Selbstversuch bei „Secret Packs“

Verkaufsautomat in Bad Mergentheim: Wundertüte für ’n Zehner

In einem Automaten in Bad Mergentheim gibt es Retouren aller Art auf Knopfdruck. Für zehn Euro bekommt man eine Art "Überraschungsei" - denn man weiß vorher nicht, was drin ist. Lohnt es sich? Wir haben es ausprobiert.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Mehrere Dreh-Etagen: In der Wilhelm-Frank-Straße gibt’s besondere Formen von Überraschungseiern – tatsächlich aus einem früheren Eierautomaten. © M. Weber-Schwarz

Bad Mergentheim. Zehn Euro locker machen für eine Art großes Überraschungsei. Oder eben eine Wundertüte. An einem neuen Automaten in der Wilhelm-Frank-Straße gibt’s Retourenpakete. Niete oder Treffer? Das ist hier die Frage.

Ein bisschen verrückt komme ich mir schon vor, als ich am Wochenende kurz zum „Waschpark“ an der Bad Mergentheimer Wilhelm-Frank-Straße fahre. Dort soll er sich nämlich befinden: der „Geheimpakete-Automat“. Promotet wird er natürlich in englischer Sprache als Ausgabestelle von „Secret Packs“. Es sind Retourenpakete, die dort (mit geschwärzten ursprünglichen Adressen) zweitverwertet werden.

"Secret Packs": Auch wir bei den FN sind neugierig geworden

Woher ich von der Adresse weiß? Übers soziale Netzwerk „Instagram“. Dort wurden mir Phänomen und Standort vorgeschlagen. Und das hat ganz offensichtlich funktioniert: Ich bin neugierig geworden.

Hintergrund: Bis zu 15 Prozent der Kunden, so heißt es, schicken im Onlinehandel ihre Waren wieder zurück. Nicht das richtige Shirt, die Schuhe zu klein oder zu groß, vielfältiges technisches Equipment wie Computermäuse oder Kopfhörer doch nicht ganz passend für die heimischen Anforderungen. Manche Päckchen kommen wegen falscher Adresse auch gar nicht bei Kunden an. Die Post schickt sie zurück.

Problem: Retouren sind alles andere als nachhaltig. Ein Großteil der zurückgeschickten Waren landet gezielt zerstört im Müll oder wird an Drittstaaten weiterverkauft. Für die großen Drei am Markt lohnt das Aufbereiten und Wiedereinstellen finanziell nicht. Also weg damit.

Hier haben der Weikersheimer Bastian Dieterle und sein Freund Jan Faulhaber aus Lauda-Königshofen eingehakt. Als „Nebenjob“, wie Dieterle im Gespräch mit der FN-Redaktion betont – beide haben normale bürgerliche Berufe.

Ich stehe vor dem Automaten: ein Slot verlangt nach meinem Zehn-Euro-Schein, im Grunde so wie an jedem modernen Verkaufsautomaten. Auf mehreren Etagen sehe ich Päckchen liegen, größtenteils in Kunststoffverpackung. Ich kann nur raten, was drin ist – und entscheide mich spontan (nicht gierig denken!) für ein kleineres Pack. Vermutlich etwas Technisches – dann ist der mögliche finanzielle Schaden nicht so groß, denke ich. Und wenn ich es nicht brauchen kann, findet sich bestimmt jemand im Freundeskreis.

Warenwert der "Secret Packs": Zwischen fünf und 100 Euro

Mit Bastian Dieterle telefoniere ich erst später. Der Warenwert bewege sich zwischen fünf und 100 Euro, erklärt der 34-Jährige. Was in den Päckchen drin ist, das wisse er selbst nicht. Der Automat ist ein Standardmodell, das beispielsweise auch bei der Direktvermarktung von Hühnereiern auf einem landwirtschaftlichen Hofladen zum Einsatz kommt. Bewährte Technik also. Und das Bild vom Überraschungsei scheint da dann auch zu passen. Es sei übrigens der einzige in der näheren Region, sagt Dieterle.

Die Ware bezieht das Betreiberduo von einem Zwischenhändler en gros: 5000 Päckchen plus Automat haben sie vorfinanziert. Der Einkaufspreis richtet sich nach dem Gewicht. Frühs befüllt Dieterle, nachmittags oder abends Faulhaber die insgesamt 48 Fächer.

Meinen Zehner hat der Automat gefressen, jetzt kommt der große Moment: Mein ausgewähltes Fach ist nach vorne gedreht; die „Türe“ öffnet sich geräuschlos nach der Seite hin. Ich hole mein Päckchen heraus. Als süßes Goodie gibt es noch eine kleine orangene Tic-Tac-Box dazu.

Was habe ich erstanden? In den Päckchen könnte vielleicht ein Smartphone sein oder wahrscheinlich Zubehör, schätze ich nach dem Abtasten. Fußballsocken oder BH-Verpackungen würden sich wohl anders anfühlen.

Insgesamt ein „guter Mix“

„Es ist eben auch ein bisschen wie bei der Lotterie, bei einem Rubbellos oder wie beim Wichteln“, sagt Dieterle. Da kann man sicher mal eine Niete ziehen, aber das sei ja auch das Spannende an solchen Automaten. Derartige „Secret Packs“ liegen aber auf jeden Fall gerade im Trend, weiß der Weikersheimer. Und noch sind sie recht selten. Man biete am Automaten „einen guten Mix“, erklärt Dieterle. Zehn Prozent der Angebote sind aus dem Bereich Bekleidung, über 50 Prozent seien technische Geräte „quer Beet“. Und wenn einmal wirklich etwas nicht funktioniert, dann werde der Betrag auch unkompliziert erstattet.

Mein Päckchen: Es ist eine kabellose Induktionsladestation für Mobiltelefone. Bambus- und Gewebeoptik – na ja, nicht ganz mein Stil. Aber sie läuft und lädt auch mein Handy. Ich werde sie behalten.

Und das kam raus: eine drahtlose Ladestation für Mobiltelefone. Preis beim großen Internetanbieter mit dem „A“: 38,07 Euro. Ähnliche bekommt man günstiger. © Michael Weber-Schwarz

Noch kurz der Online-Check, wo ich in Sachen Gewinn oder Verlust liege. Beim Internetanbieter mit dem großen „A“ finde ich das Gerät für 38,07 Euro. Bei einen anderen in Polen gibt es das Ding für 20 Sloti. Aktueller Kurs: 0,23 Euro pro Sloti, also knapp fünf Euro – die Versandkosten dazugerechnet wäre ich dann wahrscheinlich bei meinem Zehner. Geht also finanziell in Ordnung. Und: Ich habe was zu erzählen und zu schreiben. Passt.

Übrigens: Es gibt in der Region auch Anbieter mit anderen Geschäftsmodellen - so zum Beispiel den Online-Verkauf dieser "Secret Packs" durch Chris Herold in Külsheim. Wer also lieber online sein Glück bei einer "Retouren-Wundertüte" versuchen möchte oder nicht in der Nähe des Automaten wohnt, kann sich mal hier umschauen.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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