Prozess am Landgericht Mosbach

Boxberg: War das Waffenlager sogar noch größer als angenommen?

Am dritten Verhandlungstag stehen weiterhin die Waffenfunde im Fokus. Wie die Angeklagten an eine Kriegswaffe gelangen konnten, wird ebenfalls thematisiert.

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Simon Retzbach
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Schusswaffen, die im Rahmen einer Hausdurchsuchung 2022 auf dem Anwesen in Boxberg-Bobstadt sichergestellt wurden, liegen auf einem Tisch. Ein Teil wird Ingo K. zugerechnet, ein Teil der Familie, auf deren Anwesen er bis zu seiner Verhaftung lebte. © picture alliance/dpa

Boxberg. Als die Angeklagten zum dritten Mal den großen Verhandlungssaal am Mosbacher Landgericht betraten, lächelten sie breit. Kurz schien der Ärger um das Verfahren gegen sie und die äußerst lästigen Fesseln komplett vergessen. Grund dafür war das Baby eines Angeklagten, das dessen Lebensgefährtin mit in den Saal brachte. Ein kurzes Treffen vor Gericht, nachdem sowohl der Vater als auch die Großeltern des Neugeborenen aufgrund der Untersuchungshaft dessen Geburt verpassten.

Richtern Barbara Scheuble bereitete dem Ganzen allerdings recht schnell und nüchtern ein Ende. Recht schnell ging es wieder um die schweren Vorwürfe, wegen derer die fünf Familienmitglieder (ein Ehepaar, dessen zwei Söhne und die Schwiegertochter) sich vor Gericht verantworten müssen. Mehrere Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) und der Polizei schilderten Teilaspekte des Einsatzes vor Gericht. Teils recht langatmig ging es dabei um technische Fragen oder Details. Wo genau nun welche Waffe gefunden wurde, auf welche Art Spuren gesichert wurden und inwiefern sich eine Schusswaffe nun einem der Bewohner des Anwesens zuordnen lasse – alles Fragen, die natürlich insbesondere für die Verteidigung von Bedeutung sind.

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Immer wieder gewann man in den bisherigen Verhandlungstagen einen Ausblick in die enorme Komplexität des Tatgeschehens im April 2022. Insgesamt sechs Personen wurden angeklagt, das Verfahren um Ingo K. ist bereits rechtskräftig abgeschlossen. Inwieweit sich die fünf nun Angeklagten schuldig gemacht haben, lässt sich nicht immer ganz so einfach vom gesamten Fall rund um Ingo K. abgrenzen. Zumindest aus Sicht der Verteidigung. Verteidiger Werner Meisenbach – er vertritt den Familienvater und frischgebackenen Opa – sah weiterhin die Verantwortung für alle Schusswaffen bei Ingo K. Eine „auffällig schlecht“ verlaufene Suche nach Fingerabdrücken auf den Waffen bestärkte ihn in dieser Ansicht. Ingo K. selbst soll am vierten Verhandlungstag selbst vor Gericht aussagen. Wird er die Theorie seines ehemaligen Vermieters und dessen Anwalts bestätigen?

Eine Frage, die bislang offen bleibt. Geklärt wurde hingegen die Herkunft der Kriegswaffe, welche auf dem Anwesen gefunden wurde. Ein Mitarbeiter des LKA ermittelte zu dieser Frage. Seine Antwort zeigt einen bemerkenswert laschen Umgang der Bundeswehr mit Kriegswaffen. Denn dieses Gewehr sei laut deren Kenntnisstand „eigentlich vernichtet worden“. Und das bereits vor rund 15 Jahren. So stand es jedenfalls in entsprechenden Listen der Bundeswehr. Das Vorgehen bei zu entsorgenden Waffen ist dem Ermittler zufolge recht simpel: „Es wird ein großer Container aufgestellt, da kommen dann alle Waffen hinein, die vernichtet werden sollen. Irgendwann wird der dann zu einer Firma in Mannheim gebracht, die diese Waffen vernichtet.“ Dieser Container sei zwar gesichert und stehe auf Bundeswehrgelände, „theoretisch kann aber jeder Beschäftigte dort Waffen entnehmen oder stehlen“.

Bundeswehr räumt ein: Waffe tatsächlich nicht vernichtet!

Tatsächlich musste die Bundeswehr nach einem Abgleich der Seriennummern eingestehen: Das Schnellfeuergewehr wurde gestohlen und nicht vernichtet. Noch beunruhigender: Das scheint kein Einzelfall gewesen zu sein. Denn Scheuble verlas vor Gericht das Ergebnis einer weiteren Hausdurchsuchung, die kurze Zeit nach der großen Polizeiaktion Ende April 2022 in Bobstadt durchgeführt wurde. Hier tauchten unter anderem zwei weitere Kriegswaffen vom Typ Uzi, kompakte Maschinenpistolen aus Bundeswehrbeständen, auf. Die Ermittlungen seien damals „mangels konkretem Anfangsverdacht“ eingestellt worden. Sie sind also auch kein Teil der aktuellen Anklage.

Ob diese Waffen nun Ingo K. oder der Familie zuzurechnen waren, wurde vor Gericht nicht abschließend geklärt. Eines zeigte sich aber: Die Waffenbestände auf dem Anwesen in dem beschaulichen Örtchen waren wohl noch größer als in der Anklageschrift angenommen! Dass die Polizei diese Waffen im Mai fand, als Ingo K. bereits inhaftiert war, sah Scheuble zumindest als „Indiz“ dafür, dass die Waffen der angeklagten Familie zuzurechnen seien. Wie die gefährlichen Waffen aus Bundeswehrbeständen nach Bobstadt gelangen konnten, ließ sich laut LKA nicht aufklären. Von den Angeklagten selbst sei keiner dort beschäftigt gewesen, ein verdächtigter Ex-Bundeswehrangehöriger bestritt den Diebstahl dieser Waffe. Andere Taten räumte er allerdings ein, weshalb er bereits 2012 ins Visier der Ermittler geriet.

Laut dem Familienvater habe er die zusätzlich aufgetauchten Waffenreste selbst entdeckt, als er das Grundstück nach der Razzia im April und dem großen Brand des Wohnhauses dort wieder betreten hatte. „Ich habe sie in einem großen Schutthaufen gefunden, in einen Blecheimer gelegt und in den Keller gestellt“, beschrieb er. Dort wurden diese stark verkohlten Waffen dann im Mai gefunden. Von deren Existenz will er nichts gewusst haben, betonte immer wieder, dass Ingo K. diese besorgt habe. „Meine waren es nicht“, beteuerte der Mann.

Nun bleibt abzuwarten, wie sich der bereits verurteilte Ingo K. äußern wird. Dessen Aussage am Donnerstag dürfte eine Art Höhepunkt der Beweisaufnahme bilden, ehe für Freitag Plädoyers und das Urteil erwartet werden.

Redaktion

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