Bad Mergentheim. „Die Leute haben keine Scham mehr“, wird Swen Rüdenauer im FN-Gespräch deutlich. Er war mit seinen Mitstreitern im DRK-Ortsverein für die Altkleidercontainer in der Kurstadt verantwortlich. Mitte des Jahres zogen sie dann die Reißleine: 22 Container im Stadtgebiet wurden abgebaut. Rüdenauer nennt verschiedene Gründe für das Aus.
„Es macht keinen Sinn mehr, wenn so viel Müll in den Containern ist“, erklärt er. Schätzungsweise 30 Prozent des Inhalts sei Abfall, darunter Hausmüll wie etwa Essensreste oder sogar unbenutzte Windeln. Dieser Müll ist jedoch mehr als nur eine eklige Beimischung: Er könne die Kleidungsstücke auch unbrauchbar machen, durch auslaufende Flüssigkeiten oder penetrant-üble Gerüche. „Beim Öffnen ist einem teilweise schlecht geworden“, erzählt Rüdenauer. „Wir haben es früher gerne gemacht, aber jetzt geht das nicht mehr. Wir sind Ehrenamtliche und können keine Müllentsorgung sein.“
Doch nicht nur die Müllentsorgung ist ein Problem. In einem Schreiben, das Rüdenauer und René Föhr an die Stadt richten, sprechen sie auch von einem immer größer werdenden Anteil an Billigtextilien. „Es gibt immer mehr ‚Fast Fashion‘ – Kleidungsstücke. Diese werden in Discountern und auch in den großen günstigen Textilgeschäften verkauft. In den letzten zehn Jahren hat der Trend zugenommen, dass immer mehr künstliche Fasern in den Kleidungsstücken enthalten sind. Diese Billigkleidung lässt sich leider nicht wiederverwenden, auch nicht für die Herstellung von Malervlies, Putzlappen oder Teppichen“, so die Vertreter des Ortsvereins.
Der Ortsverein sei stets bemüht gewesen, die Standorte sauber zu halten. Dennoch habe „das Verhalten einiger Mitbürgerinnen und Mitbürger“ immer wieder zu unansehnlichen, äußerlich verdreckten Containerstandorten, insbesondere beim Lidl im Weberdorf und am Standort am Kreisverkehr, geführt. Das wöchentliche Leeren der Container durch die Ehrenamtlichen sei jedoch nicht nur mit einem höheren Zeitaufwand verbunden, durch Scherben bestehe sogar eine gewisse Verletzungsgefahr. Der Tropfen, der das Fass dann endgültig zum Überlaufen brachte, war die Brandstiftung an Containern im Bereich des Herrenwiesen-Kreisverkehrs, der zum Activ-Center führt.
Insbesondere führt auch ein veränderter Markt für Altkleider zur Entscheidung, dieses Geschäftsfeld aufzugeben. „Im vergangenen Jahr ging unser Abnehmer insolvent, so dass er nicht mehr zur Verfügung stand. Wir konnten einen neuen Abnehmer finden. Allerdings hat sich der Markt in den letzten Monaten weiter negativ entwickelt“, beschreibt Rüdenauer. Bekamen die Ehrenamtlichen von diesem früher noch Geld für die Kleidung, ist es mittlerweile so, dass der Anbieter selbst von Kommunen Geld für die Abholung der Kleidung erhält. Eine komplette Preiswende also, durch die das ohnehin mühsamer gewordene Leeren der Container auch finanziell nicht mehr lukrativ ist.
Eingesetzt hat der Preisverfall laut DRK-Mann Rüdenauer bereits mit der Corona-Pandemie. „Die Leute hatten Zeit und haben aussortiert, da wurde der Markt mit Altkleidern geflutet“. Auch für die Zukunft sehen die Ehrenamtlichen aufgrund des gestiegenen Anteils an ‚Fast Fashion‘ wenig Aussicht auf eine Trendwende. Eine Einschätzung, die auch beim Blick auf den Landkreis bestätigt wird. Oliver Schien ist Prokurist des Bremer Unternehmens FWS, das in Zusammenarbeit mit dem DRK auch im Main-Tauber-Kreis Container bewirtschaftet. „Heute übersteigen die Kosten (für die Verwertung, Anmerkung der Redaktion) die Erlöse aus der Sammlung – ergo müsste das DRK uns bezahlen. Das funktioniert in der Praxis natürlich nicht, und somit sind die Systeme in akuter Gefahr“, wagt er eine äußerst negative Prognose. Auch deshalb, weil aufgrund von Gesetzesänderungen aktuell einige Unsicherheit zur korrekten Entsorgung und entsprechenden Verantwortlichkeiten herrscht.
In der Kurstadt herrscht nach dem Abbau der Container zumindest für das Rote Kreuz Gewissheit. Wenngleich die Verantwortlichen ein mögliches Comeback nicht vollständig ausschließen wollen, „sollte sich der Altkleidermarkt wieder einmal verändern“.
Doch wohin nun mit den Altkleidern? „Dass die Container verschwunden sind, hat in Bad Mergentheim zunächst dazu geführt, dass einige Menschen ihre Altkleider trotzdem an den ehemaligen Standorten abgelegt haben. Da gehören sie aber nicht hin und werden zum Problem für den Bauhof. Dessen ohnehin stark geforderte Stadtreinigung bittet dringend darum, diese Vermüllung der Stadt zu unterlassen“, erklärt Pressesprecher Carsten Müller einleitend. Als Ordnungswidrigkeit könne hier sogar ein Bußgeld drohen.
„Stark verschmutzte und kaputte Textilien dürfen weiterhin im Hausmüll entsorgt werden – trotz einer neuen EU-Richtlinie zur Getrenntsammlungspflicht. Auch ohne die aufgestellten Container sollte gut erhaltene Kleidung aber für die Weiterverwendung oder Wiederverwendung (Recycling) vorgesehen werden“, erklärt der Pressesprecher das Vorgehen. Wer sich von seinen Kleidungsstücken trennen möchte, könne diese beispielsweise im Rahmen karitativer Sammelaktionen spenden oder zu Kleiderläden bringen, die um entsprechende Spenden bitten.
Eine offizielle Annahmestelle von Altkleidern, die Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung steht, ist zudem der Recyclinghof in Bad Mergentheim (Wilhelm-Frank-Straße 45).
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