Verkehr - Bis zu 450 Verkehrszeichen müssen auf Wertheimer Gemarkung pro Jahr ausgetauscht werden / Stadt zahlt jährlich rund 15 000 Euro für Ersatz

Geschichten aus dem Schilderwald

Von 
Heike Barowski
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Diebstahl, Unfallfolgen, Beschmierungen – die Liste der Ursachen für den Austausch eines Verkehrsschilds ist lang– auch in Wertheim. Und jährlich kommen noch etliche neue dazu.

Wertheim. In einer Pressemitteilung der Polizei war am vergangenen Montag folgendes zu lesen: „Im Rahmen einer Verkehrskontrolle an der Staatsstraße 2309 wurde am Montag, 10. August, gegen 3.20 Uhr ein Pkw angehalten und dessen Insassen überprüft. Dabei wurden vier Verkehrszeichen im Kofferraum vorgefunden, welche Fahrer und Beifahrer nach eigenen Angaben im Raum Miltenberg zuvor entwendet hatten. Wo genau die Verkehrszeichen fehlen, ist bislang noch nicht geklärt. Die Schilder wurden der Straßenmeisterei übergeben, die ertappten Langfinger müssen sich wegen Diebstahls verantworten.“

Nicht Wenige haben nach dem Lesen des Artikels in der Dienstagsausgabe lächeln müssen. Und viele Leser haben sich dann vermutlich gefragt: Wer klaut denn Straßenschilder und vor allem warum?

„Das sind in der Regel Dummejungenstreiche“, sagt Horst Mattern. Der Mitarbeiter der Stadt ist im Referat Tiefbau für die Straßenunterhaltung zuständig und damit auch für die aufgestellten oder aufzustellenden Schilder, die nicht an Kreis- oder Landstraßen stehen. Für letztere ist die Straßenmeisterei zuständig. Mattern hat wenig Verständnis für die oben beschriebene Straftat.

Laut StVO gibt es in Deutschland rund 500 verschiedene Verkehrszeichen, bundesweit aufgestellt sind etwa 20 Millionen. Die Anzahl der aufgestellten Verkehrs- und Hinweisschilder, um die sich die Stadt kümmert, kann Mattern nicht beziffern. Anders als bei den Bäumen in Wertheim gibt es für die Schilder kein Kataster. „Das wird in den nächsten Jahren auf jeden Fall kommen“, verspricht er. Zur Zeit arbeitet Mattern an einem Straßenkataster, in dem auch die Schäden erfasst werden. Dieses Verzeichnis will er dann Schritt für Schritt ausbauen.

Auch das gab es

Etwa drei Schilder werden pro Jahr übrigens auf Wertheimer Gemarkung im Zuständigkeitsbereich der Stadt laut Mattern geklaut. So waren eines Tages die Ortseingangsschilder in Sonderriet und Nassig verschwunden. Auch das Ortsschild von Mondfeld Richtung Fähre war plötzlich weg. „Aber hier gab es eine Besonderheit“, erzählt Mattern und muss ein wenig schmunzeln. Denn einige Zeit später tauchte das Schild an seinem angestammten Platz wieder auf.

Sehr zur Freude der Behörde und der Steuerzahler. Denn der kommt letztendlich für die anfallenden Kosten auf, wenn der Verursacher nicht bekannt ist. Eine Ortstafel könne durchaus schon mal 130 Euro kosten, abhängig von der Beschriftung. Ein Verkehrsschild schlägt je nach Größe im Schnitt mit 40 Euro zu Buche. „Die Kosten für ein neues Straßennamensschild richten sich nach der Anzahl der Buchstaben“, sagt Mattern. Hier liegen die Preise im dreistelligen Bereich.

Etwas mehr Schilder müssen jedoch als Folge von Zusammenstößen ersetzt werden. Hier sind pro Jahr von der Stadt bis zu 30 Schilder auszutauschen. „In etwa 50 Prozent dieser Fälle kennen wir den Verursacher und können ihn zur Kasse bitten“, sagt Matern.

Noch höher ist der Anteil der beschmierten, besprühten oder beklebten Schilder, die ausgewechselt werden müssen. Hotspot“ für Schilderklau und mutwillige Beschädigung ist die Altstadt, so Mattern. Die „verunzierten“ Schilder müssen in der Regel ausgetauscht werden, denn oftmals wird beim Abziehen der von Schmutzfinken aufgebrachten Aufkleber die Spezialschicht beschädigt. Diese Schicht bewirkt das Reflektieren bei Nacht.

Ursachen für den weitaus größten Anteil des Schildertauschs sind jedoch Verschmutzungen oder typische Alterserscheinungen, wie das Verblassen.

Spezialreiniger

Erhält das Tiefbauamt einen Anruf aus der Bevölkerung oder stellt ein Mitarbeiter bei Straßenkontrollen Verschmutzungen fest, werden die Schilder mit einem Spezialreiniger vom Dreck befreit, um die Reflektionseigenschaft nicht zu zerstören. Anders als beispielsweise in einem Stadtteil in Hamburg. Laut eines Fernsehberichts wird dort aus Kostengründen auf die Reinigung der Verkehrsschilder verzichtet, sie werden grundsätzlich gegen neue ausgetauscht.

