Tauber-Odenwald. Die Finanzierung des ÖPNV sei eine „irrsinnige Belastung“ für den städtischen Haushalt, erklärte jüngst Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Man sei dringend auf andere Finanzierungen angewiesen. Neben Mentrup sehen das auch andere Bürgermeister des Landes so und fordern zusätzliche Finanzquellen für den ÖPNV.
Die grün-schwarze Landesregierung reagiert und plant die Möglichkeit einer sogenannten Mobilitätsabgabe. Städte und Landkreise in Baden-Württemberg könnten nach Berechnungen des Verkehrsministeriums mit der Einführung dieses Mobilitätspasses viele Millionen Euro für den Ausbau des ÖPNV erzielen.
Sollten sich Kommunen für eine solche Abgabe entscheiden, haben sie nach Plänen der Landesregierung die Wahl zwischen vier Varian-ten. Alle beinhalten Gutscheine zur Nutzung des ÖPNV als Gegenleistung für die Gebührenzahler. Unterschiedlich ist in den Plänen nur der Kreis der Zahlungspflichtigen: Sowohl pauschal für alle, für KfZ-Halter, für Arbeitgeber oder als eine Art Maut für alle Autofahrer.
Die FN wollten von den Kommunen der Region Tauber-Odenwald wissen: Wie stehen sie zu den Plänen einer Mobilitätsabgabe? Kommt auf die Bürger oder Firmen der Landkreise Main-Tauber und Neckar-Odenwald womöglich bald eine solche Abgabe zu? Und wie viel Geld fließt eigentlich derzeit in den ÖPNV?
In Lauda-Königshofen, Tauberbischofsheim und Wertheim sieht man die Zuständigkeit beim Landkreis, zumal man selbst nur begrenzte eigene Angebote vorhalte. Daher hat man sich beispielsweise in der Kreisstadt „derzeit mit dem Thema einer möglichen Nahverkehrsabgabe noch nicht beschäftigt“, wie aus dem Rathaus zu hören ist.
Nur für Zusatzangebote
In Bad Mergentheim begrüßt die Verwaltung grundsätzlich zwar jede Stärkung des Nahverkehrs, sieht die geplante Abgabe aber kritisch. „Das Instrument der Nahverkehrsabgabe sehen wir nur in größeren Kommunen als vermittelbar an, da diese den öffentlichen Nahverkehr in einer ganz anderen Vielfalt und in einem ganz anderen Umfang anbieten können“, erklärt Pressesprecher Carsten Müller. Über ein Tochterunternehmen betreibe man lediglich den Stadtbus, der jährlich 545 000 Euro kostet und nach Verrechnung mit den Einnahmen einen durchschnittlichen Verlust von rund 230 000 Euro im Jahr verzeichnet.
Abwartend und eher skeptisch zeigt sich das Landratsamt des Main-Tauber-Kreises. Eine solche Abgabe könne lediglich für die Finanzierung besonders attraktiver, über ein vom Land zu finanzierendes Grundangebot hinausgehende Leistungen sinnvoll sein, teilt Pressesprecher Markus Moll mit. „Derzeit wird in drei baden-württembergischen Modellkommunen im Detail geprüft, welche Auswirkungen die Einführung eines Mobilitätspasses hätte. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten. Zudem ist vom Land zunächst eine gesetzliche Grundlage für eine solche Abgabe zu schaffen“, erklärt er die zögernde Haltung des Landkreises.
Millioneninvestment
Bereits jetzt ist der ÖPNV im Main-Tauber-Kreis ein Millioneninvestment. 8,1 Millionen Euro, davon 2,6 Millionen aus Mitteln des Kreises, werden allein 2024 hierfür verwendet. Für Zusatzverkehr im Schulbereich und Förderung der Tickets kommen noch weitere 3,5 Millionen Euro hinzu.
Mit dem Ausbau von Rufbusangeboten, der Einrichtung von Mobilitätszentralen in Wertheim und Bad Mergentheim sowie der geplanten Zentrale in Lauda, einer finanziellen Beteiligung am stündlichen Regelbetrieb der Bahn und Regiobussen sowie dem Ausbau barrierefreier Haltestellen verbessere man seit Jahren kontinuierlich die ÖPNV-Angebote, so Moll weiter.
Mit Blick auf das Grundniveau sieht Buchens Bürgermeister Roland Burger die Bedingungen für die Abgabe (noch) nicht erfüllt. Die Stadt finanziere mit eigenen Mitteln (rund 130 000 Euro jährlich) einen Stadtbus, der Rest des öffentlichen Nahverkehrs sei keine städtische Aufgabe. „Auf keinen Fall darf eine solche Nahverkehrsabgabe zur Finanzierung des ÖPNV-Grundangebots herangezogen werden. Die Basisinfrastruktur muss vom Land finanziert werden“, macht er deutlich. Dies geschieht seiner Meinung nach bislang nicht.
Er verweist zudem auf eine Rede von Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. Dieser hatte die Verwendung der Mittel im Bereich des ÖPNV grundsätzlich kritisiert. Mit rund drei Milliarden Euro ein Deutschlandticket zu subventionieren, während gleichzeitig keine ausreichende Infrastruktur zur Verfügung stehe, sieht Jäger kritisch. „In den ländlichen Räumen strahlen hingegen oftmals weder die Dichte des Netzes noch die Taktung im Fahrplan eine besondere Attraktivität aus. Um beides zu verändern, müsste kräftig in zusätzliche Verkehre und Linien investiert werden. Würde man die bereitgestellten drei Milliarden Euro dafür verwenden, wäre einiges an zusätzlichen ÖPNV-Angeboten möglich“, führt er weiter aus.
Letztlich, so die Kernaussage des Gemeindetagspräsidenten, hat die Politik in Sachen Verkehrspolitik den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht. Da wirkt in seinen Augen das Konzept der Nahverkehrsabgabe dementsprechend wenig plausibel. „Es stellt sich dann aber schon die Frage, wie der Gedanke eines Mobilitätspasses – das ist ja letztlich nur ein schöneres Wort für die Nahverkehrsabgabe – in diese Logik passen soll? Bund und Länder versprechen günstigere Tickets, und die Kommunen sollen den Menschen die Rechnung dafür schreiben. Aus kommunaler Sicht ist dieser Ansatz nicht ganz so reizvoll“, beendet Jäger mit gewissem Sarkasmus seine Ausführungen.
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