Museen im Altkreis Mergentheim (Teil 5)

Eine streitbare Frau, ihre Liebe zu Katzen und die Sache mit dem Klo-Anschluss

Das Lindleinturmmuseum und das Fingerhutmuseum in Creglingen sind einzigartig in Inhalt und Konzeption

Von 
Arno Boas
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Creglingen. Im fünften Teil unserer Museumsserie stellen wir zwei Creglinger Museen vor: Das Lindleinturmmuseum und das Fingerhutmuseum – beide einzigartig in Inhalt und Konzeption.

Lindleinturmmuseum

Margarete Böttiger war kauzig, resolut und – wohlhabend. Das allerdings sah man ihr und ihrer Wohnung nicht an. Der „Katzenturm“, wie er im Volksmund despektierlich genannt wurde, und der seit 1955 offiziell „Lindleinturm“ heißt, war seit 1927 ihr Refugium, das sie in einer Art und Weise bewohnte, die für Außenstehende nicht nachvollziehbar war. Vor allem für ältere beziehungsweise fußkranke Menschen ist der Turm mit seinen engen und steilen Treppen eine echte Herausforderung – die Margarete Böttiger, unbeugsam wie sie war, bis ins hohe Alter gemeistert hat. Erst 1993 zog sie ins Altersheim nach Aub, im Jahr 1995 starb sie im Kreiskrankenhaus Creglingen, mit 98 Jahren. Seit 1999 ist ihr Turm ein Museum.

Die Öffnungszeiten

Das Fingerhutmuseum in Creglingen kann nur nach Voranmeldung besichtigt werden: Telefon 07933/370, e-mail info@fingerhutmuseum.de

Das Lindleinturmmuseum ist von Ostern bis 1. November wie folgt geöffnet: Samstag und Sonntag jeweils von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr (Änderungen möglich).

Voranmeldung bei Hermann Grieser, Telefon 07933/7241 oder bei der Touristinfo, Telefon 07933/631. Auf Wunsch wird das Museum auch nach vorheriger Anmeldung geöffnet. abo

Katzen waren ihr zeitlebens näher als Menschen, aber dass sie bis zu 20 Stubentiger gleichzeitig Asyl gewährte, das hält Hermann Grieser für ein Ammenmärchen. Grieser ist seit rund vier Jahren Führer im wohl originellsten Museum, das die Stadt Creglingen zu bieten hat: Das Lindleinturm-Museum, der Stadt vermacht von Margarete Böttiger – oder muss man sagen: aufs Auge gedrückt? Die 280 000 Mark, die Margarete Böttiger der Stadt vermachte, waren mit der Maßgabe verbunden, dass die Stadt den Turm erhält und ihn als Museum betreibt. Besucher reiben sich verwundert die Augen, wenn sie auf drei Stockwerken in Margarete Böttigers kleine Welt eintauchen – eine beengte, jeden Komfort entbehrende Welt.

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Die Kinder hatten Angst vor der „Katzen-Marie“, die Erwachsenen mieden sie. So führte Margarete Böttiger ein eher isoliertes Leben in ihrem Turm – mit einem Weihnachtsbaum im Wohnzimmer – im obersten Stock, den sie nur zu besonderen Anlässen aufsuchte. Den Weihnachtsbaum gibt es heute, fast 30 Jahre nach ihrem Tod, noch genauso wie das Bett, das Margarete Böttiger 1927 für ihre Mutter gekauft hatte und das nicht benutzt wurde, da die Mutter bereits 1928 verstarb. Ihr war der Umzug in das neue Heim nicht vergönnt, und ihre Tochter wohnte fortan alleine in dem Turm.

Nur wenige Menschen hatten Zugang zu der Eigenbrötlerin, über die es viele Anekdoten gibt. Was ist Wahrheit, was Dichtung? Das, räumt Hermann Grieser ein, lässt sich nicht immer hundertprozentig klären. Aber das macht auch den Reiz dieser außergewöhnlichen und streitbaren Frau aus. Als ihr Turm um das Jahr 1960 an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden sollte, weigerte sich die Besitzerin rigoros – selbst der Besuch von drei hohen Herren aus Stuttgart konnte sie nicht umstimmen. „Ich brauche das moderne Sch… nicht“, soll sie den verdutzten Herrschaften erbost zugerufen haben. Wahrheit oder Dichtung? Egal – denn das Ergebnis war eindeutig. Margarete Böttiger setzte sich durch – mit der Folge, dass die Kanalisation am Turm vorbei führte.

1949 lernte die Stadt die Hartnäckigkeit der Frau am eigenen Leib kennen: In der Festschrift war vom „Katzenturm“ die Rede – das aber hätte der Verfasser der Schrift, Dr. Nasse, lieber sein lassen, denn Margarete Böttiger war stinksauer und setzte durch, dass der Name geschwärzt wird. 1955 benannte der Gemeinderat den Turm offiziell als „Lindleinturm“. Hermann Grieser hat Margarete Böttiger noch persönlich gekannt, er weiß um ihre Eigenheiten. Doch „dass man sie verspottet, das kann doch nicht sein“, sagt Grieser mit Nachdruck. Vieles, was über Margarete Böttiger im Umlauf sei, stimme nicht. Und trotzdem bietet sie Gesprächsstoff ohne Ende. Gut 80 Prozent der Dinge, die sich im Turm befinden, sind nicht gekauft gewesen. Margarete Böttiger, die ihr ganzes Leben lang ledig blieb und bis ins hohe Alter arbeitete, war sehr sparsam und sammelte vieles, was sie zum Leben brauchte, irgendwie zusammen. Ein Telefon besaß sie nie – wenn sie etwas erfahren wollte, ging sie zu den Nachbarn.

