Russischer Angriffskrieg in der Ukraine - Eine Frau aus der Region berichtet / Oberbürgermeister Udo Glatthaar ist entsetzt und spricht über Vorbereitungen für Flüchtlinge

Frau aus der Region Bad Mergentheim: „Ich bin voller Sorge um meinen Vater in Kiew”

Von 
Sascha Bickel
Lesedauer: 
Die Zivilbevölkerung in der Ukraine erfährt viel Leid durch den Krieg. © dpa

Bad Mergentheim. Täglich sterben Menschen in der Ukraine. Der Angriffskrieg Russlands entsetzt die Welt und auch den Bad Mergentheimer Oberbürgermeister, der klare Worte findet. Um Worte ringen muss dagegen eine Frau, die schon lange Zeit in der Region um Bad Mergentheim lebt und aus der Ukraine stammt. Ihr fast 90-jähriger Vater wohnt immer noch in Kiew, Verwandte ebenso. Sie hat große Angst um ihn und alle Bürger ihrer Heimat.

„Noch gibt es die Telefonverbindung. Ich rufe mehrmals täglich an. Ich bin voller Sorge und Ohnmacht“, schildert die Frau, die anonym bleiben möchte (Name der Redaktion bekannt), unserem Reporter im Gespräch. Ihr Vater geht auf die 90 zu, ist stark pflegebedürftig und habe „glücklicherweise eine feste Betreuerin“. Diese habe sich bei ihm in der Wohnung im nördlichen Teil der Hauptstadt mit einquartiert und kümmere sich um ihn. Die Betreuerin berichte am Telefon von Explosionen in der Nacht und einem dauernden Grollen „bislang zum Glück nur in der Ferne“.

Viele andere Pflegekräfte seien abgereist – „ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie weiter meinen Vater versorgt, ich kann ja aktuell gar nichts machen und komme jetzt auch nicht mehr zu meinem Vater durch“, beschreibt sie und erzählt, dass Strom und Heizung in der Wohnung ihres Vaters wohl noch funktionieren, die Fenster abgeklebt seien aus Angst vor Zersplitterung und russische Truppen in der Nähe des fünfstöckigen Mehrfamilienhauses noch nicht gesehen wurden. Ein großes Problem sei die Lebensmittelversorgung laut der Betreuerin, da den Geschäften keine Waren mehr geliefert würden.

Immer informiert sein

Die wichtigsten News des Tages

FN Mittags Newsletter - Jetzt anmelden!

Mehr erfahren

„Ich fühle mich hilflos und bin wütend, denn ich verstehe den Angriff auf unser Land nicht. Putin ist verrückt“, sagt sie und ergänzt dann noch, dass ihre erwachsene Tochter auch in Deutschland lebt und bereits eine Freundin mit deren zwei Kindern bei sich zu Hause aufgenommen hat. Sie hatten es geschafft, mit einem Zug aus Kiew noch herauszufahren, wobei es „sehr eng und voll war, denn sehr viele Menschen sind auf der Flucht“, fügt sie traurig an.

„Ich bin fassungslos“

„Ich bin fassungslos und entsetzt über diesen Angriffskrieg Russlands auf das Nachbarland Ukraine“, stellt auch Oberbürgermeister Udo Glatthaar gleich zu Beginn des Telefonats mit unserem Reporter klar. Die vielen Toten und das große Leid für die ukrainische Bevölkerung seien schrecklich. „Putin ist zu einem kalten und brutalen Diktator geworden und er versucht, die Geschichte wieder zurückzudrehen. Er lässt alte Machtansprüche der ehemaligen Sowjetunion wieder aufleben“, beklagt Glatthaar und verweist alle Behauptungen Putins für Massaker an russischen Bürgern in der Ukraine in die Welt der Märchen, denn dafür gebe es überhaupt keine Belege. Es sei lediglich ein weiterer Vorwand für den bitteren Krieg, der so viel zerstöre.

Glatthaar bedauert im Nachhinein, dass die Krim-Annexion durch Putin 2014 nicht noch härter sanktioniert wurde „und ohne große Folgen für den Feldherrn Putin blieb“. Zu viel hätten der Westen und die Weltgemeinschaft Putin in den vergangenen Jahren durchgehen lassen. Das dürfe nie wieder geschehen.

Mehr zum Thema

Stilles Gebet

Tauberbischofsheim: Über 250 Menschen setzten Zeichen gegen den Krieg

Veröffentlicht
Von
bk
Mehr erfahren
VdK-Kreisverband

Main-Tauber-Kreis: Wohnraum für Flüchtlinge aus der Ukraine gesucht

Veröffentlicht
Mehr erfahren
Krieg in der Ukraine

Main-Tauber-Kreis: Aufnahme von Flüchtlingen wird vorbereitet

Veröffentlicht
Von
lra
Mehr erfahren

Putin sehne sich nach weltweiter Anerkennung, „doch er hat sich verzockt, er wird nie mehr bei seriösen Staatsleuten am Tisch sitzen“, ist OB Glatthaar überzeugt und schiebt nach: „Putin hat seinen Ruf endgültig zerstört und sein wahres Gesicht nun allen gezeigt.“

Während Glatthaar sich selbst über die Lektüre der Fränkischen Nachrichten, aber auch online und im Fernsehen über die Ereignisse auf dem Laufenden hält, ärgert er sich sehr, dass die russische Bevölkerung von unabhängigen Informationen im eigenen Land weitgehend abgeschnitten ist und die lauten Kritiker dort zu Tausenden verhaftet werden. Glatthaar begrüßt die weltweite Entschlossenheit, Putin zu stoppen, und verlangt Durchhaltewillen bei allen verhängten Sanktionen, „auch wenn wir selbst darunter leiden, zum Beispiel durch steigende Energiepreise“. Er fordert auch, Deutschland und die Bundeswehr neu und wehrhafter aufzustellen, so dass wir unseren partnerschaftlichen Verpflichtungen – auch in der Nato – nachkommen können.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Mit Blick auf Bad Mergentheim, den Landkreis und mögliche Flüchtlingswellen sagt Glatthaar, dass die Stadt und das Landratsamt im engen Austausch miteinander seien. Noch wisse man nicht, wie viele Flüchtlinge kommen und wie schnell. Man bereite sich gemeinsam vor. Am Freitag stehe dazu auch eine Online-Dienstversammlung mit allen Bürgermeistern an. Den Katastrophenschutz in der Ukraine unterstütze die Feuerwehr Bad Mergentheim durch Sachspenden, die zunächst in Stuttgart-Fellbach zentral gesammelt werden. Erste Vorschläge gebe es zudem von CDU, Grünen und SPD in Bezug auf die Frage, was die Stadt sonst noch tun könne, um zu helfen und Solidarität mit der Ukraine zu zeigen.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten