Main-Tauber-Kreis. Ein bunter Haufen Klamotten purzelt aus dem Sack, den Doris Knörzer auf den Sortiertisch im Nebenraum des Wertheimer Rotkreuzladens kippt. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin des Second-Hand-Geschäfts schüttelt den Kopf: Sie erkennt sofort, dass sich aus dieser Spende kaum etwas für den Verkaufsraum eignet. Gemeinsam mit Gisela Nichelmann und Brigitte Fischer beginnt die Ebenheiderin mit dem Aussortieren.
Die drei Frauen arbeiten zügig. Sie heben jedes Kleidungsstück an: Sind da Löcher oder Flecken? Zurück in den Sack. Riecht die Bluse ungewaschen, nach Schrank oder Keller? Zurück in den Sack. Gebrauchte Unterwäsche? Zurück in den Sack. Ein sommerliches Kleid in der Herbstsaison? Zurück in den Sack. Binnen weniger Minuten haben die Ehrenamtlichen die Spende gesichtet und sortiert. Ein kleiner Stapel Kleidung und ein Dekokissenbezug werden im Rotkreuzladen bleiben, den Großteil der insgesamt drei Kleidersäcke bringen die Frauen dem wartenden Spender zur Entsorgung zurück.
Alte Kleider abgeben und weiter nutzen
- Grundsätzlich kann jeder, der möchte, in den Kleiderläden des DRK-Kreisverbands Tauberbischofsheim einkaufen. Personen, die einen Berechtigungsschein der Tafel besitzen, erhalten einen Rabatt von 50 Prozent auf die Second-Hand-Kleidung .
- Der Rotkreuzladen auf dem Wertheimer Reinhardshof hat von Montag bis Freitag, jeweils von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Montags und donnerstags gelten verlängerte Öffnungszeiten bis 17 Uhr.
- Der Kleiderladen „Jacke wie Hose“ in Tauberbischofsheim hat Montag bis Donnerstag jeweils von 10 bis 12.30 Uhr sowie Montag, Dienstag und Donnerstag von 14.30 bis 17 Uhr geöffnet.
- Kleiderspenden werden in Tauberbischofsheim ausschließlich Montag und Donnerstag angenommen, in Wertheim jeweils zu den täglichen Öffnungszeiten. Gebraucht werden sehr gut erhaltene, absolut tragfähige und aktuelle Kleidungsstücke und Heimtextilien. Nicht angenommen wird bereits getragene Unterwäsche. Auch ausgefallene Ware wie Faschingskostüme oder Dirndl sind je nach Saison willkommen.
- Um die Qualität der angebotenen Kleidung zu gewährleisten, kontrollieren die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kleiderläden jede Kleiderspende. Ungewaschene, saisonal nicht passende oder nicht mehr tragbare Kleidung (Flecken, Löcher, defekte Reißverschlüsse) werden nicht angenommen. kabu
Seit Ende August unterziehen die Mitarbeitenden der DRK-Kleiderläden in Tauberbischofsheim und Wertheim jede Spende einer solchen Sichtkontrolle. Zuvor konnten die Kleider auch anonym über einen Container vor den Geschäften abgegeben werden. „Das hat nicht mehr funktioniert. Die Container waren immer sehr schnell überfüllt und der Anteil an Stücken, die nicht mehr tragbar waren, wurde zunehmend größer“, schildert der stellvertretende Kreisgeschäftsführer des DRK Tauberbischofsheim Uwe Rennhofer.
„Die Kunden haben Verständnis dafür, dass wir die Sichtkontrolle machen und die Abgabemenge einschränken. Dadurch bekommen wir auch eine bessere Qualität“, betont Birgit Schreck, die beim Kreisverband hauptamtlich unter anderem für die Rotkreuzläden zuständig ist und den Einsatz der rund 70 Ehrenamtlichen koordiniert. Grundsätzlich gilt: Im Kleiderladen verkäuflich sind nur sehr gut erhaltene, aktuelle und saisonale Textilien. „Die Dinge sollten zudem frisch gewaschen sein. Was beim verstorbenen Angehörigen schon seit Jahren im Schrank hängt, riecht leider auch so und kann nicht in den Verkauf“, konkretisiert Schreck die Anforderungen an die Kleidung. Wer es ganz perfekt machen will, gibt die Kleidungsstücke ordentlich zusammengelegt ab. So kann die Hose, das Hemd oder der Pullover vielleicht schon am selben Tag einen neuen Nutzer finden.
