Bad Mergentheim. Tausende Einsätze in der Region hat er mitgemacht und hunderte Feuerwehr-Kameraden über mehr als viereinhalb Jahrzehnte kennengelernt, begleitet, ausgebildet und geführt: die Rede ist von Karl-Heinz Barth (64), dem Bad Mergentheimer Stadtkommandanten und Leiter der Feuerwehr, der seinen Posten räumt und Ende des Monats in den Ruhestand wechselt.
Würde man ihm eine Landkarte vom Stadtgebiet Bad Mergentheim und der Umgebung überreichen und dazu eine große Schachtel Pins, um alle Unfallstellen, Brandorte, voll gelaufenen Keller, überfluteten Straßen und sonstigen Einsatzstellen zu kennzeichnen, so wäre die Karte wohl nachher kaum mehr zu sehen – so viel ist in 46 Jahren passiert. 1978 trat Karl-Heinz Barth mit 18 in die aktive Wehr der Kernstadt ein und blieb bis heute dabei.
Zur Person
Karl-Heinz Barth ist gelernter KfZ-Mechaniker. Dann arbeitete er als Karosseriebauer und schließlich 30 Jahre lang bei der Firma Palux. Erst 2015 wechselte er zur Stadt Bad Mergentheim in den Bereich „Liegenschaften“. Mit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 wurde er der Feuerwehr dauerhaft zugeordnet. „Ich war dann zuständig für die technische Umsetzung der Corona-Verordnungen“, so Barth. Stadtkommandant wurde er 2022.
Rückblickend lobt er seinen ehemaligen Chef bei Palux, denn dieser ließ ihm viele Möglichkeiten für die ehrenamtliche Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr. „Ich leistete in der Firma meine 40-Stunden-Woche und konnte immer weg, wenn es brannte. Es braucht genau solche Chefs, die die Feuerwehrleute in ihren Reihen unterstützen, ihnen gewisse Freiheiten lassen, ihre Arbeit zu erledigen, aber trotzdem im Notfall davon zu eilen. Ohne diese großzügigen Arbeitgeber wäre das System Ehrenamt in der Feuerwehr schon am Ende“, ist Barth überzeugt.
Barth ist großer Fan der Bad Mergentheimer Partnerstadt Digne-les-Bains in Frankreich: „Ohne die Feuerwehr wäre ich nie nach Digne-Les-Bains gekommen. Ich habe dort viele Freunde gewonnen.“ Toll sei ebenso die Feuerwehrfreundschaft mit Bregenz.
Sein großes Hobby ist das Radfahren – über 4000 Kilometer pro Jahr. „Künftig dürfen die Routen auch weiter weg führen. In der Heimat musste das Dienstfahrzeug bislang immer gut erreichbar bleiben.“
Der Ruhestand soll auch der Familie zugute kommen, die über die Jahre zu kurz kam, so Barth. Noch mehr genießen will er zudem seinen Zweitwohnsitz nahe Bad Tölz. sabix
Er erinnert sich noch gut, an die Kuh in einem Stadtteil, die aus ihrem Stall davonlief und in den nahen Keller stolperte. „Sie kam die Treppe hinunter, aber nicht mehr hinauf“, schmunzelt Barth. Die Feuerwehr eilte herbei, baute eine Rampe, drehte die Kuh im Keller mit Hilfe von Tierexperten und schob beziehungsweise zog sie schweißtreibend und so behutsam wie möglich wieder zurück ans Tageslicht.
Von Affen und Kühen
Und dann gab es den ausgebüxten Affen eines Wanderzirkus bei Niederstetten. „Wir rückten mit der Drehleiter an, doch das Tier im Baumwipfel verschmähte unsere Annäherungsversuche und die angebotenen Bananen. Der Affe lachte uns sicher aus“, so Barth kopfschüttelnd. Die Feuerwehr gab nach mehreren Stunden auf, am Tag danach trieb wohl der Hunger den Affen zurück in die Hände seiner Besitzer.
Genauso gab es aber auch 1978 – im ersten Jahr Barths als aktiver Feuerwehrmann – den großen Lagerhallen-Brand bei Bembé Parkett in den Herrenwiesen. Oder 1984 die Überlandhilfe beim Fronleichnams-Hochwasser im Mittleren Taubertal: „Wir halfen in Lauda und tauberabwärts. Die Wassermassen waren unvorstellbar, die Schäden durch die Überflutungen enorm.“
1994 der Großbrand am Caritas-Krankenhaus – ein Mega-Einsatz. Und schließlich Anfang der 2000er Jahre ein furchtbarer Hausbrand in der Marienstraße im Weberdorf mit drei Toten und kurze Zeit später noch ein Toter bei einem Dachstuhlbrand in Edelfingen. „All das muss man erst einmal verarbeiten – und im Einsatz selbst professionell seine Arbeit machen“, sagt Barth, dem es auch immer wichtig war, sich danach um seine Leute zu kümmern. Er ist froh, dass es die Notfallseelsorge seit vielen Jahren gibt und man hier auch ganz vertraulich seinen persönlichen Schmerz und seine Eindrücke teilen kann.
