Bad Mergentheim. Am frühen Freitagabend herrschen immer noch tropische Temperaturen und im Polizeirevier der Badestadt bereitet man sich auf eine ganz besondere Verkehrskontrolle vor. Neben acht Beamten und einer Praktikantin vom Revier Bad Mergentheim kann der Revierleiter, Erster Polizeihauptkommissar Olaf Bamberger, auch drei Polizisten von der Verkehrspolizei (Verkehrsdienst) Distelhausen sowie Christian Völkel, den Fachbereichsleiter „Ordnung und Soziales“ der Stadtverwaltung, begrüßen. Das hat einen Grund: Die Kontroll-Aktion ist ein Gemeinschaftswerk von Polizei und Ordnungsamt.
„Wir haben diese Kontrolle beantragt“, erklärt Völkel, „und die Polizei hat sie kurzfristig angesetzt“.
Nicht um typische Verkehrsverstöße wie zu schnelles Fahren oder Falschparken soll es heute gehen, sondern um „Posing“. Und das ist „zum einen ein am Fahrwerk verändertes, mit überbreiten und großen Reifen, folierten Scheiben und Rücklichtern ausgestattetes Fahrzeug, das dann durch Aufheulenlassen des Motors, schnelles Beschleunigen, abruptes Bremsen, quietschenden Reifen und lärmenden Hin- und Herfahren (Cruisen) auffallen soll“, erklärt Bamberger dem Reporter. Damit würde nicht nur Aufmerksamkeit für das vielfach getunte Auto (und den Fahrer!) erheischt, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer „verunsichert, beeinträchtigt und gefährdet, wobei Fußgänger und Radfahrer besonders betroffen sind“. Dazu komme noch die Ruhestörung.
Anwohner belästigt
„Die Anwohner an solchen Poser-Strecken fühlen sich zu Recht belästigt“, verdeutlicht der Revierleiter die Problemlage. Noch gebe es hier „keine Szene“ wie etwa in Stuttgart, Heilbronn oder Mannheim, dennoch aber zahlreiche entsprechende Fahrzeuge. „Auch hier sind Poser unterwegs“, weiß Bamberger, und Völkel stimmt ihm zu. „Ich sehe und höre es ja, wenn ich in meiner Wohnung bin.“ Und: „Wir bekommen ja immer wieder Beschwerden von Anliegern.“ Einig sind sich die beiden im Ziel, „dass wir das hier nicht wollen“ und deshalb heute „Präsenz zeigen. Die Poser sollen merken, dass wir sie im Auge haben“, betont der Revierleiter.
Gleich an zwei Orten soll das geschehen: Auf dem Bahnhofsvorplatz beziehen die Beamten den einen, in der Wilhelm-Frank-Straße den anderen Kontrollpunkt. Und dank der guten Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung kann die Werkstatt des Bauhofes genutzt werden – und, soviel sei vorab gesagt, sie wird gebraucht.
Kaum am Bahnhofsvorplatz angekommen, erlebt der Reporter um 19.15 Uhr die erste Kontrolle. Ein schweres Motorrad hat die Beamten aufmerksam gemacht – und dann folgt, wie bei solchen Kontrollen üblich, das volle Programm: Papiere, Reifenprofil, Zustand des Fahrers, Blick auf die Auspuffanlage. Die Beamten sind freundlich, der Fahrer kooperiert, so ist die Sache schnell beendet. Es gibt keine Beanstandungen. „Gute Fahrt“, sagt einer der Beamten, der Biker nickt und sagt „Tschüss“.
Immer informiert sein
Heißgemachter BMW
Nur eine Viertelstunde später, im Bauhof, steht ein heißgemachter BMW auf der Grube. Die Polizisten haben ihn in der Wilhelm-Frank-Straße herausgewunken und zum Bauhof geleitet. Schon optisch fällt der schwarze 5er auf: Vierfach-Auspuff, tiefergelegtes Fahrwerk – das steht für Power. Unter der Motorhaube fällt der Blick auf einen freiliegenden Luftfilter, und beim Nummernschild ist der Euro-Sternenkranz mit dem weißen D nicht blau, sondern mattschwarz hinterlegt. Die Beamten arbeiten routiniert, der Umgangston ist auch hier korrekt, ja geradezu höflich, und zwar von beiden Seiten.
Bei der Kontrolle der Papiere stellt sich heraus, dass weder das tiefergelegte Fahrwerk noch die Auspuffanlage eingetragen sind. Zu laut ist sie auch noch, wie die fachkundig durchgeführte Messung ergibt. „Das Fahrzeug ist sichergestellt und muss bei TÜV oder Dekra vorgeführt werden“, klärt ein Beamter den Fahrer auf.
Kaum zurück am Bahnhofsvorplatz, wird dort ein schwarzer S-Klasse-Mercedes älterer Bauart einer Kontrolle unterzogen. Der junge Mann am Steuer erklärt, den Wagen „so, wie er da steht“ erst vor drei Wochen in Stuttgart gekauft zu haben. „Das ist jetzt für mich blöd, hier zu stehen“, meint er. Alles ist in Ordnung, nur die dunkle Folie auf den Rücklichtern wird moniert. Ein Mängelbericht wird ausgefüllt.
Da kommt auch schon ein Audi A6, dann ein BMW-Kombi – tiefergelegt und vorne und hinten unterschiedlich große Reifen, zudem auffallend wenig Platz im Radkasten. Doch sie können ihre Tour nach der Kontrolle fortsetzen.
In flotter Folge werden weitere Fahrzeuge herausgewunken – auch eine Harley ist dabei. Dessen Lenker darf ebenfalls weiterfahren, allerdings mit der Auflage, die genehmigte Klappenverstellung bei der Auspuffanlage nicht zu benutzen, also „leise“ zu fahren.
Später wird Bamberger wieder per Funk zum Bauhof gerufen, denn dort haben seine Kollegen einen richtig dicken Fisch im Netz. Der Anblick der – aktuellen – und von einem bekannten Tuner aufgemotzten S-Klasse-Limousine ist geradezu atemberaubend. Der zweite Blick macht deutlich, was da alles unter dem Blech ist und regelrecht „Kontrollier’ mich!“ schreit. Ein Polizist fasst es knapp zusammen: „Reifen, Felgen, Fahrwerk, Auspuff.“ Der Gang in die Grube offenbart auch dem Reporter das „Grauen auf Rädern“ – der Vorschalldämpfer wurde verändert, der Hauptschalldämpfer durch zwei eingeschweißte Rohre ersetzt. „Wegen der Manipulation der Auspuffanlage ist die Zulassung erloschen“, sagt Völkel. Noch während die Beamten den Schallpegel messen, weiß der Fahrer schon, dass er mit seinem Fahrzeug heute nicht mehr vom Bauhof kommt. „Der Wagen ist sichergestellt“, erklärt einer der Polizisten. Ein herbeitelefonierter Bekannter holt den Fahrer und seine Passagiere ab.
Viel zu protokollieren
Auch ein Golf Cabrio („Erdbeerkörbchen“), Sonderausstattung „Röhrender Hirsch“, wird noch inspiziert. Auch da haben die Beamten viel zu protokollieren.
Es ist kurz vor 23 Uhr, als die Aktion offiziell beendet wird. „Wir waren sehr erfolgreich“, bilanziert Revierleiter Olaf Bamberger. Auch Christian Voelkel ist zufrieden, denn „die Polizei hat deutlich gemacht, dass die Stadt kein Show- und Rennkurs ist“.
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