Ein Tag als Gastwirt

So war ein Tag als Gastwirt in Bad Mergentheim

Wer mit Dana Gollnau einen Tag die Arbeit tauschen will, hat viel vor. Denn: Sie ist Geschäftsführerin, Chefköchin, Personalchefin, Büro-, Deko- und Servicekraft, Einkäuferin. . . schlicht gesagt, Gastwirtin.

Von 
Sascha Bickel
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Dana Gollnau ist die Chefin in der Küche der „Alten Kanzlei“ und auch sonst der Boss. Sie kocht frisch und regional und freut sich über viele treue Gäste. © Sascha Bickel

Bad Mergentheim. Mit Dana Gollnau (68) lernt man die Begriffe „selbst“ und „ständig“ in der Gastro-Welt noch einmal ganz neu kennen. Sie selbst bezeichnet sich als „Mädchen für alles“ und strahlt dabei, denn sie liebt was sie tut: jeden Tag.

Mit der Geschäftsführerin, Chefköchin, Personalchefin, Büro-, Deko- und Servicekraft sowie Einkäuferin, sprich der Gastwirtin der „Alten Kanzlei“ in der Krummen Gasse in Bad Mergentheim, kann man einiges erleben. Gordana, kurz Dana, empfängt mich mit offenen Armen, redet Klartext und ist sofort fürs einfache „Du“ zu haben. Sie beeindruckt mich, mit ihrem Engagement und ihrer Begeisterung für einen nicht einfachen Beruf. Mit großer Leidenschaft und viel Liebe zum Detail geht sie ans Werk.

„Das ist mein Leben“, sagt die 68-Jährige, die von Rente noch nichts wissen will und eine Übergabe der beliebten Gaststätte im Herzen der Mergentheimer Altstadt an die zwei älteren Söhne erst in der Zukunft plant. Der jüngste Sohn ist auch in der Gastronomie gelandet und betreibt mit einem Partner das „Delikat“ im Mittelstandszentrum. Dass alle drei die gleiche Branche wie sie gewählt haben, freut sie sehr.

Ab in die Küche

„Es macht mir sehr viel Spaß, ich habe Freude an meinem Beruf und fühle mich topfit, warum also soll ich aufhören“, lacht Dana während unserer Gespräche. Um 9.30 Uhr sind wir verabredet und nach einer kurzen Einführung geht es auch schon los. Ab in die Küche. Salat putzen. Frischen Spätzle-Teig zubereiten und dann ins kochende Wasser drücken. Nebenbei werden noch unzählige Karotten in feine Streifen (maschinell) gehobelt. Hmmmh, da kommt bald das erste Hungergefühl auf – doch zum Glück haben wir beide gut gefrühstückt. Der Appetit meldet sich bei mir übrigens noch öfters und viel stärker, wenn später die Schnitzel gebraten oder andere Leckereien angerichtet werden.

Dana ficht das nicht an. Sie bleibt cool und folgt ihrem Tagesplan. Ihr Lieblingsessen sind Pellkartoffeln mit Butter! Kartoffeln werden täglich angesetzt und so greift sie in der Mittagszeit gerne mal zu – wenn Zeit ist. Doch das mit der Zeit ist so eine Sache. Denn: Es gibt eigentlich immer etwas zu tun für die Selbstständige. Sie hat eine treue Stammkundschaft und auch sonst wenig Mangel an Gästen.

Ihre Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit wurden Dana schon in die Wiege gelegt. Sie stammt zwar aus Bosnien, wuchs jedoch in Serbien auf. Die Mutter betrieb ein Café und da durfte und musste sie als Kind schon mithelfen und tat es gerne. Mit 16 kam sie nach Deutschland, nach Schwäbisch Hall. Sie lernte Köchin und Restaurantfachfrau und 1984 – mit Ende 20 – übernahm sie mit ihrem Mann „das ehemalige Krönchen“ (die Krone) in der Buchener Altstadt und erinnert sich gerne zurück. Die Distelhäuser Brauerei hatte ihnen zuvor mehrere Wirtschaften in der Region zur Pacht angeboten.

