Buchen. Was sich am 1. Dezember 1858 im Buchener Ratssaal im Alten Rathaus zugetragen hatte, zeigte fast 150 Jahre später noch Auswirkungen. Damals befreite Barbier Josef Baumann innerhalb von einer Stunde 94 Männer unfallfrei von ihren Bärten und wurde damit zum „König der Barbiere“. Er lebte unweit der Morre auf einem Areal, auf dem heute der Trakt 5 des Burghardt-Gymnasiums steht. Als Barbier rasierte er dort nicht nur Männer, sondern betrieb auch eine öffentliche Badeanstalt, deren Abwasser er vermutlich über die Morre entsorgte. Am 22. Juli 2008 versuchten sich sechs Barbiere vor dem Alten Rathaus in aller Öffentlichkeit mehr oder weniger erfolgreich in der Handwerkskunst des berühmten Buchener Bürgers.
Stadt im Ausnahmezustand
An diesem Tag herrschte in der Altstadt von Buchen Ausnahmezustand. Zahlreiche Bartträger ließen ihre Barttracht von einer Jury beurteilen. 192 Männer hatten sich extra für diesen Tag Drei- bis Fünftagesbärte wachsen lassen, darunter auch Landrat Dr. Achim Brötel.
Bürgermeister Roland Burger trat gleich zweimal bei Wettbewerben vor dem Alten Rathaus an: Er nahm zuerst am Bartträgerwettbewerb teil, wo er in der Kategorie „Schnauzer Naturale“ den zweiten Platz errang. Später ließ er sich im Rahmen des Barbierwettbewerbs eben jenen prämierten Schnauzbart abrasieren. Seitdem trägt der Bürgermeister keinen Bart mehr.
Josef Baumann scheint eine schillernde Persönlichkeit gewesen zu sein. Gerlinde Trunk, ehemalige Stadtarchivarin, stellte anlässlich des Jubiläums im Jahr 2008 das Leben des Buchener Bürgers in der Heimatzeitschrift „Wartturm“ dar. Nach ihren Angaben wurde Baumann „am 1. April 1815 in Hardheim als Sohn des Bürgers und Taglöhners Plazidius Baumann und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Englert aus Bretzingen, geboren.“
Er diente in der badischen reitenden Artillerie, absolvierte in Würzburg eine Ausbildung zum Barbier und war in diesem Beruf zunächst in Baden, dann in England und in New York tätig. Trunk bezog sich hier auf einen zeitgenössischen Artikel in der Badischen Landeszeitung. Baumann ließ sich am 3. Februar 1847 als Wundarzneidiener in Buchen nieder. Er erwarb in den Jahren 1853 und 1856 Gartengrundstücke in der Schütt, die damals noch außerhalb der Stadt lag. Darauf legte er einen See an, züchtete Tauben und Blutegel und hielt eine große Anzahl an Kanarienvögeln und Papageien.
Als Barbier gehörte zu seinen Aufgaben auch das Wundarzneihandwerk. Er versorgte einfache Wunden. Außerdem nahm er seinen Kunden mittels selbstgezüchteten Blutegeln Blut ab. Der Barbier scheint so geschäftstüchtig gewesen zu sein, dass er 1863 für 850 Gulden ein Wohnhaus kaufen konnte, das sich am Marktplatz im Bereich der heutigen Buchhandlung Volk befand.
Tragischer Anfall von Eifersucht
1866 kaufte Baumann ein benachbartes Grundstück an der Schütt mit Quelle. Damit konnte er ein öffentliches Badhaus einrichten, das er 1874 um eine öffentliche Restauration erweiterte. Allerdings konnte der Barbier dieses Unternehmen nur wenige Wochen lang betreiben. Wie Gerlinde Trunk schreibt, schoss er am 10. Juli 1874 in einem Anfall von Eifersucht auf seine zweite Ehefrau, die aus Bretzingen stammende Maria Katharina, geborene Schwinn. Diese überlebte zwar. Baumann jedoch schnitt sich daraufhin in seinem Taubenhaus die Pulsadern auf und starb. Nach einer anderen Quelle fand man ihn mit durchstochenem Hals auf.
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