„Als ich angefangen habe, hatten wir in Bad Mergentheim vielleicht 50 bis 60 Einsätze im Jahr – 2018 waren es über 400! Aktuell liegen wir 2024 bei deutlich über einem Einsatz pro Tag, da ist schon die Belastungsgrenze für die ehrenamtliche Arbeit erreicht“, verweist Barth auf die Entwicklungen im Feuerwehrwesen. Viel hat sich verändert.
Barth, der in Creglingen geboren ist, zog bereits im Alter von zwei mit seinen Eltern nach Bad Mergentheim um. Von klein auf war er von der Feuerwehr fasziniert, denn sein Vater bekam in der Kurstadt eine Anstellung beim städtischen Bauhof und musste gleichzeitig die Stelle des Gerätewarts bei der Feuerwehr übernehmen. Stunden- oder gar tageweise war Barths Vater für Feuerwehrtätigkeiten abgeordnet und sein Sohn begleitete ihn regelmäßig ins alte Feuerwehrgerätehaus, das heutige Kulturforum am Hans-Heinrich-Ehrler-Platz, und wurde mit der Feuerwehr in den 1960er und 70er Jahren groß.
„Ich bin noch sechs Jahre von dort mit ausgerückt, ehe 1984 der Umzug in die neue, viel größere Hauptfeuerwache ’Zwischen den Bächen’ erfolgte“, so Barth.
Er stieg aktiv ein und leitete schon bald für viele Jahre die Jugendfeuerwehr. Danach übernahm er mehr als drei Jahrzehnte lang die Ausbildungskoordination für die aktiven Kameraden – bis 2022. Als Lehrgangsleiter plante er die Ausbildungen federführend und führte auch viele selbst durch.
Ab Ende der 1990er Jahre stieg Karl-Heinz Barth in die Führungsverantwortung der Abteilung „Kernstadt“ ein und leitete als Abteilungskommandant im Führungsduo zusammen mit Jörg Sambeth die Wehr der Kernstadt. Danach stieg er zum stellvertretenden Stadtkommandanten auf. Andreas Geyer kam damals als erster hauptamtlicher Stadtkommandant in die Kurstadt. „Nachdem ich mit Andreas sehr gut harmonierte, blieb ich als alter Hase zehn Jahre lang in dieser Funktion, denn Andreas hat die Feuerwehr sehr verändert, moderner und besser gemacht und das hat mich mitgerissen und begeistert“, erzählt Barth.
Geyers Nachfolger blieb nicht lang und so wurde Karl-Heinz Barth 2022 neuer Stadtkommandant. „Wir hatten die Corona-Pandemie und zu viele offene Baustellen. Es liefen große Modernisierungsmaßnahmen und es bestand die echte Gefahr, dass eine Vakanz bei der Führung wichtige Projekte ins Stocken bringt, das wollte ich nicht riskieren, also sagte ich die neue Aufgabe, die mir angetragen wurde, zu“, so Barth.
Ab Oktober werde er der Feuerwehr nicht komplett den Rücken kehren, sich aber rar machen, „denn ich möchte meinem Nachfolger seinen nötigen Raum lassen“. Er kündigt im FN-Gespräch an, dass er sich ehrenamtlich bei den Maltesern in Lauda-Königshofen engagieren wolle und sich schon darauf freut.
Auf seine persönliche Bilanz nach 46 Jahren angesprochen, meint Barth nachdenklich, dass er wohl Bücher mit Geschichten füllen könnte. Schön sei stets die große Kameradschaft gewesen. Schön war ebenso, dass man vielfach helfen konnte, auch in dem Wissen, dass die Einsätze stets einschneidend für die betroffenen Bürger waren und manche auch ihr Leben verloren. „Auch Arbeitskollegen und gute Bekannte kamen ums Leben und wir als Feuerwehr konnten nicht mehr helfen, das nimmt einen mit und trotzdem funktioniert man an der Einsatzstelle“, berichtet Barth betroffen. Es gebe Bilder im Kopf, die immer wieder auftauchen, aber auch die guten Seiten, wenn man Leute in der Stadt treffe, die man aus großer Not habe retten können. Dann wird gegrüßt und man lächelt sich gegenseitig an.
Zum Abschied wünscht sich Barth, dass der Konstrukt Ehrenamt noch über Jahrzehnte bei der Feuerwehr funktioniert sowie zusammen mit dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung weiterhin gute Kompromisse gefunden werden, um den wichtigen Feuerwehrbedarfsplan Stück für Stück umzusetzen: „Allen muss klar sein: Die Feuerwehr ist eine kommunale Pflichtaufgabe! Eine moderne Ausstattung ist auch immer ein Motivationsschub für die kleineren Abteilungen, denn auch die werden gebraucht und müssen funktionieren. Denn: Nur gemeinsam sind wir stark!“
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