Unternehmen aus Bremen bewirtschaftet knapp 80 Container im Main-Tauber-Kreis
Das Thema Altkleider beschäftigt den DRK-Kreisverband jedoch nicht nur über seine Second-Hand-Geschäfte. In Zusammenarbeit mit einem zertifizierten Verwerter, der FWS GmbH, stellt das Rote Kreuz an zahlreichen Standorten Altkleidercontainer auf. Laut Oliver Schien, Prokurist des Bremer Unternehmens, bewirtschaftet FWS als Drittbeauftragter der DRK-Kreisverbände im Main-Tauber-Kreis knapp 80 Container. Etwas mehr als 60 Standorte fallen dabei auf den Kreisverband Tauberbischofsheim.
Während die Ehrenamtlichen des DRK für die Sauberkeit an den Standorten sorgen, übernimmt FWS die Entleerung, die weitere Verarbeitung und die Verwertung der Spenden. Das DRK erhält dafür bisher pro Tonne Kleidung - was etwa der Ladungsfläche eines Kleintransporters entspricht - einen niedrigen, einstelligen Eurobetrag.
„Die Sammelmenge aus den DRK-Behältern wird sich nach derzeitigen Schätzungen bei um die 300 Tonnen einpendeln. Die Gesamtsammelmenge von FWS im Main-Tauber-Kreis wird wahrscheinlich bei mehr als 350 Tonnen liegen“, sagt Schien. Die gespendete Kleidung wird dann zentral gesammelt und sortiert: Der marktfähige Teil wird als Second-Hand-Kleidung weltweit erneut auf den Markt gebracht, der Rest als textiler Abfall zu Fasern recycelt, zu Putzlappen weiterverarbeitet oder als Müll entsorgt.
Mit dem Ukraine-Krieg brachen große Teile des Markts weg
Nachdem dieses System zur Entsorgung der Altkleider über Jahre funktioniert hat, steht es nun aus verschiedenen Gründen vor einem Umbruch. Die Qualität der gespendeten Textilien nimmt seit Jahren ab, da immer mehr billige Kleidung konsumiert und gut erhaltenes selbst weiterverkauft wird. Weiterhin brachen zum Beispiel durch den Ukraine-Krieg große Teile des Gebrauchtkleidermarkts weg.
„Heute übersteigen die Kosten (für die Verwertung, Anmerkung der Redaktion) die Erlöse aus der Sammlung – ergo müsste das DRK uns bezahlen. Das funktioniert in der Praxis natürlich nicht, und somit sind die Systeme in akuter Gefahr, denn weder FWS als wirtschaftlich Beteiligtem noch das DRK hat hier ein Interesse, die abfallwirtschaftlichen Ziele der EU auf eigene Kosten zu erfüllen“, spricht Schien einen der Gründe an.
Denn: Seit Jahresbeginn fordert die EU-Abfallrahmenrichtlinie die getrennte Sammlung von textilen Abfällen. Sie ist laut der entsprechenden Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Sache der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger - also des Landkreises. Eine missverständliche Berichterstattung zu diesem Thema, die suggerierte, dass Textilien nun grundsätzlich über Altkleidercontainer und nicht mehr im Restmüll entsorgt werden dürfen, sorgte für einen steigenden Anteil der in keiner Weise mehr verwertbaren Kleidung in den Containern. Mancherorts wurden diese mittlerweile ganz abgezogen.
Der DRK-Kreisverband Tauberbischofsheim und FWS haben bisher kaum Standorte geschlossen: „Lediglich die jeweils zwei Container vor den Kleiderläden haben wir beiseite gestellt, wobei der Inhalt eines Sammelbehälters bislang an die Kleiderläden ging und der jeweils andere von FWS geleert wurde“, erklärt Rennhofer.
Verwerter steht mit dem Landkreis in Kontakt
„Inklusive der Beistellungen an den Container und den Fehlwürfen in den Containern liegen wir bei 50 Prozent Textilabfällen, die nicht dem Re-Use-Bereich zuzuordnen sind – in unseren Augen genau das Material, welches laut dem Gesetzgeber getrennt durch den Entsorgungsträger zu erfassen und zu verwerten ist. Durch Nichtbefolgung der zuständigen Stellen landet das Material weiterhin in der Sammlung vom DRK und verursacht wirtschaftlichen Schaden“, betont Schien. Seit über einem halben Jahr stehe er diesbezüglich mit dem Landkreis in Verbindung.
