Prozess am Amtsgericht

Bad Mergentheim: Warum ein Mann wegen des Weiterversands von Paketen verurteilt wurde

Immer wieder was Neues am Amtsgericht Bad Mergentheim: Ein Prozess zeigt auf, wie die sogenannte „leichtfertige Geldwäsche“ funktioniert.

Von 
Simon Retzbach
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Pakete in einem Hauseingang (Symbolbild). Mit dem Empfang und Weiterversand soll ein Bad Mergentheimer leichtfertige Geldwäsche begangen haben – und wurde verurteilt. © picture alliance/dpa

Bad Mergentheim. Teil einer Betrugsmasche – und dabei selbst betrogen worden? So könnte man einen Prozess am Amtsgericht Bad Mergentheim zusammenfassen. Angeklagt ist ein Enddreißiger, der neben wiederholten Diebstählen aus dem Opferstock einer Igersheimer Kirche mit der wiederholten Annahme und dem Weiterversand von Paketen leichtfertige Geldwäsche betrieben haben soll. Die in Heimarbeit auszuführende Tätigkeit hat er über die Internet-Stellenplattform „Indeed“ gefunden.

Apple-Watches, Baumaschinen, sehr teure Jacken, Haarpflege- und Medizinprodukte erhielt der Mann 2023 laut Anklage in zahlreichen Paketen an seine damalige Wohnanschrift im Weberdorf geschickt. Er verpasste den Paketen neue Versandlabels und verpackte sie teilweise neu, alle gingen dann nach Polen.

Das Problem dabei: Die Ware stammte aus Betrugstaten. Unbekannte Dritte sollen bestehende Accounts gehackt und missbraucht haben, um Ware auf Rechnung der tatsächlichen Accountinhaber zu bestellen, die Ware dann aber zum Wohnsitz des Angeklagten umzuleiten. Dieser etikettiert sie dann wie beschrieben um und schickt sie zeitnah weiter, die Zahlungsforderung erhält der nichtsahnende Accountinhaber. Ein fünfstelliger Schaden entstand auf diese Weise.

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Der angeklagte N. war also gewissermaßen ein Zwischenstopp einer Betrugskette und sollte für seine Arbeit ein Fixgehalt von 520 Euro monatlich sowie 15 Euro pro Paket erhalten. Vor Gericht gibt sich der Mann ahnungslos. „Ich wollte nur arbeiten und habe online diese Stelle gefunden“, erklärt er. Den Vorgang an sich, also wie die Pakete zu ihm kamen und er sie für den Weiterversand aufbereitet, bestätigt er. Von einer Betrugsmasche will er allerdings nichts gewusst haben: „Ich habe nicht geprüft, wo die Pakete hingingen.“

Aus Sicht der Justiz gibt es mit dieser Darstellung mehrere Probleme. Zum einen warnte die Polizei den Mann bezüglich eines Paketes, da es Hinweise auf eine Herkunft aus betrügerischem Handeln gab. Dennoch setzte N. seine ‚Arbeit‘ fort, nachdem er sich bei seinem Arbeitgeber rückversichert haben will. „Die haben mir gesagt, das hat nichts mit mir zu tun und dass sich ihr Anwalt drum kümmert“, beschreibt er.

Hier kommt allerdings ein weiteres Problem aus juristischer Sicht zum Tragen. Denn der Gesetzgeber fasst die Strafbarkeit bei Geldwäsche recht weit. Der Angeklagte muss also nicht sicher wissen, dass er Teil einer Betrugsmasche ist. Er muss auch keine Details kennen. Es reicht, grob unachtsam oder eben „leichtfertig“ gehandelt zu haben, um sich strafbar zu machen. Wer also ein in irgendeiner Form verdächtiges Angebot bekommt und dieses ohne Hinterfragen annimmt, macht sich mitschuldig.

