Evangelische Kirchengemeinde - Nachdem das alte Instrument zu klein für die neue Weinbrennerkirche war, kauften die Uiffinger eine neue, größere in Stuttgart

Orgel kam vor 200 Jahren mit dem Pferdegespann

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suso
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Am 7. November 1821 kam die gebrauchte Orgel aus der Stuttgarter Hospitalkirche mit drei Pferdegespannen nach Uiffingen. Der blinde Orgelbaumeister Konrad Schott hatte sie einst 1612 konstruiert. Somit ist der Kern der Orgel über 400 Jahre alt. © Susanne Sohns

Die evangelische Kirchengemeinde feierte vor zwei Jahren bereits den 200. Geburtstag ihrer Weinbrennerkirche. Auch in diesem Jahr jährt sich ein Ereignis, das der Erwähnung wert ist. Am 7. November vor 200 Jahren kam die große Orgel mit drei Pferdegespannen aus Stuttgart in Uiffingen an.

Uiffingen. Diese Tatsache passt auch gut in die Planungen des Kirchengemeinderats, der sich momentan mit der dringend notwendigen In-Wertsetzung der Orgel beschäftigt. Ein Blick zurück in die Geschichte der Orgel lohnt sich allemal, denn die Herausforderungen wie die Finanzierung der Orgel, mit denen die Gemeindeglieder damals zu kämpfen hatten, sind auch heute noch aktuell.

Zeitungsanzeige geschaltet

Der Neubau der Weinbrennerkirche 1819 und die Anschaffung der Orgel zwei Jahre später gehen einher. Das Instrument aus der viel kleineren Vorgängerkirche war zu schwach, um den großen Raum auszufüllen und dazu reparaturbedürftig. Der damalige Pfarrer Walther beschreibt den Zustand folgendermaßen in seinen Aufzeichnungen: „Ein altes vierfüßiges Werkchen mit acht schwachen Registern, das den großen Kirchenraum klanglich nicht füllen kann und den Gesang der Gemeinde mehr stört als erhebt.“

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Den vormaligen Kirchengemeinderäten gehörten neben Pfarrer Walther Andreas Veith, Adam Unangst, Conrad Keller sowie Georg und Michael Erfeld an. Dieses Gremium ging äußerst professionell und pfiffig vor, um ihr Anliegen einer größeren Orgel, zu erfüllen. Eine neue Orgel hätte nämlich 1200 Gulden gekostet. Das konnte sich die Gemeinde aber nicht leisten.

In einer Anzeige im „Schwäbischen Merkur“ suchte und fand das Gremium schließlich eine gebrauchte Orgel. Diese kam aus der Stuttgarter Hospitalkirche und kostete 400 Gulden. 1612 war diese Orgel vom blinden Orgelbaumeister Konrad Schott gebaut worden. Wie viel Substanz von damals heute nach zahlreichen Reparaturen noch vorhanden ist, ist umstritten.

Um die Finanzierung der Orgel zu organisieren, schuf das eifrige Gremium die Stelle eines Orgelrechners und konnte Georg Wild dafür gewinnen. Noch heute sind seine Aufzeichnungen nachzuvollziehen und aus heutiger Sicht äußerst interessant. Seinen Abschlussbericht legte er am 23. Oktober 1824, drei Jahre nach der Orgelankunft, den Kirchengemeinderäten vor. Der detaillierte Einblick in die Kosten ergibt einen Eindruck von der Größe des Projekts.

Kauf über Privatkredite finanziert

Demnach wurde der Ankauf der Orgel und alle Folgekosten fast ausschließlich von privaten Kreditgebern aus dem Uiffinger Ort vorfinanziert. Die Kapitalgeber damals waren: Anderas Veith 100 Gulden, Hirschwirth Gerner 100 Gulden, Johannes Wild 300 Gulden, Andreas Wild 44 Gulden, Adam Keller 50 Gulden, Conrad Keller 100 Gulden und Georg Wild mit 76 Gulden und 1 Kreuzer. Die alte Orgel übernahm für 125 Gulden die katholische Kirchengemeinde Uiffingen.

Die Kostenauflistung des Orgelrechners wird im Folgenden dargestellt: Für den Abbau und die Bewachung der Orgel schlugen demnach zwölf Gulden und neun Kreuzer zu Buche. Die Verpackung mit drei Verschlägen kostete sechs Kreuzer. Die Transportkosten mit drei Fuhren beliefen sich auf 15 Gulden und 45 Kreuzer. Dazu kam Straßengeld für sechs Pferde ins Württembergische mit fünf Gulden und 24 Kreuzern. Das sogenannte Pflaster- und Brückengeld auf dem Hin- und Herweg kostete drei Gulden und 38 Kreuzer. Dazu kam der Eingangszoll zu Roschach mit sechs Gulden und zwölf Kreuzern.

Für das Aufstellen der Orgel in Uiffingen erhielt Orgelbaumeister Halder aus Heilbronn insgesamt 251 Gulden und 24 Kreuzer. Cantor Müller forderte vier Gulden für die Prüfung des Instruments. An den Zimmermeister Haag gingen zehn Gulden und 48 Kreuzer. Für Bretter und Nägel mussten zwölf Gulden und 76 Kreuzer geleistet werden. Die amtliche Genehmigung kostete 20 Gulden und 42 Kreuzer.

