Bad Mergentheim. In der Gewerblichen Schule Bad Mergentheim, geleitet von Schulleiter Peter Wöhrle, stehen traditionelle Berufe vor enormen Herausforderungen, teilweise sogar vor dem Aus. Mit rund 1100 Schülern, davon knapp 840 in der dualen Ausbildung, weist die Berufsschule stabile Anmeldezahlen in herausfordernden Zeiten auf, in bestimmten Zweigen schrumpfen sie jedoch dramatisch. Der demografische Wandel und veränderte Berufsvorstellungen der Jugend machen sich deutlich bemerkbar.
Bereiche, die besonders gefährdet sind, sind das Nahrungsgewerbe und die Werkzeugmacher. Die Metzger-Schulausbildung musste man schon vor einiger Zeit nach Buchen abgeben, aber auch dort kämpfe man jetzt. „Das wird wohl dauerhaft nach Heilbronn gegeben“, vermutet Wöhrle, der seit 2016 die Gewerbliche Schule in der Kurstadt Bad Mergentheim führt und zudem seit 2020 geschäftsführender Schulleiter aller Berufsschulen im gesamten Main-Tauber-Kreis ist.
Harter Kampf ums Bäckerhandwerk
Er berichtet von einem harten Kampf, um das Bäckerhandwerk in seiner Schule zu halten. Man mache einen berufsfeldübergreifenden Unterricht und es gebe zum Glück ein paar neue Schüler aus Südostasien. Damit komme man auf 30 Auszubildende über alle drei Schuljahre – acht sollten es pro Ausbildungsjahr mindestens sein. Ein Problem sei das Nachmelden der Betriebe, das ziehe sich bis in den September zum Schuljahresbeginn, so Wöhrle, und hänge natürlich mit der geringen Nachfrage zusammen. „Die Bäcker, die den Job lernen wollen, machen das wirklich aus Überzeugung. Viel schwieriger ist es Bäckereifachverkäuferinnen zu finden. Das braucht leider niemand mehr“, stellt Wöhrle fest. In den Backshops gebe es Selbstbedienung oder angelernte Hilfskräfte wie Schüler oder Studenten. „Eine dreijährige Ausbildung ist heute hier nicht leider mehr gefragt – das ist ein aussterbendes Berufsbild.“
Auch neue Werkzeugmacher scheint niemand mehr zu benötigen, weil Werkzeuge heute durch Maschinen und eben den 3D-Druck produziert werden. „Dieser Bereich ist ebenso am Auslaufen“, erklärt Wöhrle, „nach vielen Jahrzehnten, wo es diese Ausbildung hier in Bad Mergentheim immer gab“.
Aus drei Standorten könnten zwei werden
Erholt habe sich dagegen der Bereich der Industriemechaniker mit wieder gut über 20 Schülern im ersten Ausbildungsjahr. Aktuell bieten drei Standorte, Bad Mergentheim, dazu Tauberbischofsheim und auch Wertheim die Ausbildung an. „In Zukunft sollen es wohl aus Sicht des Regierungspräsidiums nur noch zwei Standorte sein. Da müssen wir schauen, was politisch entschieden wird“, so Wöhrle. Große Nachfrage herrsche aktuell im Elektro-Handwerk, von zwölf Schülern springt man nun auf 28 im ersten Ausbildungsjahr hoch. „Das ist sehr am Schwanken und wir wissen nicht so wirklich warum.“
Sehr gut laufen auch der Bereich Sanitär-Heizungs-Klima, die Kraftfahrzeugmechatroniker-Ausbildung und der Mechatroniker-Bereich. Bei Letzterem gebe es ebenso Anstöße von außen für Veränderungen, erzählt Wöhrle, weil Wertheimer Betriebe einen zweiten Elektrostandort in der Berufsschule Wertheim verortet wissen wollen. Die aktuelle Zahl an Berufsschülern im Landkreis reiche aber für zwei Standorte derzeit nicht aus. Der Schulträger sowie das Regierungspräsidium seien eingebunden und beobachten die Situation.
