Morre-Serie, Folge 1

Morre: Von der Wasserversorgung für Hettingen bis zum Rinnsal

Die Morrequelle in Hettingen ist ein Verweilort im Baulanddorf. Einst wurde von dort der ganze Ort mit Wasser versorgt. Heute führt sie nur noch wenig Wasser.

Von 
Martin Bernhard
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Der Platz vor der Morrequelle in Hettingen lädt zum Verweilen ein. Die Morre verläuft dort nur auf einem kurzen Stück innerhalb des Orts oberirdisch. © Martin Bernhard

Buchen. Was wäre Hettingen ohne Latschari und Morrequelle? Während man sich um den Latschari als zentralen Platz in der Ortsmitte keine Sorgen machen muss, sieht das mit der Morrequelle anders aus. Das meint zumindest der gebürtige Hettinger Karl Mackert.

Bei einer Ortsbegehung weist er auf das dünne, von Algen grüne Rinnsaal hin, das den Kalkfelsen verlässt, an der Straße unterirdisch weiterfließt und erst am Ortsausgang in Richtung Buchen wieder zutage tritt. Nach seinen Recherchen wurde die Quelle 1893 in Beton gefasst. 1927 errichtete man Hauswasserleitungen und schützte diese baulich vor Verschmutzung. „Bis 1954 versorgte die Morrequelle 1400 Einwohner und 600 bis 700 Rinder mit Wasser“, erinnert er sich. Damals floss der Bach oberirdisch, der Hauptstraße folgend, durch den Ort. „Später wurde er in Rohre gezwängt und darüber der Gehweg angelegt“, sagt Mackert. Seit Jahren schon sind die Haushalte in Hettingen an die Bodensee-Wasserversorgung angeschlossen.

Das ehemalige Pumphaus in Hettingen gegenüber der Morrequelle nutzt nun die DLRG. © Martin Bernhard

Obwohl es im Juli und Anfang August sehr viel geregnet hatte, führt die Quelle wenig Wasser. Als Karstquelle müsste sie eigentlich sehr regensensibel sein, wie Dr. Wolfgang Hauck, ehemaliger Beigeordneter der Stadt Buchen und Vorsitzender des „Vereins Bezirksmuseum“, im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten erläutert. Nach seinen Worten kommt das Quellwasser aus dem Bauländer Muschelkalk. Eine darunter liegende Buntsandsteinplatte verhindert, dass es tiefer ins Erdreich eindringt. Stattdessen fließt das Wasser, aus Richtung Walldürn vom Römerbad und Flugplatz kommend, in die Täler und speist die Rinschbach-, die Nächst- und die Morrequelle. Wo diese unterirdischen Wasser verlaufen, darauf weisen Dolinen, also Senken im Erdreich, hin. „Die Wasserläufe reagieren heftig auf Niederschläge“, sagt Hauck.

Dass das die Morrequelle nicht mehr tut, führt Karl Mackert auf eine Geothermiebohrung aus dem Jahr 2008 zurück. Hauck bestätigt, dass diese Erdwärmebohrung „zeitgleich zu einem Trockenfall der Quelle“ geführt habe. „Es gab umfangreiche ökologische Untersuchungen und Gutachten vom Geologischen Landesamt“, sagt er.

Das erste Gutachten habe bestätigt, dass die Bohrung schuld an dem Wasserverlust der Morrequelle sei. „Wenn es einen Einfluss gegeben hat“, stellten die Autoren eines weiteren Gutachtens fest, „dann ist er nicht mehr entscheidend.“ Auf alle Fälle habe man einen „Fingerzeig“ erhalten, dass man sehr vorsichtig sein müsse, wenn man in die Schichten von Muschelkalk bohre. Und die Morrequelle scheint sich seitdem nicht mehr erholt zu haben. Möglicherweise wirkt sich auch der Klimawandel negativ auf die Wassermenge der Quelle aus.

Karl Mackert erinnert an bessere Zeiten des Bachs, der für die Identität von Hettingen sowie von Buchen und Hettigenbeuern wesentlich ist. So befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite das alte Pumphaus. Von dort wurde das Wasser einst in die Haushalte und zu den landwirtschaftlichen Höfen auf den Anhöhen gepumpt.

Außerdem habe man im Bereich zwischen dem Klosterhof und dem heutigen Sparkassengebäude die Morre aufgestaut, so dass ein Tümpel entstanden war. Darin badete ein Schäfer seine Schafe, bevor sie geschert wurden.

Wissenswertes zur Morre

Die Morre ist nicht nur einfach ein Bach. In ihrem Wasser und an ihren Ufern leben Pflanzen, Tiere und Menschen. Ihr Name ist voraussichtlich keltischen Urprungs und bedeutet „die Sumpfige“.

Mit dieser Serie informieren wir über Wissenswertes rund um dieses Gewässer. Lesen Sie von Sagen und Geschichten, die damit in Verbindung stehen.

Von ihrer Quelle bis zu ihrem Zusammenfluss mit dem Marsbach bei Schneeberg legt die Morre rund 22 Kilometer zurück. Nach dem Zufluss der Mud ergießt sie sich in den Main.

Der Morre fließen von links Hollerbach, Steinbächle und Winterbach zu, von rechts die Hainsterbach. mb

Dem Hettinger Heimatbuch ist zu entnehmen, dass die Morrequelle in den vergangenen fast 2000 Jahren nicht versiegt ist. Bevor die Morre im Hettinger Tal ihr heutiges Bett erhielt, schlängelte sie sich durch die Wiesen. „Die Ufer waren damals mit Pappelbäumen, Erlenbüschen, Korbweiden und Schilf besäumt, und nicht selten suchten Fischreiher, Störche oder Wildenten im Frühjahr (...) das Tal als Rastplatz auf. Auch Bachforellen und Fischotter waren zu dieser Zeit noch auf dem Gemarkungsgebiet der Morre anzutreffen“, ist im Heimatbuch zu lesen.

Außerdem hätten die Hettinger Gastwirte im Winter aus der Morre Eis gewonnen, um damit im Sommer ihr Bier im Keller zu kühlen. In strengen Wintern liefen Kinder auf den zugefrorenen Feuchtwiesen zwischen Hettingen und Buchen Schlittschuh.

Redaktion

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