Buchen. Für Kanonier Helfried Künzig von der Schützengesellschaft war die Situation peinlich: Vor dem Eröffnungsumzug versagte die Kanone der Schützengesellschaft ihren Dienst. Er half mit einem Hammer nach, mit dem er auf den Schlagbolzen schlug. Und schon donnerte die Kanone los. Wie es Tradition ist, zündete die Waffe am Samstag um 15.50 Uhr, um zu signalisieren, dass der Umzug bald starten werde. Um 15.55 Uhr wies ein Schuss darauf hin, dass die Teilnehmer sich aufstellen sollten. Und der Donnerschlag um 16 Uhr zeigte an, dass die Stadtkapelle mit ihrem Spiel beginnen dürfe und der Umzug losgehe. Weil die extrem lauten Schüsse vor einigen Jahren Pferde scheu gemacht hatten, hatte man den Abschussort vom Feuerwehrgerätehaus zur Stadthalle verlegt.
Dort hatten sich einige Schaulustige versammelt, die auf das Missgeschick beim Schießen mit Spott und Frotzeleien reagierten. Doch für den Kanonier ist der Schaden an der Kanone eine ernste Angelegenheit. „Die Kanone hat schon an Christi Himmelfahrt Probleme gemacht“, sagt er gegenüber den Fränkischen Nachrichten. Am Schlagbolzen sei ein winziges Stück abgebrochen. Deshalb schlage er nicht mehr auf das Zündhütchen auf und könne die Kanone nicht zünden. „Es dürfen nur Originalteile verwendet werden“, erläutert Künzig. „Wenn wir keine finden, dürfen wir die Kanone nicht mehr benutzen.“
Herstellerfirma bei Passau
Doch die Chancen einer fachgemäßen Reparatur stehen gut. Eine Internetrecherche unserer Redaktion ergab, dass die Herstellerfirma noch besteht. Gerd Voglmayer führt das Unternehmen, das 1896 Josef Wenig in Pöcking im Landkreis Passau gegründet hatte. „Wenn wir die Maße der Kanone kennen, können wir das Teil nachproduzieren“, äußert er sich zuversichtlich auf FN-Nachfrage. Er benötige dazu den beschädigten Schlagbolzen und die Nummer, die in die Kanone eingeprägt ist.
Die Geschichte der Kanone liegt weitgehend im Dunkeln. Im Schützenhaus ist im Eingangsbereich ein Text mit Bild aufgehängt, dem zu entnehmen ist, dass am 9. Januar 1999 der damalige Bürgermeister Josef Frank die Waffe an die Schützengesellschaft übergab. Davor habe sie sich vier Jahrzehnte lang „in der Obhut der Feuerwehr, Abteilung Buchen-Stadt“ befunden.
Stadtkommandant Andreas Hollerbach bestätigt, dass die Alarmkanone ursprünglich „im alten Fastnachtskeller“ im Feuerwehrgerätehaus gelagert worden sei. Bevor 1989 der Neubau des Hauses begann, habe man sie mit anderem Material in eine Scheune von Walter Brünner ausgelagert. Weil die Feuerwehr keine Verwendung für die Waffe hatte, übergab sie diese später wohl an die Stadt. Die Kanone wurde in einer Sandstrahlkabine der Firma Bernhard von Rost befreit und von dem Bauschlosser Dieter Grasberger restauriert. Nach der technischen Abnahme durch das Beschussamt durfte die Schützengesellschaft sie in Betrieb nehmen.
80 Gramm Böllerpulver
Nach Angaben auf der Beschussbescheinigung handelt es sich um eine Kanone mit einem Kaliber von 50 Millimetern. Sie wird über ein Anzündhütchen mit 80 Gramm Böllerpulver gezündet. Vergleichbare Kanonen wiegen 170 Kilogramm. Bevor die Alarmkanone in Betrieb genommen wurde, böllerte die Schützengesellschaft mit einem kleineren Exemplar.
Helfried Künzig hatte sich 1988 an drei Wochenenden in Wiesloch zum Kanonier ausbilden lassen. Außerdem verfügt Sebastian Schmitt über diese Qualifikation. Wünschenswert wäre noch ein dritter Kanonier, der hilft, die Kanone einsatzbereit zu machen. „Das Schießen ist eine schöne Sache“, sagt Künzig. „Es rumpelt halt.“
Info: Ein Video des Bayerischen Rundfunks aus den 1960-er Jahren über die Herstellerfirma Wenig aus Pöcking kann man über den QR-Code abrufen.
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