Bad Mergentheim. Zur „Störung öffentlicher Betriebe“, einem eher selten ausgesprochenen Vorwurf, wurde jüngst am Amtsgericht Bad Mergentheim verhandelt. Dieser Straftatbestand dürfte zweifellos zu den eher selten vorkommenden Sachverhalten an deutschen Gerichten gehören.
Doch was steckt genau dahinter? Letztlich geht es in dem Gesetz darum, für die Allgemeinheit wichtige Einrichtungen vor Beschädigungen zu schützen. Dabei ist das Gesetz weit gefasst, schließt als schützenswert neben dem öffentlichen Verkehr auch Postdienstleistungen oder die Wasser- und Wärmeversorgung mit ein.
Ein 27-jähriger Bad Mergentheimer hatte sich jedoch an etwas anderem zu schaffen gemacht. Denn das Gesetz sagt auch: „Wer den Betrieb einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden [...] Anlage dadurch verhindert oder stört, dass er eine [...] Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht [...], wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Konkret hatte der Angeklagte die mobile Geschwindigkeitsmessanlage, im Volksmund auch als „Blitzerauto“ bekannt, manipuliert. Als er den letztlich recht auffälligen Wagen im Stadtgebiet sah, befestigte er kurzerhand mit Speichel mehrere Blätter an die hintere Scheibe, von wo aus normalerweise die Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden und bei Verstößen die wenig beliebten „teuren Fotos“ entstehen.
Sein Pech dabei: Aufgrund von zunehmendem Vandalismus ist das Auto mit den Geschwindigkeitsmessgeräten selbst kameraüberwacht. Auf entsprechendem Videomaterial war der Mann gut zu erkennen. Und als wäre das nicht genug, ist der Mann massiv vorbestraft und war zum Tatzeitpunkt unter Bewährung. Dass er obendrauf noch widerrechtlich Sozialleistungen kassierte, war gewissermaßen nur noch die Spitze des Eisbergs.
Angeklagter wurde bereits mehrfach straffällig
Der 27-Jährige ist auch für Richterin Susanne Friedl kein Unbekannter. Im Zusammenhang mit einem starken Alkoholproblem wurde er bereits mehrere Male straffällig, weil er unter anderem im betrunkenen Zustand Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leistete und diese wüst beleidigte. Innerhalb einer offenen Bewährung wurde er erneut verurteilt, gilt demnach sogar als Bewährungsversager.
Die nun vorgeworfenen Taten gestand er mehr oder weniger ein, das Bekleben des Blitzerautos bezeichnete er als „einen Spaß“ aus der Situation heraus. Doch das Gericht stellte dieser vermeintlich harmlose Spaß vor eine schwierige Entscheidung. Massive Vorstrafen, mehrfache und teils sogar noch laufende Bewährung – letztlich spricht kaum etwas für den Angeklagten, der somit für diesen vermeintlichen „Spaß“ am Blitzerauto in Haft müsste.
So sah es jedenfalls die Staatsanwaltschaft, die eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten forderte. Aufgrund der zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten lehnte sie eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung ab, wenngleich der Schaden in den vorliegenden Fällen eher gering war. Denn durch die Manipulation des Blitzerautos entstand kein großer Schaden, es wurden lediglich vier Messungen durch das Blatt auf der Scheibe unbrauchbar. Auch das zu Unrecht bezogene Arbeitslosengeld belief sich nur auf rund 700 Euro, die bereits zurückgezahlt wurden. Dennoch: Bei doppeltem Bewährungsbruch kannte die Staatsanwaltschaft Ellwangen keinen Spaß mehr und wollte den Mann hinter Gittern sehen.
Auch Friedl fand den „Spaß“ des Angeklagten wenig lustig: „Verkehrsraumüberwachung hat seinen Sinn, weil die Leute sich sonst nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten würden. Sie beziehen zu Unrecht Leistungen, bekommen hier einen Pflichtverteidiger vom Staat gestellt und entziehen ihm auf der anderen Seite durch diese Tat wieder Geld.“ Verteidiger Josef Gläser wies auf den geänderten Lebenswandel seines Mandanten hin. So sei dieser schon seit rund zwei Jahren trocken, nachdem er zuvor ein massives Alkoholproblem hatte. Auch eine Partnerschaft und die neue Arbeit wirkten sich stabilisierend auf seinen Mandanten auf, weshalb er eine erneute Bewährung für sinnvoll hielt. Während des Prozesses verhielt sich der Mann zudem einsichtig, was bei früheren Verfahren noch nicht der Fall war.
Durch das Urteil gibt es nun doch noch eine saftige Rechnung
Die Frage fürs Gericht: Wie ist der Fall nun zu (be-)urteilen? Mit einem milderen Urteil den Lebenswandel anerkennen? Oder einer längeren „Justizkarriere“ nun endgültig mal den Riegel vorschieben? Susanne Friedl entschied sich letztlich für die erste Variante. Zwar erhielt der Angeklagte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, entgegen der Anklage setzte Friedl die Strafe jedoch erneut zur Bewährung aus und folgte damit der Verteidigung.
Für sie jedoch keine leichte Entscheidung, wie sie in der Begründung klar machte: „Mir macht Sorgen, dass Sie nun offensichtlich auch im nüchternen Zustand Straftaten begehen. Ich dachte, wenn Sie aufhören zu trinken, hören Sie auch auf, Straftaten zu begehen.“ Eine Beziehung könne auch mal in die Brüche gehen und der Grund für einen Rückfall sein, mahnte sie vor verfrühter Euphorie.
Teuer wird die Verurteilung für den Angeklagten jedoch auf alle Fälle: Mit einer Geldauflage von 3000 Euro erhielt er für seinen Scherz am Blitzerauto noch eine saftige Rechnung. Diese Summe geht nun allerdings nicht in die Stadtkasse, sondern an Ärzte ohne Grenzen.
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