mit dem Tode zu bestrafen sind: „Daß alle und jede Widertaeuffer und Widergetauffte, Mann- und Weibs-Personen, verstaendigs Alters, vom natürlichen Leben zum Tod, mit Feuer, Schwerdt, oder dergleichen, nach Gelegenheit der Personen, ohn vorhergehend der geistlichen Richter Inquisition, gericht und gebracht werden.“ Etwa 1000 namentlich erfasste Täufer mussten im 16. und 17. Jahrhundert aufgrund ihrer Glaubensüberzeugungen ihr Leben lassen. Oft kamen sie aber mit einer Verweisung aus ihrem Wohngebiet davon – was für die Betroffenen gleichwohl eine soziale wie wirtschaftliche Katastrophe gewesen sein dürfte.

Die (Wieder-) Täuferbewegung fand auch im tauberfränkischen Gebiet, besonders nach den Niederlagen im Bauernkrieg, größere Verbreitung, da deren Führer sehr bald von der Obrigkeit verfolgt wurden, flüchteten und teils evangelisierend herumzogen. „Die Wiedertäuferbewegung kam auch nach Creglingen und seine Umgebung, und hier wurde vor allem der Täufer Friedrich Süß bekannt“, berichtet die „Fischli“-Webseite. In dieser Zeit soll – im Kontext ist dies natürlich lediglich eine Annahme ¬- auch der Taufstein nahe Schmerbach errichtet worden sein.

Es war eine extrem unruhige, ja gefährliche Zeit: Die Kirche Schmerbachs diente früher als wehrhafte Kirchenburg und Schutz-Bollwerk, um das Rothenburger Territorium (leicht erkundbar ist der nahe und bis heute sichtbare „Landhege“-Wall an der Grenzbefestigung Landturm Lichtel, um 1430 errichtet) zu verteidigen. Die Kirche und Schmerbach fielen „jedoch 1526 feindlichen Schergen durch Inbrandsteckung zum Opfer“.

In vielen historischen Darstellungen werden Verbindungen zwischen Täufern und den Bauernaufständen vor 500 Jahren genannt und die schweren Verfolgungen damit begründet. Der Hauptgrund der Verfolgung der Täufer war aber weder ihr (im Grundsatz friedlicher) Lebenswandel noch ihre Haltung zu den tatsächlich vorhandenen Aufstands- und Widerstandsbewegungen des 16. Jahrhunderts, sondern ihre kritische Haltung zur weltlichen Obrigkeit (Quelle u.a. Hans-Jürgen Goertz, „Die Täufer“, 1988). Da die Täufer mit Verweis auf die biblische Bergpredigt das Ablegen eines Eids ablehnten, weigerten sich die meisten Täufer, die damals üblichen Lehens- bzw. Gehorsamseide zu leisten. Sie waren deshalb bei katholischen wie lutherischen Obrigkeiten/Theologen verdächtig, zumindest prinzipiell den Umsturz der herrschenden Verhältnisse anzustreben – auch wenn die meisten Täufer ein eher passives und zurückgezogenes Leben führten.

Die erste „Glaubenstaufe“ der Täuferbewegung fand 1525 in Zürich statt. Damit begann die Täuferbewegung – neben der Wittenberger Reformation (Martin Luther, Philipp Melanchthon) und der Reformation in Zürich und Genf – als weitere große reformatorische Bewegung des 16. Jahrhunderts. Ihr gehör(t)en Gruppen wie u.a. die Hutterer, die Schweizer Brüder und vor allem die Mennoniten an. Abgeleitete Hauptzweige existieren bis heute, etwa die genannten Mennoniten und die Amischen in Pennsylvania. Im ausländischen Exil haben die im deutschen Sprachraum verunglimpften Gruppierungen vielfach ihre deutschen Dialekte („Pennsylvaniadeutsch“, „Mennonitenniederdeutsch“) beibehalten.

Im Jahr 2007 baten Vertreter der Reformierten Kirche der Schweiz die Nachfahren der Täuferbewegung um Vergebung. Bei einem Bußgottesdienst in Stuttgart 2010 legte auch der Lutherische Weltbund ein Schuldbekenntnis ab.

Auch in Craintal gab es „Träumer“



Eine aus regionaler Sicht bemerkenswerte Entwicklung nahm die Täuferbewegung in den „Uttenreuther Träumern“, die auch Fränkische Träumersekte genannt wird. Die endzeitlich ausgerichtete Glaubensgemeinschaft wurde 1530 von dem Schmied Hans Schmid und dem Täufermissionar und Mystiker Hans Hut nahe Nürnberg gegründet. Durch Querverbindungen gelangte die Bewegung auch ins Taubertal bei Creglingen – nach Craintal. Über diese „apokalyptische“ Gruppierung, in der mehrere Craintaler Familien aktiv waren und verfolgt wurden, werden die FN noch gesondert berichten.

Von Uttenreuth hat sich die Träumerbewegung vor allem im Fränkischen ausgebreitet. Regionale Schwerpunkte waren dabei die Gebiete um Erlangen, Nürnberg, Herzogenaurach und Creglingen. Die Träumerlehren sind vor allem bei ehemaligen Täufern auf fruchtbaren Boden gefallen. Die prophetischen Vorhersagen einer nahen Endzeit, bzw. eines unmittelbar bevorstehenden Gottesreichs hatten sich nicht erfüllt und ihre Gemeinden waren durch zum Teil heftige Verfolgungen zerstört worden.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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