In der Mühlwehrstraße - Das Café Ehrler schließt zum 24. Dezember seine Pforten / Schäferschipple-Rezept bleibt in der Familie

Bad Mergentheimer Traditionscafé schließt seine Pforten

Es ist ein Traditionscafé und ein Begriff für Einheimische und Gäste: Das Café Ehrler in der Mühlwehrstraße. Doch nun geht ein Stück Alt-Mergentheim verloren.

Von 
Barbara Kurz
Lesedauer: 
Inhaber Helmut Ehrler und seine Frau Siliva übernahmen 1983 das Café und die Konditorei. Ab Weihnachten freuen sich beide auf die Rente. © Barbara Kurz

Bad Mergentheim. Es duftet ganz wunderbar nach Vanille und leckerem Kaffee, die kleine Theke mit ihren Zuckerschnecken und Schaummäusen erinnert an die Kindheit und die Gaststube ist mit hübschen Dekorationen und Möbeln aus längst vergangener Zeit heimelig eingerichtet – hier kennt man sich, hier schätzt man sich: Das Café Ehrler in der Mühlwehrstraße ist ein beliebter Treffpunkt für Stammtische, Gäste und Einwohner der Stadt. Aber auch Wandergruppen, vereinzelt Teilnehmer der Stadtführungen und vor allem Jahrgangstreffen (die älteste Stammkundin ist 97 Jahre alt) finden sich regelmäßig in dem Traditionscafé ein. Die selbst gemachten Kuchen und Torten und der vorzügliche Kaffee locken Schleckermäulchen, die diese besondere Caféhaus-Atmosphäre zu schätzen wissen, regelmäßig in das Haus in der Mühlwehrstraße.

Immer informiert sein

Die wichtigsten News des Tages

FN Mittags Newsletter - Jetzt anmelden!

Mehr erfahren

Doch mit dem 24. Dezember, dem Heiligen Abend, ist Schluss – das Café schließt seine Pforten. Ein Nachfolger? – Fehlanzeige. „Das Café wird endgültig geschlossen“, so Inhaber Helmut Ehrler im Gespräch mit unserer Zeitung.

Man schrieb das Jahr 1908, als die Konditorei von Großvater Josef (er war übrigens ein Stiefbruder des Heimatdichters Hans-Heinrich Ehrler) gegründet wurde. 1926, just zum 100-jährigen Jubiläum der Quellenentdeckung, kam dem findigen Konditormeister die Idee seines Lebens: Die Original Mergentheimer Schäferschipple – eine Hommage an Schäfer Gehrig, seine Schäferschippe und die Schafe, die ja bekanntermaßen mit der Entdeckung der Quellen im Jahre 1826 Mergentheim zu dem Titel „Bad“ verhalfen.

Die Existenz dieses neuen Gebäcks sprach sich in der Kurstadt schnell herum: Nicht nur bei den „Merchedolern“ wurden die kleinen Teilchen aus einer Art wohlschmeckendem Biskuit schnell ein Verkaufsschlager, auch bei den Kurgästen genießen die Schäferschipple bis heute große Beliebtheit. „Wir verschicken unser Gebäck in die ganze Welt, von Kanada bis Australien“, erzählt Helmut Ehrler nicht ohne Stolz.

Der Großvater Josef Ehrler eröffnete 1908 das Café. © tauber-zeitung

Mehr zum Thema

Bäckerei Bamberger aus Igersheim übernimmt Filiale

Bad Mergentheimer Traditionsbäcker Ehrmann hört auf

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren
Nach dem Ratsbeschluss

Bad Mergentheim: Deutschordenplatz wird ab Dezember gesperrt

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren
Verkehr darf künftig nicht mehr vor dem Deutschordenschloss vorbeifahren

Bad Mergentheimer Deutschordenplatz wird dicht gemacht

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren

Keine Ersatzteile

Doch diese Mergentheimer Spezialität ist nun wohl auch dem Tode geweiht, das Geheimrezept und das Patent bleibt in der Familie, so Helmut Ehrler weiter. Aber warum nicht einfach im Rentenalter weiterbacken? „Wir dachten in der Tat darüber nach“, gibt er zu, „doch die Backöfen des Kleingebäcks sind mittlerweile über 40 Jahre alt und Ersatzteile hierfür gibt es keine mehr“.

Für die Schäferschipple wurden anno 1926 eigene Verpackungen gestaltet: Der Scherenschnitt, der auf der Vorderseite zu sehen ist, stammt von der Künstlerin Gerti Abel. „Ursprünglich war das Bild auf einer Postkarte zu sehen, die Buchhändler Kling im Jahr 1926 zum Quellenjubiläum herausgab und von meinem Großvater für die Verpackung seines Gebäcks übernommen wurde“, erinnert sich Helmut Ehrler. Diese, nur für die Schäferschipple hergestellte Original-Verpackung, muss Ehler jedoch von der Druckerei en gros (also bis zu 10 000 Stück) abnehmen. „Was also, wenn die Rührmaschine oder der Backofen kaputt gehen, dann säßen wir unter Umständen auf Tausenden von Verpackungen“, so Helmut Ehrler. Deshalb sein Entschluss: Wenn die letzte Charge der Verpackung aufgebraucht ist, dann ist Schluss mit den Schäferschipple.

Ein schmuckes Fachwerkhaus und ein Stück Alt-Mergentheim. Das Café Ehrler in der Mühlwehrstraße ist ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt. © Café Ehrler

Schmuckes Fachwerkhaus

Wie gesagt, im Jahr 1908 eröffnete Großvater Josef Ehrler das Café in der Mühlwehrstraße, in einem aus dem Jahr 1669 stammenden schmucken Haus mit markantem Fachwerkgiebel. Nach dem Zweiten Weltkrieg übergab Josef Ehrler die Konditorei an seinen Sohn Franz. Dessen Sohn Helmut (der heutige Besitzer) begann mit 14 Jahren eine Konditoren-Lehre im Café Mittnacht in der Burgstraße. Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1983 zusammen mit seiner Frau Silvia das Café, um die Tradition in dritter Generation fortzusetzen.

Doch nun ist Schluss. Helmut Ehrler: „Ich bin 70 Jahre alt und mag nicht mehr, die stetig wachsenden Vorschriften aus der Politik setzen mir mehr und mehr zu“. Und seine Frau Silvia ergänzt: „Wir waren ein reiner Familienbetrieb und hatten beide einen 12-Stunden-Tag. Nun freuen wird uns über ein bisschen mehr private Zeit“. Der 24. Dezember ist der letzte Arbeitstag des Ehepaars. „Meine Arbeit hat mir immer viel Spaß gemacht“ blickt Helmut Ehler zurück, doch jetzt freut er sich zusammen mit seiner Frau auf die Rente. Sohn Alexander ist Koch mit fester Anstellung: Ob er jemals das Café wieder zum Leben erwecken wird und ob der köstliche Vanille-Duft der biskuitenen Schäferschipple wieder durch alle Winkel der Mühlwehstraße strömt, bleibt offen.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten