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Buchen: Das langsame Sterben der Firma Franz Fertig

Die Tage des ältesten Industriebetriebs in Buchen sind gezählt. Kommende Woche verlassen die letzten Möbel die Produktionshallen. Bis Ende Mai soll die Firma Franz Fertig abgewickelt sein.

Von 
Martin Bernhard
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Die letzten Sitz- und Liegemöbel verlassen in diesen Tagen die Werkshallen der Firma Fertig. Denn die 131-jährige Geschichte des Unternehmens endet. Das Insolvenzverfahren brachte keine Rettung. Die Produktion wurde am 31. März offiziell eingestellt. © Martin Bernhard

Buchen. Wie ein Denkmal thront das gelbe Sofa in der Produktionshalle der Firma Franz Fertig, Sitz- und Liegemöbelfabrik. Dort, wo nahezu 70 Leute in den vergangenen Jahren verwandelbare Polstermöbel und Schlafsofas gefertigt haben, sind nur noch einzelne Mitarbeiter tätig. Eigentlich hätte die Fertigung am Freitag abgeschlossen sein sollen. „Wir haben noch eine Wochen-Produktion in der Pipeline“, sagt Betriebsleiter Uli Ehret. Denn als bekannt wurde, dass Buchens ältester Industriebetrieb Insolvenz anmelden musste, hätten Kunden aus dem Möbelhandel noch sehr viel Ware bestellt. Im Dezember stand fest, dass kein Investor das Traditionsunternehmen übernehmen würde. Insolvenzverwalter Steffen Rauschenbusch erklärte die Masseunzulänglichkeit. Damit war das Ende des 131 Jahre alten Unternehmens besiegelt.

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Aus den ehemals 67 Mitarbeitern wurden innerhalb von zwei Monaten 22. Ab Montag werden elf die verbliebenen Aufträge abwickeln, den Abverkauf der letzten Waren tätigen und sich anschließend um die Räumung der Firmengebäude kümmern. Am Dienstag kommt ein Vertreter eines Verwertungsunternehmens nach Buchen. Anhand einer Inventarliste wird man festlegen, was verwertet werden kann und was weg muss.

„Ich kann nicht einschätzen, wie lange es dauert, die Gebäude zu räumen“, erklärt Ehret. 10 000 Quadratmeter an Produktions- und Bürofläche müssen übergabereif auf eine mögliche Nachnutzung vorbereitet werden. Bis dahin müssen Maschinen, Regale, Schreibtische, Holz-, Stoff- und Schaumstofflager verkauft oder entsorgt werden. Denn am 31. Mai soll endgültig Schluss sein.

Chronologie bis zum Ende

  • 1729: Franz Anton Fertig macht sich als Sattler selbstständig.
  • 1892: Urenkel Franz Fertig gründet die Polstermöbelfabrik.
  • 1. November 2022: Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
  • Dezember 2022: Bekanntgabe, dass die Produktion eingestellt wird.
  • 31. März: Offizielles Ende der Produktion.
  • 7. April: Fertigstellung der letzten Aufträge.
  • Ab Montag, 3. April: Abverkauf von Sitz- und Liegemöbeln an Privatpersonen.
  • Bis voraussichtlich 31. Mai: Auflösung des Buchener Unternehmens.

Höhen und Tiefen erlebt

Für Uli Ehret endet dann sein bisheriges Berufsleben. 1991 hatte er ein Duales Studium, Fachrichtung Holz- und Kunststofftechnik, bei der Firma Fertig begonnen. 1994 wurde er Assistent der Geschäftsleitung, 2003 Betriebsleiter und Prokurist. Seine berufliche Zukunft ist ungewiss. „Es wird schwer sein, in der Region etwas Vergleichbares zu finden“, sagt er. Er werde bei Fertig bleiben, bis die Abwicklung erledigt ist. „Ich habe hier Höhen und Tiefen miterlebt“, erinnert er sich. „Ich war fast auf jedem Kreuzfahrtschiff dabei, um Nacharbeiten zu erledigen. Das bedeutete lange Tage und viel Arbeit.“

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2006 ist Fertig in das Geschäft mit Kreuzfahrtschiffen eingestiegen. Anfangs habe man Suiten mit 60 bis 80 Möbelstücken ausgestattet, später auch andere Räume auf den Schiffen. Allein für die Firma Aida habe man in vier bis sechs Schiffen Polstermöbel eingebaut. Die Branche sorgte einerseits für einen guten Umsatz für das Buchener Unternehmen. Allerdings barg die Zusammenarbeit auch eine große Gefahr.

Heike Wagner und Alexander Albrecht arbeiten seit Jahrzehnten bei Fertig. Albrecht tritt am Montag bei Porsche in Zuffenhausen eine neue Stelle als Sattler an, Wagner weiß noch nicht, wie es ab Juni mit ihr beruflich weitergeht. © Martin Bernhard

Letztlich brach die Insolvenz der MV-Werften aus Rostock dem Buchener Unternehmen das Genick. Wie Ehret erläuterte, habe Fertig Mobiliar für das Kreuzfahrtschiff „Globel One“ hergestellt, das für den asiatischen Markt bestimmt war. Das Material war bereits bestellt, mit der Produktion hatte man schon begonnen. Da blieben die mit der Werft vereinbarten Zahlungen aus. Fertig konnte seine Löhne nicht mehr bezahlen und musste Insolvenz anmelden (siehe Info-Kasten).

Sattler- und Polsterermeister Alexander Albrecht bekommt glasige Augen, wenn man ihn nach seinem Werdegang bei der Firma Fertig fragt. Als 16-Jähriger habe er hier als Ferienjobber gearbeitet, ein Jahr später mit der Ausbildung begonnen. „Ich arbeite seit 27 und einem halben Jahr hier“, sagt er. Am Montag wird er eine neue Stelle bei der Firma Porsche in Zuffenhausen antreten. Der Vertrag ist zunächst auf ein halbes Jahr befristet.

Betriebsleiter Uli Ehret mit einem vorgefertigten Teil. Dieses wird wie 4500 andere voraussichtlich verbrannt. © Martin Bernhard

Auch für Bekleidungsnäherin Heike Wagner endet ein Lebensabschnitt. 23 Jahre lang arbeitete sie als Bekleidungsnäherin in der Polsterei , war zuletzt im Zuschnitt tätig. „Ich habe den Job sehr, sehr gern gemacht“, sagt sie. Wie es mit ihr beruflich weitergeht, ist unklar. Für Uli Ehret ist es „immer noch nicht zu greifen“, dass bei der Firma Fertig bald Schluss sein wird. Nicht ohne Stolz weist er auf die 4500 vorgefertigten Holzteile im Lager hin, die wohl zum größten Teil verbrannt werden müssen. Für die zahlungsunfähigen MV-Werften stehen noch 25 fertiggestellte Möbelstücke in der Lagerhalle. Und für Aida warten gepackte Polstermöbel auf die Auslieferung.

Es ist ein ruhiges Arbeiten eingekehrt in den weiten Räume der Produktionshallen. Dort ein Hämmern, hier ein Tuckern und ein Bohren. In einem Gang hat sich ein kleines Grüppchen gebildet. Man scherzt, redet von alten Zeiten, schweigt nachdenklich. Die 131-jährige Geschichte der Firma Franz Fertig endet still.

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