Die Stadt hat den Turm 2023 außen renoviert. Er war einst nicht höher als die Stadtmauer – 1795 setzte der damals neue Besitzer, ein Uhrmacher aus Aub, das Häuschen drauf, das 130 Jahre später für gut 66 Jahre zum Refugium für Margarete Böttiger wurde. Dass sie über ihren Tod hinaus nicht vergessen wird – das zu schaffen, hätte ihr wohl niemand zugetraut. Sie war eben immer für eine Überraschung gut.

Fingerhutmuseum

Es sind kleine, filigrane Kunstwerke, die Isgard Greif im Fingerhutmuseum aufbewahrt. Einst waren sie ein wichtiger Gebrauchsgegenstand, heute schlummern sie vor allem noch in Sammlervitrinen. Fingerhüte gehörten vor Erfindung der Nähmaschine zur Grundausstattung jeder Frau und zierten beim Nähen einen Finger zum Schutz vor Verletzungen durch die Nadel. Isgard Greif kann viele Geschichten erzählen über den Fingerhut, über seine Hersteller, seine Trägerinnen, seinen Aufstieg und den Niedergang. Sie ist mit dem Fingerhutmuseum ihrer Eltern, Thorvald und Brigitte Greif, in der Kohlesmühle im Herrgottstal, direkt neben der Herrgottskirche, groß geworden und leitet es inzwischen. Das Fingerhutmuseum besteht schon seit 1982. Doch wie lange noch? Das kann sie nicht sagen, denn „ich bin Einzelkämpferin“, wie die Goldschmiedemeisterin bekennt. Deshalb liegt die Zukunft des einzigartigen Ortes auch im Ungewissen.

Isgard Greif ist Herrin über zirka 4000 Exponate. Angefangen hatten ihre Eltern 1982 mit rund 800 Ausstellungsstücken. Die Greifs nehmen für sich in Anspruch, dass sie das einzige private Museum dieser Art weltweit betreiben. Den Grundstock für das außergewöhnliche Museum lieferte der Nachlass der Gebrüder Gabler in Schorndorf, der 1963 von Isgard Greifs Großvater Helmut übernommen worden war. Ein Brand allerdings zerstörte die Produktionsstätte. Helmut Greif war es auch, der später durch intensive Forschung zur Herkunft des Fingerhuts das grundlegende Wissen für das Museum lieferte.

In anschaulicher Weise werden im Creglinger Museum Fingerhüte, Werkzeuge und Nähutensilien wie Nähzeuge, Nadelbehälter, Fingerhutbehälter oder Maßbänder aus allen Erdteilen – vom Altertum bis zur Neuzeit – gezeigt. Den Besuchern offenbart sich eine eigene Welt – vom einfachen Gebrauchs- bis zum wertvollen Zierfingerhut, in vielfältigsten Formen und unterschiedlichsten Materialien. Isgard Greif ist mit dem Museum aufgewachsen, und sie brennt für ihre kleinen Schätze. Dazu kann sie Anekdoten erzählen, mit denen sie Zuhörer schnell fesselt. Etwa über die österreichische Kaiserin Maria Theresia, die Mitte des 18. Jahrhunderts partout eine eigene Fingerhutproduktion aufbauen wollte. Das allerdings war gar nicht so einfach. Die Spitzenkräfte lebten damals in Nürnberg, der Fingerhut-Hochburg jener Zeit. Und denen war streng untersagt, ihr Wissen zu teilen. Was also tat die listige Kaiserin? Sie versprach jedem Fingerhüter ein kleines Häuschen mit Vorgarten. Und wie kamen die Handwerker aus Nürnberg heraus? Sie wurden kurzerhand auf Strohwagen aus der Stadt geschmuggelt.

Außergewöhnliche Kreationen

Noch so eine Geschichte: Im 14. Jahrhundert gab es in Köln viele Fingerhüter. Die waren dort allerdings bald nicht mehr wohl gelitten, weil sie mit ihrer Arbeit die Luft verpesteten. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als aufs Land zu ziehen – in die Eifel. Hauptzentrum aber war, wie gesagt, Nürnberg. Von dort wurden Fingerhüte in alle Welt verschickt. Die Herstellungsweise veränderte sich Anfang des 16. Jahrhunderts, die Hüte wurden nicht mehr gegossen, sondern aus einer runden Scheibe „tiefgezogen“ – das war effektiver und günstiger.

Die Nähmaschine schließlich verdrängte den Fingerhut – er war durch die Industrialisierung schlicht überflüssig geworden. Für die Goldschmiedefamilie Greif aber behielt der Fingerhut seine ideelle Bedeutung – nach dem Umzug von Winterbach ins Taubertal im Jahr 1980 wurde zwei Jahre später das Museum in der Kohlesmühle eröffnet. Mit Sondereditionen zu ganz unterschiedlichen Anlässen brachten sie immer wieder außergewöhnliche Kreationen auf den Markt, etwa zum Untergang der Titanic oder zur Reformation.

Regelmäßige Öffnungszeiten kann Isgard Greif aus personellen Gründen nicht mehr anbieten.

Aber auf vorherige Anfrage sind immer Führungen möglich. Es lohnt sich.

Redaktion Redakteur bei den FN

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