Bad Mergentheim. „Ich bin kein Rinderflüsterer“, betonte er gleich zu Beginn seiner anschaulichen und humorvoll vorgetragenen Präsentation.
„Kühe haben einen anderen Hörbereich als wir Menschen und Rufen, Pfeifen oder klatschen funktionieren nicht optimal, denn die menschliche Stimme ist viel zu unspezifisch. Wenn ich rufe, dann fühlen sich in der Regel alle Tiere angesprochen. Rinder können besser hören als wir Menschen, auch Töne im Ultraschallbereich. Sie fühlen sich durch Geräusche, die reibende Gitter oder undichte Leitungen verursachen, gestört. Hohe Töne sind für sie ein Alarmsignal“, so der Experte weiter.
Vor 28 Jahren stellte man ihm die Frage, warum manche Kühe so einen schlechten Charakter haben. Er traf einen Cowboy, der ihm zeigte, wie man mit Kühen umgeht. Dieser hielt Kühe für autistisch, denn sie hätten typische Verhaltensweisen von Autisten. Sie wünschen eine gleichförmige Umwelt und haben Angst vor Veränderungen.
„Mach langsam, denn wir haben keine Zeit“, diese zunächst widersprüchlich klingende Aufforderung ist elementar beim Umgang mit Rindern. Kühe können zwar kurz eine Spitzengeschwindigkeit von 52 Kilometern erreichen, aber die normale Schrittgeschwindigkeit liegt bei etwa drei Stundenkilometern. Weil der Mensch eine höhere Schrittgeschwindigkeit hat, läuft ihm die Kuh zu langsam und durchs Antreiben wird es noch langsamer. Durch einen ruhigen Umgang soll Vertrauen aufgebaut und deutlich werden, wer die Herde anführt. Idealerweise lernen bereits die Kälber einen guten Betreuer kennen.
Eingeschränktes Sehvermögen
Für den Rinderhalter ist es wichtig zu wissen, wie Rinder ihre Umwelt wahrnehmen. Ihr eingeschränktes Sehvermögen gleichen sie durch ihr Gehör aus. Die Sehschärfe ist 70 Prozent geringer als beim Menschen. Konturen sind unscharf, damit werden Kontraste schlecht erkannt und die Sehschärfe sinkt mit der Beleuchtungsintensität. Zudem dauert die Hell-Dunkel-Anpassung beim Rind etwa fünf mal länger als beim Menschen.
Das bedeutet, wenn Rinder vom Hellen ins Dunkle oder umgekehrt wechseln, sehen sie fünf Sekunden lang nichts. Sie gehen instinktiv vom Dunkeln ins Helle, deshalb ist ein gezieltes Ausleuchten von Gängen und Treibwegen so wichtig.
Menschen haben drei Farbrezeptoren, die Rinder nur zwei. Deshalb sind die Farbstufen Grün, Gelb-Blau und Violett-Graustufen gut wahrnehmbar.
Weil viele Giftpflanzen gelbe Blüten haben, ist die Farbe für Rinder ein Warnsignal und kann zur Abschreckung verwendet werden. Zudem haben sie eine empfindliche Wahrnehmung, deshalb werden sie durch flackerndes Licht irritiert.
Zwei Junglandwirte der Akademie für Landbau und Landwirtschaft in Kupferzell berichteten anschaulich über ihre Arbeitsprojekte. Julian Höschele wollte im Milchviehstall herausfinden, ob die Brunsterkennung durch die Messung mit der digitalen Variante bessere Ergebnisse als die betriebsübliche Beobachtung bringt. Bei der bisherigen Brunstkontrolle wurden Auffälligkeiten spät erkannt. Dagegen lieferte die digitale Variante bessere Ergebnisse bei geringerem Zeitaufwand. Sie zeichnet von jedem Tier Daten auf. Diese hängen mit dem Brunstgeschehen zusammen und sind ein wichtiger Indikator für das Eintreten der Brunst.
Spannender Vergleich
Einen spannenden Vergleich konnte Lukas Schenk im elterlichen Biolandhof anstellen. Die Milchviehherde zog in einen neuen Stall um. Was passiert mit den Tieren und wie ändert sich das Verhalten? Der alte Stall war ein Kombinationsstall mit einer Festmistliegefläche, ausgestattet mit einem Melkroboter für die 65 Kuhplätze. Der neue Stall ist fünfreihig, hat einen Entmistungsroboter und ist zweiteilig mit großem Stallgebäude und integriertem Laufhof. Trotz höherer Tierzahl fällt jetzt weniger Arbeit an. Die Milchleistung stieg um täglich eineinhalb Kilo bei deutlichem Rückgang der Zellzahlen und mehr sauberen Kühen.
Milchmarkt im Blick
Momentan haben die Milchviehhalter auskömmliche Erzeugerpreise. Aber wie wird sich der Milchmarkt entwickeln? Richard Riester von der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft beobachtet das aktuelle Geschehen auf dem Markt. Momentan wirken sich mehrere Krisen auf den Markt aus.
Der hohe Milchpreis schlug sich auch in geringeren Kuhschlachtungen nieder. Weil sich die Lebensmittelpreise weiter auf hohem Niveau bewegen, greifen die Verbraucher weniger zu Bioprodukten. Und da wichtige Player auf dem Milchmarkt mehr Milch produzieren und China deutlich weniger importiert, sind die Großhandelspreise für Milchprodukte jetzt rückläufig.
Der Milchpreis ging dann Anfang Dezember drastisch in die Knie. Milchhalter benötigten im letzten Jahr einen Milchpreis von 40,8 Cent pro Kilogramm Milch, um ihre Vollkosten decken zu können. Wegen der explodierenden Kosten wäre jetzt ein Milchpreis von 52,1 Cent notwendig.
Neben dem Milchpreis erwartet Riester auch beim Schlachtrindermarkt einen Preisverfall für die Erzeuger.
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