„Friseur und Körperpflege“ ein kritisches Feld
Mit fast 70 Lehrern stemmt die Gewerbliche Schule die Unterrichtsversorgung. Nachdem ab Herbst Kräfte wegfallen, wird laut Wöhrle die Situation vor allem in den allgemeinbildenden Fächern schwieriger. Im fachlichen Bereich sei man weiterhin gut aufgestellt, nur im KfZ-Bereich könnte in einem Jahr ein Engpass entstehen. Neue Unterstützung gibt es für das Segment „Friseur & Körperpflege“. Hier könne man, so der Schulleiter, durchaus von einem kritischen Feld sprechen, weil man zwar im ersten Berufsschuljahr gut aufgestellt sei, aber eben nicht alle ins zweite Jahr weitergehen. Wöhrle meint: „Wir sind aber immer noch zweistellig bei den Schülerzahlen und dazu der einzige Berufsschulstandort im Landkreis, deshalb ist das erstmal alles sicher.“ Immerhin gebe es über 100 Friseurbetriebe im Landkreis
„Was uns richtig Sorge bereitet, sind die beruflichen Gymnasien, gerade das Technische Gymnasium. Sie sind im ganzen Land auf dem absteigenden Ast. Warum ist auch hier nicht ganz klar“, berichtet Wöhrle – es gebe wohl Vorurteile, dass die Mathematik am TG schwieriger sei, doch das stimme nicht. An einem Sozialwissenschaftlichen Gymnasium beispielsweise gebe es am Ende die selbe Mathematik-Prüfung. Grundsätzlich sei der MINT-Bereich mit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik in einer Schieflage, bedauert Wöhrle die seit Jahren sinkende Nachfrage und das obwohl es „viele sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze in der Region gibt und die Chancen durch MINT ein bisschen verkannt werden – die Schüler sollten das immer mit betrachten“.
Schüler vor Ort informieren und aufklären
Was kann man tun? „Aufklären“, antwortet Wöhrle. Es finden Informationstage in den Schulen statt. Zielführend sei es, die Schüler in die Berufsschule reinschnuppern zu lassen, hier Projekte machen zu lassen – unter dem Motto was macht eigentlich so ein Technisches Gymnasium. Kooperationen sind dazu wichtig und bereits im Aufbau, mit der Umpfertalschule in Boxberg und der St. Bernhard-Realschule in der Kurstadt. Nur mit Social Media-Clips um Schüler zu werben, sei zu wenig, ist sich Wöhrle sicher: „Die Schüler sollen es mit eigenen Augen sehen. Wir machen auch Berufsorientierung für Eltern, damit sie mit ihren Kindern zu uns kommen.“
Weiter berichtet Wöhrle, dass es einen richtigen Boom bei AVdual, dem Bildungsgang „Ausbildungsvorbereitung dual“, gibt. Und die Vorbereitungsklassen für die Flüchtlinge (VABO) mit den aktuellen Zugangszahlen gut gehändelt werden könnten. Einen erhöhten Ausländeranteil gebe es vor allem bei den Umschulungsklassen mit dem UFZ in Niederstetten, mit dem man sehr gut zusammenarbeite.
Im FN-Gespräch blickt Peter Wöhrle auch auf die Baustellen der Vergangenheit und ist froh, dass die Gewerbliche Schule hier die größten Brocken hinter sich hat. Umgebaut werden soll nun nur noch der ehemalige Verkaufsraum für Bäcker und Fleischer in der neuen Werkstatt. Hier soll ein „Maker-Space“, eine Zukunftswerkstatt, entstehen. Wöhrle hofft auf die Fertigstellung zum Halbjahr, also im Februar/März 2026. Zur technischen Ausstattung insgesamt ergänzt der Schulleiter: „Wir sind sehr gut ausgestattet und danken dem Schulträger dafür. Das technische Equipment ist super, wir haben selbst einen 3D-Drucker für Zahnabdrücke zur Verfügung, um die Medizinischen Fachangestellten entsprechend zu schulen.“
Dauerthema „Mangel an Parkplätzen“
Zum Mangel an Parkplätzen rund um die Schule merkt Wöhrle abschließend auf FN-Nachfrage an: „Die Parksituation ist wie jedes Jahr sportlich. Ich würde mir mehr Parkplätze im Umfeld wünschen, es fehlen auch Motorrad- und Roller-Stellplätze. Es ist ein Dauerthema! Es wäre hilfreich, wenn Schüler mehr gemeinschaftlich fahren würden oder wenn die aus der Kernstadt Bad Mergentheim zu Fuß kämen.“
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-traditionelle-berufe-teilweise-vor-dem-aus-_arid,2318193.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim.html
[3] https://www.fnweb.de/orte/wertheim.html