Boxberg. Vor 100 Jahren, zum 1. April 1924, verlor Boxberg sein Bezirksamt – diesmal endgültig. Der Amtsbezirk wurde zerlegt – der nördliche Teil kam zu Tauberbischofsheim, der südliche zu Adelsheim. Für das Umpfer-Städtchen endete damit eine Jahrhunderte lange Tradition.
Schon zu Zeiten der Edelherren von Boccesberg und des Johanniterordens war Boxberg dominant für die Umgebung. Unter den Rittern von Rosenberg bekam das Städtchen erste Marktrechte.
Auf das kurpfälzische Amt- und Oberamt Boxberg folgte das Großherzoglich Badische Bezirksamt Boxberg. 1857 wanderte der Amtssitz nach Krautheim, kam 1864 wieder nach Boxberg zurück. 1872 wurde der Amtsbezirk Tauberbischofsheim zugeschlagen. Nach sechs großen Petitionen erreichten die ehemaligen Bezirksgemeinden, dass 1898 wieder ein Bezirksamt nach Boxberg kommt. Der Amtsbezirk umfasste 30 Gemeinden.
1923, im Zenit der zerstörerischen Inflation, überlegte die badische Regierung, wie sie den Staatshaushalt entlasten könne. Im November 1923 beschloss der Landtag ein Gesetz über die Vereinfachung der Staatsverwaltung. Die Verordnung vom 22. Dezember ermächtigte das Innenministerium, die Bezirksämter ohne Parlaments-Zustimmung neu einzuteilen. Die Maßnahmen beunruhigten den Boxberger Raum. Am 21. Januar 1924 reiste eine fünfköpfige Abordnung nach Karlsruhe, um beim Innenminister Adam Remmele (SPD) vorzusprechen. An diesem Tag gab die „Karlsruher Zeitung. Badischer Staatsanzeiger“ bekannt, dass zum Personalabbau auch zwölf von 53 Amtsbezirken aufgelöst würden.
Zwei Tage später nannte die Zeitung Namen: „Von der Aufhebung betroffen wurde das Bezirksamt Boxberg.“ In der Rechtfertigung, warum nicht etwa Adelsheim aufzuheben sei, wurde argumentiert: Boxberg sei schon einmal mit Tauberbischofsheim vereinigt gewesen, zudem werde der nördliche Amtsbereich mehr von Würzburg angezogen. Der südliche Amtsbereich (Ballenberg-Krautheim) sei dagegen durch die Bahnlinie Krautheim-Möckmühl jetzt dem Adelsheimer Bezirk nähergebracht. Eine wenig überzeugende Argumentation – Boxberg war noch immer einfacher zu erreichen als Adelsheim.
Boxberg wehrte sich. Am 27. Januar 1924 fasste eine Bezirksversammlung eine Resolution: „Der Bezirk Boxberg ist einer der größten ländlichen Gebiete sowohl des Flächeninhaltes als auch der Einwohnerzahl nach. Er bildet eine unbedingte geographische und wirtschaftliche Einheit, in deren Mittelpunkt die Amtsstadt Boxberg an der Hauptbahnlinie liegt. Sie ist deshalb leicht und bequem von sämtlichen Orten des Bezirks erreichbar.“ Nach vielen weiteren Aspekten endete die Resolution etwas verbittert: Die gesamte Bezirksbevölkerung werde sich der neuen Regierungsmaßnahme nicht fügen. „Ohne Anwendung von Gewalt wird sie sich nicht von dem alten Amtsbezirk trennen lassen.“ Sätze, die Minister Remmele „mit Befremden“ las. Er erwiderte am 14. Februar, die Regierung werde „sich durch derartige Einschüchterungsversuche nicht von dem vorgestellten Ziele ablenken lassen“.
Am 1. März erhielt der Minister die Begründung für die Verbitterung: „Unsere Ausführungen … sind sachliche Gründe und Ausdrücke des Unwillens und der Entrüstung über das willkürliche Unrecht, welches uns nach unserer felsenfesten Überzeugung angetan worden ist … Wir sind befremdet darüber, dass man in Karlsruhe vergessen zu haben scheint, was der Amtsbezirk während des Krieges und der Nachkriegszeit geleistet hat bei der Ablieferung von Lebensmitteln und freiwilligen Gaben. Mit hochtönenden Worten ist uns wiederholt versichert worden, der Bezirk Boxberg stehe mit an der ersten Stelle bezüglich Aufbringung der Vollmengen an landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Wir sind befremdet über den Dank, welchen uns die badische Regierung jetzt dafür abstatten will“.
Weitere Initiativen folgten, auch mit anderen betroffenen Amtsbezirken. Der „Landbund“ wurde eingeschaltet, aber sein Antrag im Landtag nutzte nichts. Die Regierung blieb hart. Ende März wurde die Versetzung der Bezirksbeamten verkündet. Sicherheitspolizei aus Heidelberg hatte den Umzug durchzuführen.
„Ernstes Schweigen und sichtbar grollender Unwille“ lag über den letzten Amtshandlungen des badischen Amtsvorstandes in Boxberg. Am 27. März verabschiedete man sich mit einem Gruppenfoto von sämtlichen Gemeindevertretern. Auf den 30. März lud Josef Rozzoli alle Bürgermeister und Ratsschreiber in den „Adler“. Nach Verlesung amtlicher Mitteilungen dankte Unterschüpfs Bürgermeister Weigand den scheidenden Beamten im Namen der Bezirksbevölkerung. Die Geschichte des badischen Bezirksamtes Boxberg endete am Nachmittag mit einer Abschiedsfeier, an der alle Staats- und Gemeindebeamten teilnahmen.
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