Mit guter Laune ist Dana stets am Werk: Sie kocht, serviert, kauft ein, richtet die Tische her und noch viel mehr. Reporter Sascha Bickel tauchte in ihre (Arbeits-)Welt ein. © Sascha Bickel

Elf Jahre später schlug sie einen neuen Lebensweg ein, wechselte nach Külsheim und pachtete die Gaststätte „Brunnenputzer“. „Ein tolles Lokal, es lief auch gut, hatte aber auch Gästezimmer und das war doch sehr anstrengend. Ich musste um 6 Uhr Frühstück richten und nachts war erst spät Feierabend. Das ging auf Dauer nicht und so war nach vier Jahren wieder Schluss und die Brauerei bot mir 1999 die Alte Kanzlei in Bad Mergentheim an“, erzählt Dana glücklich.

Nach den Vorarbeiten in der Küche führt unser Weg zum Bäcker, um Baguette zu kaufen, und zur Bank, um Wechselgeld zu besorgen. Beim Gemüsehändler gegenüber gibt es auch noch einen Stopp und schon stehen wir wieder im Lokal zur kurzen Absprache mit dem Küchenteam. Ab etwa 11.30 Uhr kommen die ersten Gäste und Dana steht mit mir jetzt erst einmal an der Theke. Es werden Bestellungen aufgenommen und es wird serviert.

Ihr Team umfasst zwei Vollzeitkräfte, zwei Teilzeit-Servicekräfte und drei Hilfskräfte in der Küche. Gute Leute zu finden, ist schwieriger geworden und die Personalkosten müssen stets im Blick bleiben, berichtet Dana, die ihre Öffnungszeiten auf 22 Uhr verkürzt hat. Nach dem Mittagstisch geht es ab 17.30 Uhr wieder richtig los und wir stehen nun ab etwa 17 Uhr mit ihrem Sohn und einem Hilfskoch in der Küche. Es wird auch an diesem Tag fleißig gekocht, gebraten und angerichtet. Dana hat eine treue Stammkundschaft und gerade wieder viele Familien- und Weihnachtsfeiern im Haus. Da sind die 35 Sitzplätze schnell ausgebucht.

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Rezepte im Kopf

Ihre Rezepte hat sie Kopf, jedoch probiert sie gerne auch mal was Neues aus. Was in ihrer Küche nicht fehlen darf, sind Salz, Pfeffer, Zimt, Muskatnuss, Butter, Sahne und Wein. Sie kocht mit viel Erfahrung und nach Gefühl, Geschmacksverstärker gibt es nicht. Es wird Saisonales und Regionales (Gemüse, etc.) verwendet, die Eier sind vom Wochenmarkt, das Mehl aus Markelsheim, Gans und Wild kommen ebenso aus der Umgebung, nur die Steaks sind aus Argentinien. Beide Brauereien, Distelhäuser und Herbsthäuser, sind vertreten, ebenso beide Winzergenossenschaften: Beckstein und Markelsheim.

Als sie 1999 die „Alte Kanzlei“ pachtete, war es noch eine reine Bierkneipe. 2003 betrieb Dana mit ihrem jüngsten Sohn für kurze Zeit den „Löwen“ in Unterbalbach, ehe sie 2005 schließlich die „Alte Kanzlei“ kaufte und zu dem heimeligen Lokal mit viel Geschichte und regionalen Spezialitäten machte, das es heute ist. Sie muss inzwischen auch nicht mehr nach Dainbach heimfahren, sondern wohnt im Obergeschoss. Ihr Tag beginnt immer um 6.30 Uhr und dauert oft bis spät in die Nacht, denn wenn die letzten Gäste gegangen sind, werden die Tische für den nächsten Tag gerichtet, ebenso wie nachmittags ab 14 Uhr für den folgenden Abend.

Manchmal bleibt zwischendurch Zeit für einen Spaziergang, bevor es gegen 17 Uhr weitergeht, oft aber nicht. Ab 20.30 Uhr verlässt sie die Küche und schaut nach den Gästen und hält ein Schwätzchen, „denn ich bin nun mal Wirtin“.

