Feierstunde

Ein kleines, aber feines Museum öffnet in Bad Mergentheim

Ein kleines, aber feines Museum öffnet in der Kurstadt: Es zeigt die Geschichte der Bürgerschützen und den „Dachbodenfund“. Am Samstag ist Einweihung, gleichzeitig wird der 200. Gedenktag der Uniformierung der Schützengesellschaft gefeiert.

Von 
Barbara Kurz
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Hauptmann Andreas Schweizer (links) und Adjutant-Leutnant und Schriftführer Günther Etzl (rechts) sind zurecht stolz auf ihr kleines, aber feines Museum, das die Geschichte der Bad Mergentheimer Bürgerschützen abbildet. © Barbara Kurz

Bad Mergentheim. Es war ein Sensationsfund, ein glücklicher Zufall und zugleich ein wichtiges Stück Mergentheimer Geschichte: Der Bad Mergentheimer Dachbodenfund, der vor rund zwei Jahren Exponate aus dem Besitz von Herzog Paul Wilhelm von Württemberg zutage förderte. Nun werden diese kostbaren Fundstücke im neuen Museum im Torwachhaus für die Öffentlichkeit ausgestellt, so Günther Etzl, Adjutant-Leutnant und Schriftführer des Historischen Schützencorps’ Bad Mergentheim im Gespräch mit unserer Zeitung. Gleichzeitig wird in einem Festakt am Samstag die Uniformierung der Schützen vor 200 Jahren gefeiert.

Die Uniformen der Mergentheimer Bürgerwehr aus der Zeit um 1824 werden auch heute noch vom Historischen Schützencorps präsentiert. © Repro Günther Etzl

Das Jahr 1809 brachte die große Wende in der Stadt. Napoleon hatte aus Dank für die ihn erwiesene Hilfe dem Königreich Württemberg das Deutschordensgebiet um Mergentheim zugeteilt und die Württemberger rückten in die Stadt ein. Die Bürgerliche Schützencompagnie wie auch die hoch- und deutschmeisterliche Ordenscompagnie wurden entwaffnet.

Neue Bürgerschützen

Erst als König Wilhelm I. von Württemberg 1816 seine Regierungszeit antrat und den Staatsbürgern das Recht einräumte, sich auch außerhalb des regulären Militärs im Waffendienst zu ertüchtigen, wurde in neuem Zusammenschluss von Bürgerschützen möglich. Am 25. September 1820 das neue Schützen-Corps oberamtlich genehmigt. Gründer war Revierförster von Arnold, der 1822 das Amt des Vorsitzenden an Orbistleutnant von Speeth (dem Schwiegervater Eduard Mörikes) abgab. Ihm verdankte das exerzierende Corps eine Existenz. Am 18. Mai 1824 schreibt von Speeth an das königliche Oberamt „…dass in dieser aus 80 bis 90 Mitgliedern bestehende Schützengesellschaft ein besonderes Corps sich gebildet habe, das nach Regeln des württembergischen Exerzier-Reglements bey besonderen Feierlichkeiten ausrücke und paradiere. Dieses ausrückende Corps wünscht das längst gefühlte Bedürfnis sich zu uniformieren nun mehr zu realisieren“. Am 19. Juni 1824 kam dann die Nachricht, dass „seine königliche Majestät vermöge höchster Entschließung von 27. Mai der Bitte der Schützengesellschaft zu Mergentheim um Erlaubnis sich uniformieren zu dürfen, willfährig zu entsprechende geruht haben“.

Berühmtestes Mitglied dieses Schützencorps’ war wohl Herzog Paul Wilhelm von Württemberg, ein Vetter König Wilhelms, der ab 1827 das Mergentheimer Schloss bewohnte. Er wurde zwar in Mergentheim als Chef des Corps’ bezeichnet, war aber wohl mehr ein Gönner und Freund. Herzog Paul gilt als einer der bedeutendsten deutschen Naturforscher und Entdecker, der im frühen 19. Jahrhundert zahlreiche Forschungsreisen nach Nordamerika, Nordafrika und Australien unternahm. In seinem Mergentheimer Residenzschloss richtete er eine riesige naturwissenschaftliche Sammlung ein, die er testamentarisch nur als Ganzes verkauft wissen wollte. Dies realisierte sich nicht, und deshalb wurde die Sammlung in alle Winde verstreut.

Doch mit dem „Mergentheimer Dachbodenfund“ fanden sich jetzt wieder wertvolle Artefakte, die der Herzoglichen Sammlung zugeschrieben werden, darunter unter anderem eine Keramik und Ringgeld aus dem Sudan. Weiter gibt es vier Lanzen aus Holz, zwei davon mit Metallspitzen und einen hölzernen Fischspeer mit gezackter Spitze, sowie zwei hölzerne verzierte Zeremonienlanzen und einen hölzernen Zeremonienstab. Alle diese Stücke hat der Herzog vermutlich aus dem damals nicht-muslimischen (heute christlich-animistischen) Süden des Sudan mit nach Mergentheim gebracht und können nun im Museum im Torwachhaus bestaunt werden. Und viele weiteren Exponate, wie Originalschriften aus der Deutschordenszeit, Waffen, Orden und vielen mehr stehen zur Besichtigung offen. Der letzte gesicherte Auftritt des Corps’ von 1820, so Günther Etzl, fand vermutlich im Jahr 1871 statt. Danach wurde es ruhig um die Mergentheimer Schützengesellschaft. Erst nach mehr als 100 Jahren entschlossen sich einige engagierte Bürger der Stadt Bad Mergentheim, einen Teil der traditionsreichen Schützen- und Bürgerwehrgeschichte wieder lebendig werden zu lassen.

Das „Historische Schützen-Corps Bad Mergentheim“ wurde 1977 gegründet und trat am 23. April 1978 erstmals in der Uniform von 1824 in der Öffentlichkeit auf. Dieses Corps repräsentiert gerne die Farben Bad Mergentheims bei verschiedenen Auftritten wie dem Neujahrsschießen am 1. Januar auf dem Marktplatz, den historischen Wachauzügen im Sommer auf dem Deutschordenplatz oder dem Herzog-Paul-Abend im September.

Was das Corps aber vor allem auszeichnet, sind die vereinseigenen Veranstaltungen im Torwachhaus. Hat sich die Zahl der Mitglieder in den letzten Jahren aus Altersgründen verringert, so bleiben doch die beständige Kameradschaft und ein beispielloser Zusammenhalt erhalten. Beginnend mit der Maiexkursion ziehen sich die Abende durchs Jahr: Neben Oktoberfest, Ehrenscheibenschießen und festlicher Jahresfeier endet das Vereinsjahr mit einer stimmungsvollen vorweihnachtlichen Feier im Garten des Torwachhauses.

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Und das freitägliche stets gut besuchte Vereinstreffen des Historischen Schützencorps’ gilt als einer der wohl letzten „echten Märchedoler“ Stammtische, bei dem Bürger und Besucher der Stadt stets gerngesehene Gäste sind. Hier werden „alte“ Zeiten lebendig und Neuigkeiten aus Stadt und Land machen die Runde – ein gemütlicher Ort, um das Wochenende einzuläuten.

Fast ein halbes Jahrhundert besteht das Historische Schützencorps und nun plagen Nachwuchssorgen. „Wir werden in ferner Zukunft große öffentliche Auftritte aufgrund von Mitgliedermangel nicht mehr schultern können“ so Günther Etzl weiter. Deshalb liege die Zukunft auf dem Museum und dem Torwachhaus, das auf jeden Fall für den vereinseigenen Stammtisch erhalten wird, versichert Etzl.

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