Es gehe darum, den Entsorgungsträger von der Notwendigkeit einer Co-Finanzierung zu überzeugen, so Schien. „Der Landkreis ist bestrebt, die Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen auch weiterhin fortzusetzen. Gegenwärtig laufen Gespräche mit allen Beteiligten, um eine für alle Seiten tragfähige Lösung zu finden“, bestätigt Markus Moll, Sprecher des Landratsamts Main-Tauber-Kreis, auf Anfrage der Fränkischen-Nachrichten. Er weist auf die Möglichkeit hin, Textilien bei den Recyclinghöfen des Landkreises abzugeben.
Derweil ist Oliver Schien mit der im Abfall-ABC des Main-Tauber-Kreises gefundenen Formulierung zur Entsorgung der Altkleider nicht einverstanden. Diese schiebe die Verantwortung erneut den Hilfsorganisationen zu und entspreche nicht der Zuschreibung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Im Abfall-ABC heißt es: „Saubere Altkleider und Altschuhe, paarweise gebündelt, in noch tragbarem Zustand können über Altkleidercontainer entsorgt werden. Auch saubere, aber zerrissene Alttextilien sowie Lumpen und Schneiderabfälle können getrennt verpackt über Altkleidercontainer entsorgt werden. Verunreinigte Altkleider – also stark verschmutzte oder mit anderen Abfällen verunreinigte Textilien – sind im Restmüll zu entsorgen.“
Dazu Markus Moll: „Die wirtschaftliche Situation im Textilmarkt ist derzeit herausfordernd. Gerade deshalb dürfen weiterhin nur Textilien abgegeben werden, die tatsächlich wieder verwendet werden können oder sauber genug sind, um stofflich verwertet zu werden. Nicht tragbare, aber noch verwertbare Textilien sollen weiterhin über die Altkleidercontainer und Recyclinghöfe gesammelt werden, allerdings nur in Form von sauberer Kleidung und sauberen Alttextilien, die eindeutig einer Verwertung zugeführt werden können.“ Ziel sei eine klare Trennung an der Quelle, um Verwertungskosten gering zu halten und die Qualität der recycelbaren Stoffe zu erhöhen.
Oliver Schien: „System wird ohne eine Co-Finanzierung überleben“
Für Verwerter Schien drängt sich eine andere Vermutung auf: „Die Entscheidungsträger scheinen abwarten zu wollen, bis in zweieinhalb Jahren eine weitere Gesetzesänderung umgesetzt wird. Dann werden die Hersteller für die Entsorgung und das Recycling verantwortlich sein und die Kosten dafür tragen müssen“, sagt er. Allerdings könne das System diese Zwischenzeit nicht ohne eine Co-Finanzierung überleben.
Im Rotkreuzladen in Wertheim geht es langsam auf den Mittag zu. Mehr als zwei Stunden hat der Laden an diesem Tag noch geöffnet. Anita Edwell notiert einen weiteren Verkauf auf ihrer Liste: Fast 30 Kunden wurden an diesem Vormittag bereits fündig. Kaum getragene beige Winterstiefel und eine grüne Cargohose wechseln gegen wenige Euro den Besitzer. Edwell lächelt und wünscht gut gelaunt einen schönen Tag. Die Kundschaft der Kleiderläden ist bunt gemischt – genauso wie das Sortiment. „Wir wissen heute noch nicht, was wir morgen im Angebot haben“, weiß Birgit Schreck. Eine junge Frau mit Kinderwagen stöbert in der Ecke mit der Kinderbekleidung. „Wenn Sie drei Teile nehmen, gibt es Rabatt“, ruft Edwell ihr zu. Die junge Frau nickt. Sie kommt aus der Ukraine und hat drei Kinder. Deshalb ist sie froh, wenn sie im Rotkreuzladen günstig brauchbare Kleidung findet. „Eigentlich ist es einfach: Was Sie in der Familie und an Freunde weitergeben würden, das ist bei uns genau richtig“, sagt Schreck.
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