Apropos Kosten. Nicht selten ist der Pfosten des Verkehrsschildes bei einem Unfall ebenso betroffen. Muss ein neuer her, wird eine Rechnung von 30 Euro fällig. Dazu kommt dann noch die Arbeitszeit des Bauhofmitarbeiters beim Aufstellen und Montieren.

Horst Mattern schätzt, dass die Stadt rund 15 000 Euro pro Jahr für neue Schilder, Pfosten und die notwendigen Arbeiten ausgeben muss. Inklusive Straßennamenschilder ersetzt oder tauscht die Stadt rund 300 Schilder jährlich aus.

Dazu kommen auf Wertheimer Gemarkung noch bis zu 150 Schilder im Jahr, die von der Straßenmeisterei Wertheim an Land- und Kreisstraßen ersetzt werden müssen. „Die Anzahl richtet sich oft nach der Zahl der Verkehrsunfälle“, erklärt Wertheims Dienststellenleiter Martin Winkler. Etwa 40 Prozent machen beim Schildertausch die Unfälle aus, 60 Prozent werden durch Alterungserscheinungen fällig. Dazu zählt auch das Nachlassen der Reflektion. „Um diese Eigenschaft der Schilder zu überprüfen, führen wir zweimal pro Jahr eine Nachtkontrollfahrt durch“, so Winkler.

Mit Diebstählen hat auch die Straßenmeisterei nicht oft zu tun. Im vergangenen Jahr wurde allerdings in Vockenrot an der Kreisstraße das Ortsschild gestohlen.

Noch gut in Erinnerung ist Winkler auch der Diebstahl in Werbach von gleich drei Ortseingangsschildern auf einen Schlag. Über das Vertauschen der Schilder hingegen kann er nur schmunzeln. „Das sind oft Streiche in der Nacht zum 1. Mai, der Walpurgisnacht. Diese Scherze zu beheben, ist nur mit Arbeit verbunden“, sagt er. Über den Diebstahl eines Ortsschildes jedoch kann er nicht mehr lachen. Immerhin könnte ein nicht vorhandenes Ortseingangsschild schwere Folgen haben, weil Autofahrer ihre Geschwindigkeit nicht reduzieren.

Muss ein Schild ersetzt werden, fallen auch beim Landratsamt entsprechende Kosten dafür an. Wie Winkler erklärt, liegen diese aufgrund der deutlich größeren Abnahmemenge geringfügig unter denen der Stadt. Allerdings kostet ein drei auf drei Meter großer Wegweiser schnell mal 1000 Euro. Mit Verankerung und Arbeitsaufwand liege man sogar bei insgesamt 3000 Euro für diese Hinweistafel.

Gereinigt werden die großen Schilder übrigens im Rahmen der Leitpfostenwäsche. „Früher haben wir dafür Chemie verwendet, heute wird die Reinigung nur noch mit klarem Wasser gemacht“, sagt Winkler.

25 neue Schilder

Pro Jahr kommen übrigens auf Wertheimer Gemarkung allein durch die Stadt rund 25 neue Schilder dazu. „Wir reden immer von der Entbürokratisierung. Bei den Schildern erleben wir seit längerer Zeit genau das Gegenteil“, weiß Volker Mohr, Leiter des Wertheimer Ordnungsamtes. Immer mehr Bürger fordern beispielsweise zusätzliche Schilder, die auf die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit innerorts noch einmal ausdrücklich hinweisen.

„Für jedes neu aufzustellende Schild braucht es eine verkehrsrechtliche Anordnung, also den rechtlichen Hintergrund“, sagt Mohr. In der Anordnung sind die Gründe für das Aufstellen genau dokumentiert. Mohr erinnert sich an einen Fall, bei dem ein Autofahrer ein Geschwindigkeitsbegrenzungsschild übersah und dann klagte. Bei der anschließenden Verhandlung wurde festgestellt, dass es für das vor vielen Jahren aufgestellte 80er Schild keine verkehrsrechtliche Anordnung gab. Das Schild musste entfernt werden, der Kläger brauchte die Strafe für seine Raserei nicht bezahlen – so geschehen in Külsheim.

Und noch ein Umstand sorgt dafür, dass Mohr den Kopf schüttelt: die Zunahme von sogenannten „Erklärschildern“. Die sind inzwischen mehrfach in Wertheim anzutreffen. So steht unter dem Schild „verkehrsberuhigter Bereich“ (Spielstraße) an der Main-Tauber-Halle extra ein weiteres Schild, dass die Autofahrer dazu auffordert, Schritt zu fahren. „Eigentlich völlig unnötig“, meint Mohr. Die Verkehrsvorschriften in einer Spielstraße sind eindeutig.

Ein weiterer Fall ist an der neuen Tauberbrücke zu sehen. Hier gesellt sich zum Hinweis auf den Fußweg noch das Schild mit der Aufforderung an die Radfahrer, abzusteigen.

Von „Schildbürgern“ will der Leiter des Ordnungsamtes aber noch nicht reden – nur von Verkehrsteilnehmern, die sich nicht an die Regeln halten, und Bürgern, die davon genervt sind.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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