Ermittler schildert besonders dreistes Vorgehen

So ist das anscheinend auch hier geschehen. „Warum sollten so viele Luxuswaren umverpackt und nach Polen geschickt werden? Das muss man hinterfragen“, macht Richterin Susanne Friedl im Prozess deutlich. Spätestens als die Polizei ihn gewarnt habe, hätte er misstrauisch werden müssen, ergänzt sie in Richtung des Angeklagten. „Ich gehe nicht von Betrügern aus“, verteidigt sich N. mit Blick auf die vermeintlichen Arbeitgeber. „Das tue ich im Internet eigentlich immer. Gerade, wenn man nur Mailkontakt hat“, kontert Friedl. Er habe eben nur Geld verdienen wollen, um Unterhalt für seine Tochter zu zahlen, erklärt der Mann sein Handeln.

Doch nicht mal das hat geklappt, Geld hat er nie erhalten. Kein seltenes Phänomen, wie ein Ermittler der Kriminalpolizei Tauberbischofsheim erklärt. „Das ist relativ professionell aufgebaut. Menschen werden über das Internet kontaktiert und sollen dann Pakete umverpacken und weiterverschicken, entweder nach Polen, in die Ukraine oder nach Russland“, erklärt der Polizist. Besonders dreist dabei: „Im Regelfall wird kein Lohn ausgezahlt, die Personen helfen umsonst bei Straftaten.“

Solche Maschen kämen „recht häufig“ vor, gerade zu Corona-Zeiten, weil hier ein reiner Onlinekontakt nicht unüblich war. Er beschreibt den Fall des N. als recht typisch für diese Betrugsmasche. Diese wird durchaus im großen Stil durchgeführt, in der Wohnung des Angeklagten habe man „jede Menge Pakete“ gefunden.

Anklage: „Mehrwert der Tätigkeit hinterfragen“

„Der Angeklagte muss den Mehrwert seiner Tätigkeit hinterfragen. Wozu braucht es für einen Paketversand nach Polen noch eine Zwischenstation?“, wirft der Staatsanwalt dem Mann vor. Zumal er „erheblich“ vorbestraft sei, immer wieder mit Vermögensstraftaten auffällt. Übrigens auch in diesem Verfahren: Die mehrfachen Diebstähle aus dem Opferstock räumte N. bereits zu Beginn der Verhandlung ein. Ein Jahr und acht Monate soll der Mann nach Ansicht der Anklage hinter Gitter.

„Er hat sehr dumm, aber nicht leichtfertig gehandelt“, erklärt Verteidiger Andreas Stößer. „Es war eine seriöse Seite, er bekam Verträge, das sah alles seriös aus“, führt Stößer weiter aus. Er sei durch die Unterhaltszahlungen zudem in einer „Zwangslage“ gewesen. Für die Geldwäsche fordert er einen Freispruch, da der Tatvorwurf nicht erfüllt sei. Ansonsten plädiert er auf eine „bewährungsfähige Strafe“, da sein Mandant eine neue Perspektive suche.

Die Richterin sieht das anders. „Sie kriegen neben einem Festgehalt von 520 Euro 15 Euro für einen sehr geringen Aufwand, das ist umgerechnet ein sehr hoher Stundenlohn. Dann sind das ständig Luxuswaren, die alle nach Polen sollen. Da muss man sich einfach fragen: Kann das sein?“, führt sie aus. Leichtfertigkeit bei der Geldwäsche bedeute einfach nur, man müsse sich mehr Gedanken machen. Der nun Verurteilte tat das nicht und „hat letztlich den Preis dafür gezahlt, profitieren tun Dritte im Ausland“. Würden alle Menschen mehr nachdenken, hätten es die Betrüger auch schwerer. Die Diebstähle aus dem Opferstock seien zudem „besonders schändlich“, hier würden letztlich die Armen bestohlen.

In Summe muss der Mann nun knapp zweieinhalb Jahre in Haft zurück, denn er ist zur Verhandlung bereits inhaftiert. Hier muss er nun ein Jahr und acht Monate für die Diebstähle sowie eine weitere Vorstrafe und weitere acht Monate für die leichtfertige Geldwäsche absitzen. Und hat dort die Zeit zum Nachdenken, die er sich vorher nicht genommen hat.

Redaktion

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