Bad Mergentheim. Es ist eine Sommernacht im Juni 2023, als eine junge Ärztin des Caritas-Krankenhauses gegen 1 Uhr auf eine Station gerufen wird. Ein Mann sei unruhig in seinem Zimmer, schildert die Nachtschwester, sie höre laute Geräusche und traue sich nicht selbst hinein.
Die Ärztin kommt zur Station, wo ihr der Mann aus einem Personalzimmer entgegen kommt. „Er kam auf mich zu, war sehr aufgebracht, hat wild gestikuliert und mich in eine Ecke gedrängt“, beschreibt die Medizinerin nun vor dem Amtsgericht die Vorgänge des besagten Abends. Mit „kräftigem Druck“ hält er ihren linken Arm fest und versucht wiederholt, sie wegzuziehen.
„Schwierige Patienten hat man in der Neurologie zwar öfter, aber ein körperlicher Übergriff ist eher ungewöhnlich, zumal das mein erstes Jahr im Berufsleben ist“, antwortet die Frau auf die Frage, ob der Vorfall sie noch beschäftige.
Die schnell dazu gerufene Polizei kann den gebürtigen Guineer auch nicht beruhigen. Erst nach lauter Aufforderung durch einen Beamten lässt er die Ärztin zwar los, widersetzt sich danach jedoch derart massiv polizeilichen Maßnahmen, dass erst mit Verstärkung und der Hilfe von Pflegern eine Fixierung des Mannes mittels Handschellen gelingt. In einer „psychischen Ausnahmesituation“ habe sich der Mann nach Angaben eines beteiligten Polizisten befunden, ein „leerer Blick“ sei ihm aufgefallen.
Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Ellwangen gegen den 34-Jährigen, der seit seiner Flucht aus Guinea (Afrika) vor fünf Jahren in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Main-Tauber-Kreis lebt.
Der Angeklagte, ein groß gewachsener Mann, wirkt fahrig vor Gericht, selbst mit einer Dolmetscherin für Französisch ist nicht jede Aussage zu verstehen. Er wolle sich entschuldigen für die Vorkommnisse, erinnere sich jedoch an nichts mehr. Viel mehr war seinerseits zu dem Vorfall nicht zu hören. So viel noch: „Nur wenig“ habe er getrunken, Drogen nehme er keine, lässt er Richterin Susanne Friedl wissen. Ansonsten beschränkt er sich auf vielfältige Entschuldigungen und gestenreiche Kommunikation mit seiner Übersetzerin, seinem Betreuer und der Richterin.
Das Bad Mergentheimer Krankenhaus gewann jedoch einen anderen Eindruck des Patienten, der bereits mit Hand- und Fußfesseln von der Polizei eingeliefert wurde. Ein Alkoholmissbrauch sei bekannt und auch der Krampfanfall, der Grund für die Einlieferung, sei im Rahmen eines Entzuges entstanden.
Nicht das erste Mal auffällig
Erschwerend kommt hinzu, dass der Angeklagte nicht das erste Mal in Erscheinung trat. Im Raum Tauberbischofsheim sei er den Kollegen schon mehrfach aufgefallen, schildert der Bad Mergentheimer Polizist in seiner Aussage weiter. Schon vor seiner Einlieferung ins Caritas habe er in Tauberbischofsheim für Aufsehen gesorgt, wiederholt Passanten und Mitbewohner der Flüchtlingsunterkunft bedroht und sei auch gegenüber der Polizei nicht zum ersten Mal aggressiv gewesen, geht aus der Anklageschrift hervor.
Wie aus den Akten hervorgeht, ist der Mann wohl schwer vorerkrankt. Es bestehe der Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Alkohol- und Drogenabhängigkeit, einer Epilepsie und einer Psychose nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Durch diese Erkrankungen sei er kognitiv eingeschränkt.
„Es besteht eine erhebliche Gefährdung fremder Rechtsgüter“, erklärt Richterin Friedl. Es geht also nach dieser Einschätzung durchaus Gefahr für Dritte vom Angeklagten aus.
„Es geht jetzt darum, prüfen zu lassen, inwiefern der Angeklagte so gefährlich für die Gesellschaft ist, dass er geschlossen untergebracht werden muss“, verweist Friedl auf entsprechende Paragrafen. Es sei unklar, inwiefern hier eine gesundheitsbedingte Schuldunfähigkeit vorliege. Da die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung nicht am Amtsgericht geprüft werden kann, wird das Verfahren nun am Landgericht Ellwangen fortgeführt.
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