Bad Mergentheim. Martina Ghidelli und Selina Hügel wohnen in Hanglage. Die beiden Gymnasiastinnen sind gern sportlich unterwegs. Wer über der Kurstadt wohnt, kommt mit dem Longboard flink ins Tal. Zu flink, vielleicht? Und auch noch auf dem Schulweg? Wär’ doch fatal, blessiert beim Deutschorden-Gymnasium anzukommen. Die beiden jungen Damen haben sich im Rahmen des Jugend-Erfinderwettbewerbs „Kreative Köpfe“ für Schülerinnen und Schüler aus dem Oberen Bezirk der Problematik angenommen und sich der Erfindung einer Longboard-Bremse gewidmet.
Überlegt und zusammengetan
Nun ist ein Longboard für Ungeübte ohnehin eine wacklige Angelegenheit, zu lenken durch gekonnte Gewichtsverlagerung, zu bremsen im Normalfall mit dem Schuhabsatz. Viel komfortabler wäre doch eine Art beim Bremsvorgang über die Räder schleifende Rollerbremse, überlegten die Mädchen – und vereinbarten beim „Kick off“-Meeting mit den kooperierenden Firmen einen Besuch bei Roto Frank. Die Spezialisten in Sachen Dachsystem-Technologie stellen heuer bereits im 14. Jahr Experten in den Dienst der kreativen Tüftler und begleiteten die jungen Erfinder unter anderem bei der Umsetzung eines smarten Kinderbetts, einer Solarjalousie und eines intelligenten Rollators.
Jetzt also die Longboard-Bremse. Mit dem angehenden Mechatroniker Robin Pabel – Auszubildender im dritten Lehrjahr – diskutierten sie Möglichkeiten, bogen in der Lehrwerkstatt Bleche, bohrten und ertüftelten einen ersten Prototyp. Fein, aber die in der ersten Version entwickelte, direkt auf die Räder einwirkende Bremskraft ging zu Lasten der Lenkbarkeit. Neu denken, neu entwickeln: Jetzt klappt’s perfekt, die Unfallgefahr ist deutlich reduziert.
Gleich zwei Projekte
Mit gleich zwei Projektbetreuungen engagiert sich die Palux-AG in dieser Jubiläums-Saison für die erfindungsreichen Schülerinnen und Schüler. Der Hersteller hochwertiger Großkücheneinrichtungen für Hotellerie und Gastronomie begleitet seit einem Dutzend Jahren die jungen Erfinder. Zwei bis drei Projekte jährlich wurden hier realisiert, darunter so spannende Ideen wie ein Pkw-Camping-Einbau oder auch der extrem ambitionierte Versuch, ein Perpetuum Mobile zu entwickeln.
In diesem Jahr sind die Projekte dichter dran am Lebensumfeld der jungen Käpsele, denn auch im Klassenzimmer und in der Wohnung gibt es schon mal Probleme, für die clevere 13-Jährige Lösungsideen entwickeln.
Da ist etwa das Dreierteam aus der Eduard Mörike-Gemeinschaftsschule Bad Mergentheim. Adam El-Mida, David Papelier und Kampa Levi ging die Unsitte, während des Unterrichts auf dem Stuhl herumzukippeln, auf die Nerven: Okay, es kann schon mal dabei helfen, sich eine Mini-Unterrichts-Auszeit zu gönnen, aber es stört nicht nur den Unterricht, die Mitschüler, Klassenkameradinnen und Lehrkräfte, sondern kann auch schon mal dazu führen, dass sich Kippler auf dem Fußboden wiederfinden. Wie kriegt man nur den kippelresistenten Stuhl gebaut?
Saugnäpfe?
Grübeln, planen, diskutieren. Am Boden festschrauben? Ein Unding. Fixierung durch Saugnäpfe? Die würde wohl neue Bodenbeläge erfordern. Ein zusätzlicher Stuhlausleger? Bräuchte mehr Platz im Klassenzimmer und wäre wohl auch eine fiese Stolperfalle. Der Dreh, den sie in acht Arbeitseinheiten bei Palux zum Prototyp entwickelt haben, ist eigentlich ganz einfach. Spannend war es für sie, gemeinsam mit Azubis die Edelstahlfertigung zu erleben. Jetzt sind sie schon ganz gespannt auf die Preisverleihung am 25. Mai.
Mit sehr klaren Vorstellungen ihrer Idee hatte sich die 13-jährige Weikersheimer Gymnasiastin Dana Sturm bei der Kick Off-Veranstaltung im Januar ans Palux-Team gewandt: Sie hat wie ihre Mutter ein Herz auch für kleine Tierchen. Fliegen, Wespen, Spinnentiere gehören raus in die Natur. Doch muss es wirklich sein, dass man mit einem Blatt Papier und einem Glas als sicherem Transportgefäß auf die Insektenjagd geht? Bei ihren Palux-Arbeitsbesuchen ging es um Feinheiten wie etwa die genaue Konstruktion des Insektenfänger-Klappverschlusses. Auch sie kennt sich inzwischen gut aus in der Ausbildungswerkstatt des Unternehmens. Eifrig wirkte sie mit an der Gestaltung der CAD-Zeichnungen und nutzte engagiert auch heimische Werkmöglichkeiten.
Mit Spaß dabei
Es mache Spaß, sich der jungen Erfindergeneration anzunehmen, berichten Personalleiterin Constanze Peterseim und Michael Müller, Leiter Werkzeugbau und Ausbildung. Toll sei es, mitzuerleben, wenn die Augen plötzlich begreifend aufleuchten, weil Theorie und Praxis zueinanderfinden, und faszinierend sei auch der Umgang mit den so unterschiedlichen jungen Persönlichkeiten.
Nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für die an den jeweiligen Projekten beteiligten Azubis ist die Zeit lehrreich. Und hin und wieder – bei Palux gab’s das schon – komme auch ein vor ein paar Jahren im Haus betreuter Kreativer Kopf als Auszubildender zurück.
Im Jubiläumsjahr des Wettbewerbs ist das Urteil der Firmen, die sich den Kreativen Köpfen mit recht hohem Zeit- und Personalaufwand widmen, einhellig positiv: Die Jugendlichen bekommen eine Vorstellung von der Arbeitswelt – und die Firmen eine Vorstellung davon, wie ihre nächste Azubi-Generation ticken könnte.
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