ASCII © Sascha Bickel

„Ich bin selbst und ständig – und mit Liebe bei der Sache. Ich lege großen Wert auf Selbstgemachtes und manchmal dauert es auch etwas länger“, schmunzelt sie, „aber dafür schmeckt es“.

Größte Freude empfindet sie, wenn noch Löffel bestellt werden, um das leckere Salatdressing auszuschöpfen oder sonst den Gästen ein Lob über die Lippen kommt: „Ich koche leidenschaftlich gerne, verwöhne gerne meine Gäste und höre gerne Komplimente“, strahlt Dana, die in ihrer Küche Ordnung und Sauberkeit hochhält, was nicht allen Mitarbeitern so gelegen kommt: „Ich kann nämlich ziemlich pingelig sein.“ Dass die Teller, die die Küche verlassen, schön angerichtet sind, versteht sich da von selbst.

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Zu viel Papierkram und Abgaben

Gar nicht so viel Spaß hat Dana bei anderen Dingen: „Der viele Papierkram, das Finanzamt, die Steuern, Gebühren und Abgaben, die Gema, die Vorschriften, all die Bürokratie kosten doch schon Kraft und Nerven. Mein Geschäft läuft und ich gebe mich ja auch mit wenig zufrieden“, meint Dana, „aber die Belastungen und Kosten sind schon sehr hoch“. Das alles müsse erwirtschaftet werden und eine 40-Stunden-Woche gibt es hier sicher nicht. Genauso wenig wie Wegegeld, denn das Herumflitzen in der Küche, der Weg ins Lager im historischen Keller, die Strecken im Gastraum, all das würde den Kilometerzähler glühen lassen, wenn es denn einen gebe.

Gastwirt werden, Koch und/oder Restaurantfach lernen

Die Ausbildung zum Koch oder zur Köchin und ebenso zur/zum Fachfrau/-mann für Restaurants & Veranstaltungsgastronomie dauert drei Jahre. Sie kann unter Umständen verkürzt werden. Es ist kein bestimmter Schulabschluss vorgeschrieben. Manche Ausbildungsbetriebe erwarten einen Mittleren Bildungsabschluss, aber auch mit Hauptschulabschluss lohnt sich laut Dehoga eine Bewerbung. Die Ausbildung findet im Betrieb und in der Berufsschule statt. Verdienst laut Arbeitsagentur: Erstes Ausbildungsjahr: 800 bis 1100 Euro. Zweites Jahr: 875 bis 1200 Euro. Drittes Jahr: 950 bis 1300 Euro.

Selbstständig kann sich jeder machen. sabix

Die Rückkehr zur höheren Mehrwertsteuer ab Januar und die Ungeduld mancher auswärtiger Gäste bereiten Dana ein paar Sorgen, doch insgesamt lässt sie sich ihre gute Laune nicht verderben. Will sie sich selbst Gutes tun, startet sie eine Shoppingtour durch Bad Mergentheim oder sie gönnt sich eine Erholungszeit im „Solymar“ oder sie freut sich auf den nächsten (Kurz-)Urlaub in Deutschland beziehungsweise die kommende Gruppen-Wanderreise, die 2024 beispielsweise nach Norwegen führt.

Mit viel Herzblut, Leidenschaft und guter Laune stürzt sich Dana übrigens auch in ihre Sonderschichten, die unser Reporter nicht begleitete. Dann werden Maultaschen, Grünkernküchle oder Serviettenknödel in rauen Mengen hergestellt und portionsweise eingefroren. Das läuft so ab: „Abends nach Feierabend, gegen Mitternacht, gehe ich in meine Küche, drehe ich meine Lieblingsmusik im Radio auf und öffne eine gute Flasche Wein. Ich bin dann ganz in meinem Element und schaffe über mehrere Stunden vor mich hin, manchmal bis 5 Uhr in der Frühe, und freue mich am Ende über 200 gelungene Grünkernküchle oder 500 Stück Maultaschen.“

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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