Unter der Rubrik Wirtsrechnung wird ein Schlafgeld für die Orgelmacher beim hiesigen Hirschwirt Gerner mit elf Gulden und 22 Kreuzern angegeben. An Diäten hat der Wirt zudem zwei Gulden und 30 Kreuzer für einen Zweieinhalb-Tages-Ritt nach Wertheim erhalten. Der Orgelrechner Georg Wild musste zwei Mal nach Stuttgart reisen. Für insgesamt zehn Tage erhielt er zehn Gulden.

Die Kredite wurden im Laufe der Jahre durch den Erlös einer Orgelumlage getilgt. 1832 wurden die letzten Kredite abgelöst und Georg Wild konnte daraufhin die Bücher schließen und sein Amt niederlegen.

Dank der Recherchen von Dr. Dieter Thoma konnten diese interessanten Details in Erfahrung gebracht werden.

Orgelgeschichte

1883 wurde die Orgel von der Firma Link aus Giengen erstmals repariert. 1910 stand dann eine größere Sanierung an. Die Firma Steinmeyer aus Ottingen baute eine pneumatische Taschenorgel ein, welche heute noch ihren Dienst tut. Im Ersten Weltkrieg mussten die Zinnpfeifen abgegeben werden. Diese wurden durch Blechpfeifen ersetzt. 1970 wurde die Orgel von Orgelbaumeister Bernhard Scudlik technisch wieder in Ordnung gebracht.

Die Organisten

Es war üblich, dass der Hauptlehrer der Schule von Uiffingen auch die Aufgabe des Organisten übernahm. Immer wieder lernte dieser musisch begabte Dorfbewohner als seine Vertretungen an. Dies war erforderlich, weil der zweite Lehrer, der sogenannte Unterlehrer, in der Regel katholisch war.

1937 legte der damalige Hauptlehrer seinen Orgeldienst nieder. Der bereits 1929 in den Schriften erwähnte Vertreter aus dem Ort, Ludwig Herold, übernahm daraufhin ganz den Orgeldienst. Bis 1962 führte Herold sein Amt aus, bis er aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Der zu dieser Zeit erst 15-jährige Walter Ries nahm die Herausforderung an, und sollte als Organist 57 lange Jahre treuen Dienst tun. In der 200- jährigen Geschichte der Orgel in Uiffingen spielte Walter Ries das Instrument zweifellos am längsten. Momentan ist Peter Ulshöfer aus Boxberg der Organist.

Die Blasebalgtreter

Damit die Orgel mit ihren Pfeifen erklingen kann, muss ein gewisser Luftdruck aufgebaut werden. Der Organist drückt die Taste, Luft strömt durch die Pfeife und erzeugt so den gewünschten Ton. Dieser Luftdruck musste früher durch einen Blasebalgtreter erzeugt werden. Diese Vorrichtung ist heute noch vorhanden und auch funktionsfähig. War der Blasebalgtreter nicht bei der Sache, konnte der Organist ihn mit einem Signalton an seine Aufgabe erinnern. Der letzte offizielle Blasebalgtreter war Walter Busch, ehe dann in den 1950er Jahren ein Elektromotor diese Aufgabe übernahm.

Erneute Instandsetzung

In den letzten Jahren hat die Leistung der Orgel erheblich abgenommen. Eine Generalüberholung ist nun nötig, um das ganze Instrument zu nutzen und den ganzen Klang hervorzubringen.

Die Planungen des jetzigen Kirchengemeinderats zur Sanierung der Orgel sind weit fortgeschritten. Die Finanzierung steht: Die Orgelbaufirma Steinmeyer, welche schon 1910 die erste große Renovierung durchführte, wird auch diese Instandsetzung durchführen.

Orgelfest am 7. November

Anlässlich der Inbetriebnahme der der Orgel in Uiffingen vor 200 Jahren, veranstaltet die evangelische Kirchengemeinde ein kleines Orgelfest. Am 7. November 2021, genau 200 Jahre nach Ankommen der Orgel in Uiffingen, soll das mit einem Gottesdienst um 10 Uhr gefeiert werden. Die Chorgemeinschaft Uiffingen wird diesen mitgestalten. Nach dem Gottesdienst wird es ein kleines Anspiel auf der Kirchentreppe geben mit dem Titel „Wie die Orgel nach Uiffingen kam“, sofern das Wetter mitspielt.

Im Laufe des Nachmittags sind verschiedene Highlights für die Besucher geplant: Es gibt ein Orgelpfeifenschätzspiel, das Orgelbrot wird verkauft, es wird Apfelsaft gepresst und verkauft und für die Kinder gibt es eine Fotorallye. Um 14 Uhr singt die Chorgemeinschaft auf der Kirchentreppe, und Pfarrer Kolb wird mit seiner Drehorgel den Nachmittag begleiten. Ab 15 Uhr wird dann der Gewinner des Schätzspiels bekannt gegeben. suso

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