Buchen. Nur rund 70 Kilometer liegen zwischen den Künstlerorten Hollerbach im badischen und Lützelbach im hessischen Odenwald.
Ob sich die Maler, die in den beiden Dörfern Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts der bildenden Kunst nachgingen, jemals begegnet sind, ist ungewiss, aber zahlreiche ihrer Werke – Landschaftsbilder, Stillleben, Porträts – werden jetzt in einer eindrucksvollen Ausstellung im Buchener Kulturforum „Vis-à-Vis“ zusammengeführt, wo sie vom 5. Mai bis 16. Juni zu sehen sind.
Unter der Überschrift „Zwei Odenwälder Künstlerorte – Lützelbach und Hollerbach im Vergleich“ hat der renommierte Mannheimer Kunsthistoriker Dr. Benno Lehmann aus zahlreichen Leihgaben, unter anderem aus Buchen und Mudau, eine außergewöhnliche Ausstellung zusammengestellt, die im vergangenen Jahr bereits im südhessischen Reinheim große Aufmerksamkeit gefunden hat. Jetzt kommt die eindrucksvolle Gegenüberstellung auch nach Buchen.
In einem Grußwort im Ausstellungsheft zeigt sich der Neckar-Odenwälder Landrat Dr. Achim Brötel beeindruckt: von den Einblicken in „zwei wirklich faszinierende und einzigartige Künstlerorte.“
Der heutige Buchener Ortsteil Hollerbach und die Gemeinde Lützelbach waren in der Sprache der Kunstexperten sogenannte „Künstlerorte“, in denen Kunstschaffende im eher lockeren Verbund zumeist nur in den Sommermonaten ihrer Arbeit nachgingen, während „Künstlerkolonien“ – zu den bekanntesten Beispielen gehört Worpswede – feste Wohnorte von Künstlern waren.
Hollerbach wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Künstlerort, nachdem sich der Maler Franz Wallischeck (1865-1941) hier niedergelassen und die Jagd gepachtet hatte. Ab 1907 zogen Arthur Grimm (1883-1941), Schüler an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe, und dessen späterer Studienkamerad Wilhelm Guntermann (1887-1976) regelmäßig im Sommer nach Hollerbach. Hinzu kamen in den Folgejahren Waldemar Coste (1887-1944), Rudolf Burckhardt-Kestner (1888-1974) aus Basel, der Däne Ejner Quaade (1885-1966) und der Deutschamerikaner Harold Bruntsch (Lebensdaten nicht bekannt).
Der Künstlerort Hollerbach existierte nur bis 1914, habe aber in diesen wenigen Jahren eine erstaunliche künstlerische Effizienz verzeichnet, stellt der bekannte Mannheimer Kunsthistoriker Dr. Benno Lehmann fest, der die Ausstellung kuratiert.
Lützelbach verzeichnete eine längere Geschichte als Künstlerort: Von 1886 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs arbeiteten hier - ebenfalls vor allem im Sommer – zwölf Maler und zwei Malerinnen, zumeist aus dem Raum Darmstadt. Sie hatten ihre künstlerische Ausbildung an verschiedenen Kunstgewerbeschulen und -Akademien unter anderem in München und Frankfurt sowie in Paris erhalten, während das Schaffen der Hollerbacher Maler lange Zeit vom markanten Pinselduktus ihres Karlsruher Lehrers Prof. Wilhelm Trübner geprägt war.
Ob Künstlerort oder Künstlerkolonie – beide sind kunsthistorische und kulturpolitische Phänomene, entstanden unter dem Leitgedanken „Zurück zur Natur“ im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in einer Zeit der Veränderungen in Technik, Forschung und Gesellschaft. Die Künstler zogen sich zum Schaffen aufs Land zurück, gingen zur Motivsuche in die Natur, entdeckten neue Perspektiven und die Wirkung des Lichtes in der freien Landschaft. Die deutsche Landschaftsmalerei, zunehmend beeinflusst von der aus Frankreich kommenden Pleinair-Malerei (Freiluftmalerei), verzeichnete damals eine nie dagewesene Blüte.
In entlegenen Gegenden haben insbesondere jüngere Künstler damals nicht nur eine neue Wertekultur in einer sich verändernden Welt und optimale künstlerische Arbeitsbedingungen gesucht. Man hat dort durchaus auch den Müßiggang gepflegt, stellt Landrat Dr. Achim Brötel in seinem Grußwort heraus und zitiert den Maler Arthur Grimm: Es sei in Hollerbach nicht nur „unbekümmert gemalt“, sondern auch „gejagt, Sport getrieben und musiziert“ worden, und das Gasthaus „Engel“ habe „uns eine Stätte der Geselligkeit geboten“.
In der Wahl der Bildmotive bestand bei den Malern der beiden Künstlerorte weitgehend Übereinstimmung. Wie die Ausstellung auf eindrucksvolle Weise dokumentiert, widmeten sich die Künstler den Gattungen Landschafts-, Genre-, Porträtmalerei und Stillleben, wobei letzteres bei den Hollerbachern besonders stark vertreten war. Schwerpunkt an beiden Orten war die topografische, naturgebundene Landschaftsmalerei.
„50 Jahre Neue Stadt Buchen“
Die Ausstellung im Kulturforum „Vis-à-Vis“ in Buchen gehört zum Programm der Hollerbacher Stadtteilwoche im Rahmen des Jubiläums „50 Jahre Neue Stadt Buchen“. Sie wird am Sonntag, 5. Mai, um 11 Uhr eröffnet und ist bis 16. Juni jeweils dienstags bis freitags und sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Zur Ausstellung ist ein reichlich bebildertes Ausstellungsheft erschienen, das neben einem kunsthistorischen Einblick in das Thema „Künstlerort und Künstlerkolonie“ und einer vergleichenden Beschreibung von Hollerbach und Lützelbach von Dr. Benno Lehmann auch die Biografien der Hollerbacher Maler enthält. So unter anderem einen Aufsatz von Dr. Volker Schneider und Dieter Steigleder (Buchen) über Arthur Grimm. bg
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