Buchen. Die österreichischen Jungautorin Teresa Dopler hat das Stück geschrieben, in dessen Zentrum die kopierte Kopie einer Liebe mit all ihren bizarren Auswüchsen stand. Ausgangspunkt ist ein Kreuzfahrtschiff, auf dem sich Ruth (Nadine Pape) und Jean (Thilo Langer) zufällig wieder begegnen.
Vor einigen Jahren verband sie weit mehr als Freundschaft – sie waren ein Paar gewesen, schlugen aber doch getrennte Wege ein. Irgend etwas hat einfach nicht gepasst; die Luft war raus, die Arbeit womöglich wichtiger. Auf den wogenden Wellen des Meeres singen sie ihr Klagelied oder eine hoffnungsvolle Ode? sie nähern sich wieder sich selbst und ihren alten Zielen. Und das, obwohl keiner allein angereist ist: Jean ist mit der jungen Lea liiert, Ruth scheint ihr neues Glück beim deutlich älteren Sven gefunden zu haben. Aber wie tief geht eine Liebe, wenn man sich doch wieder auf den Ex einlässt? Oder zumindest auf intensive Tuchfühlung mit ihm geht?
Herbe Wortwahl
An Deck sinnieren Ruth und Jean über so ziemlich alles, was das Leben und sie selbst ausmacht: Beziehungen durch Raum und Zeit, Brasilien, Thailand und Amerika; die Bedeutung des Humors und wahrer Freunde sowie – was man als Zuschauer nicht goutieren muss, ohne prüde zu sein – die „Geilheit“ des libidinösen Anfangs und in recht herber Wortwahl auch den Beischlaf. Sie erörtern ihren eigenen beruflichen Status und den des Anderen mit bisweilen neurotischen Anwandlungen, reden sich ihre Vita gegenseitig schön. Kurz: Sie reden einander nach dem Mund, aber doch aneinander vorbei.
Lapidare, in der Konnotation des Hintergrunds fast kryptisch oder auch tautologisch wirkende Sätze wie „es ist unerträglich, jemanden zu sehen, der seine Arbeit nicht gut macht“ runden das Bild ab: Hier versuchen zwei Ex-Verliebte, auf keinen Fall etwas falsch zu machen und den Unbill des anderen auf sich zu ziehen. Aber warum ist das so? Von Liebe ist schließlich nie die Rede. Man kann als aufmerksamer Gast nur erahnen, dass so etwas wie die kopierte Kopie einer Liebe anschlägt. Auch nicht von der Reife der Jahre, obwohl sie in manchem Dialog durchaus anklingt.
Vor allem Jean ist älter geworden; älter und weitsichtiger. Seine alten Fehler sind ihm bewusst; wohl hätte er aus heutiger Sicht anders reagiert. Ob sich Ruth weiterentwickelt hat, weiß aber niemand so genau. Möglicherweise weiß sie das noch nicht mal selbst. Auch dieser Kontrast ist eine Eigenheit des Stücks: Auf subtile Weise sind beide Charaktere von messerscharfer Feder gezeichnet, vielleicht gar überzeichnet. Dazu tragen auch die Dialoge bei: Auf den ersten Blick mögen sie gestelzt wirken und den reduzierten Umgangston junger, selbstbewusster Charaktere fast schon parodieren – in Wahrheit sind sie das Spiegelbild einer Gesellschaft, die es bisweilen verlernt zu haben scheint, Gefühle zu zeigen. Selbst wenn sie vorhanden sind.
Viel Hintersinn
Das zeigt sich auch am Ende der Aufführung. Obwohl Ruth eindrücklich von einem „weißen Dorf“ in Andalusien schwärmt und es als Ort für ein Wochenende „oder auch mehr“ in kommenden Sommer anpreist, geht sie dann doch nicht von einem erneuten Treffen aus.
„Wir werden es vergessen haben“, sagt Ruth, und es klingt ernst. Jean ist einsichtig: Man habe ja sowieso eigentlich keine Zeit für Gefühle, für Sehnsucht, überhaupt für Zeit. Ja, man habe keine Zeit für Zeit. Erst recht keine Zeit für Zeit zu zweit. Denn die Arbeit ruft, nichts als die Arbeit. . .
Mit viel Gefühl und Hintersinn präsentierten die beiden Akteure eine gelungen erscheinende Liebesgeschichte der etwas anderen Art, die (mindestens) so eigenwillig wie ihre Protagonisten scheint. Aber es genügt nicht, Gefühle zu haben – man muss auch fähig sein, sie auszudrücken.
Vielleicht hat der eine oder andere Gast – leider erwies sich der Auftakt zur neuen Spielzeit „Jetzt aber!“ als schwach besucht – diesen Rat mit nach Hause genommen.
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