Bad Mergentheim. Es wird eine Herkules-Aufgabe, das ehemalige Wohn- und Geschäftshaus am Marktplatz 4, besser bekannt als „Spielwaren Burger“, wieder herzurichten. Das zeigt ein Rundgang in dem gut 600 Jahre alten Gebäude. Die Fränkischen Nachrichten hatten die Gelegenheit, hinter die bekannte Fassade zu schauen, ebenso wie einige Stadträte und 30 Bürger im Rahmen des Tages des offenen Denkmals am vergangenen Wochenende.
Traditionsreiches Spielwarengeschäft
Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1433/34 und wurde als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung eingestuft. Es steht seit über 20 Jahren leer und ist im Innern an vielen Stellen sanierungsbedürftig. Anfang der 2000er Jahre zog sich „Spielwaren Burger“ aus dem Haus am Marktplatz zurück und verlagerte sein traditionsreiches Geschäft zunächst in die Kirchstraße, danach noch einmal in die Bahnhofstraße, ehe man den Betrieb ganz einstellte.
1907 wird laut Bau- und Besitzgeschichte Georg Burger als Eigentümer ausgewiesen, um 1920 ist in den Adressbüchern von einer Galanterie- (modische Accessoires oder kleine Gebrauchsgegenstände, wie beispielsweise Regenschirme) und einer Spielwaren-Handlung die Rede. Im FN-Archiv finden sich Aussagen der ehemaligen Inhaber-Familie, dass die Tradition des (Spielwaren-)Einzelhandelsgeschäfts gar bis ins Jahr 1880 zurückreicht.
Die älteste Apotheke in Mergentheim?
Höchst interessante Erkenntnisse hat Markus Numberger gewonnen, der sich als freier Bauforscher auf Altbausanierung und Denkmalpflege spezialisiert und intensiv mit dem Objekt beschäftigt hat: Er erklärte gegenüber den FN, dass die Mergentheimer Apothekengeschichte wohl neu geschrieben werden müsse. Aus Güterverzeichnissen des Deutschen Ordens im Staatsarchiv Ludwigsburg habe er erfahren, dass das Haus am Marktplatz 4 bereits um 1550 im Besitz der Familie von Nichten war, die auch als erste Apotheker-Familie in Mergentheim gelte. So sei davon auszugehen, dass hier die erste Apotheke vor Ort betrieben wurde, während die benachbarte Engel-Apotheke erst seit 1655 belegt sei.
Die im hinteren Gebäudeteil des Hauses vorhandene steinerne Wendeltreppe wurde laut Numberger nachträglich eingebaut, wohl im 16. Jahrhundert. Sie besitze Steinmetzzeichen und diese gelte es jetzt mit den bekannten Wendeltreppen im Schloss (Berwart- und Reiter-Treppe) abzugleichen. Es gebe also noch viel zu tun, wenn die Stadt dies befürworte. Numberger: „Das Haus ist 600 Jahre alt, da steckt enorm viel Geschichte drin, jeder neue Besitzer brachte Änderungen ein. Ein Kellerraum ragt sogar unter das Nachbarhaus“, er entstand wohl vor 1433.
Gemeinderat muss nächste Schritte beschließen
Was soll mit dem Gebäude passieren? Das ist die große Frage. Für die Stadtverwaltung äußert sich Dr. Kathrin Herz vom Fachbereich „Stadtplanung und Hochbau“ zum Stand der Dinge: „Wir stehen noch ganz am Anfang. Wir sehen die Befunde und versuchen, das Gebäude besser kennenzulernen und daraus ein Nutzungskonzept abzuleiten. Das Ziel sollte eine Nutzung sein, die möglichst umfangreich förderfähig ist. Momentan gilt das für öffentliche Nutzungen, also kein Restaurant oder Café, weil das die Förderfähigkeit vermindern würde.“
„Das Gebäude ist seit 2021 im Eigentum der Stadt und liegt im Sanierungsgebiet Altstadt/Stadtgarten“, so Dr. Herz, dadurch könne man Zuschüsse in Höhe von 60 Prozent der zuwendungsfähigen Baukosten bekommen. „Unser Bestreben ist es aber, noch mehr Förderung zu erhalten, um den Bad Mergentheimer Haushalt zu schonen“, sagt Herz. Wenn der Gemeinderat grünes Licht gebe, gehe man die nächsten Schritte an und versuche, sich weitere Zuschüsse zu sichern.
420 Quadratmeter wirtschaftlich sinnvolle Nutzfläche
Bauforscher Numberger betonte im FN-Gespräch noch, dass es sich hier um eines der ältesten Wohn- und Geschäftsgebäude in Bad Mergentheim handle. Nach Angaben der Stadtverwaltung verfügt das Burger-Haus in den fünf Geschossen über insgesamt rund 420 Quadratmeter an „wirtschaftlich sinnvoller Nutzfläche“. Die Giebelfassade zum Marktplatz hin ist eine reich gestaltete klassizistische Fassade mit profilierten Eckpilastern. Das Gebäude ist in vollem Umfang unterkellert, wobei die insgesamt acht Kellerräume laut Experten „ein sehr inhomogenes Gefüge zeigen und aus unterschiedlichen Bauphasen stammen“.
Weiter heißt es in der Gebäudebeschreibung, die die Stadt den FN zukommen ließ: „Das Erdgeschoss besitzt aufgrund jüngerer Veränderungen und einem großflächigen Ladeneinbau nur noch wenig historische Ausstattung. Die historische Grundrissgliederung sowie Nutzungsstruktur ist hier kaum noch ablesbar. Beide Obergeschosse sowie die Dachgeschosse zeigen eine Gliederung aus drei Längszonen und fünf Querzonen. Bemerkenswert ist dabei, dass das Gebäude über Jahrhunderte firstparallel in zwei Einheiten unterteilt war. Die südliche Haushälfte bestand aus zwei Längszonen (2/3 des Gebäudes) und die nördliche Haushälfte aus der übrigen Längszone (1/3 des Gebäudes).“
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-was-soll-mit-dem-burger-haus-geschehen-_arid,2328532.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html