Bad Mergentheim. Nach 53 Jahren wird die beliebte Reihe „Museumskonzerte im Schloss“, ein kultureller Leuchtturm der Kurstadt, laut bisherigem Veranstalter eingestellt. „Literatur im Schloss“ heißt inzwischen „Literatur allerorten“. Mehrere Veranstaltungen im Deutschordensschloss finden also nicht mehr statt. Die Küche darf nicht mehr genutzt werden, Stromanschlüsse sind außer Betrieb, Räume von örtlichen Vereinen werden gekündigt und hohe Auflagen sind von jedem Nutzer zu erfüllen. Man erinnert sich noch gut an das Hin und Her um den Martinsumzug im Schlosshof. Was ist da los im Schloss?
Die Fränkischen Nachrichten sprachen mit verschiedenen Akteuren. Die Schlossverwaltung, die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG), erklärt, dass man sich an Vorgaben des Landes zu halten habe und aufwendige Brandschutz-Sanierungsmaßnahmen im Residenzschloss nötig sind. Von einem Millionenaufwand ist die Rede. Eine Benachteiligung für Bad Mergentheimer Vereine und Veranstalter sieht man nicht.
Wirtschaftliche und organisatorische Zukunft im Fokus
Und auch die Stadt Bad Mergentheim meint, „dass sehr wohl noch Vereine, Gruppen und Veranstalter im Schloss unterkommen können“. Der Übergang des Deutschordensschlosses an den Landesbetrieb SSG sei gewollt gewesen und offiziell gehöre man seitdem zu den 60 bedeutendsten Monumenten im Land. Alle Gesellschafter seien sich einig gewesen, so die Stadt, dass mit den anstehenden großen Aufgaben hinsichtlich Sanierungsmaßnahmen im Schloss und der Neukonzeption der Ausstellung im Deutschordensmuseum „die einzige wirtschaftliche und organisatorische Zukunft in der SSG liegt“.
Dass der Museumsverein die langjährige Tradition der Museumskonzerte in Bad Mergentheim nach 53 Jahren im Sommer beendet, berichteten die FN vor kurzem. Das sorgte für Aufsehen und Bedauern. Christoph Böhmke ist maßgeblich an der Organisation dieser Konzerte beteiligt und ihn macht es „unfassbar traurig“, dass die Reihe eingestellt wird. Er beklagt, dass der engagierte Verein, der mit seinen Konzerten stets das Schloss für die Menschen in der Region beleben wollte, „auf einmal nur noch als Mieter und die Veranstaltungen quasi als externes Angebot“ angesehen wurden, seit die SSG die Verantwortung übernahm. „Eine Vermietung unter vielen. So kann die Arbeit eines gemeinnützigen Vereins, der ausschließlich von ehrenamtlichen Menschen getragen wird, nicht funktionieren“, ärgert sich Böhmke und kritisiert, dass „wirtschaftliche Aspekte“ Vorrang bekämen. „Wenn wir uns nur noch auf Fantasy-Spektakel, Dinosaurier-Shows und Teddybären-Ausstellungen beschränken, höhlen wir eine Gesellschaft intellektuell langfristig aus.“ Auch Kunst sei ein Standortfaktor, so Böhmke: Aber für die Arbeit des Museumsvereins und die 45.000 Besucher über fünf Jahrzehnte gebe es wohl keine Lobby. „Es war mir immer eine Ehre, in den letzten Jahren den Menschen künstlerische Inhalte auf höchstem Niveau präsentieren zu können“, sagt Böhmke und fügt an, dass er sehr gerne weiter zur Verfügung steht, „wenn meine Expertise gebraucht wird“.
Hohe Mietkosten, technische Probleme, schlechte Atmosphäre
Zur Veranstaltungsreihe „Literatur im Schloss“, die mittlerweile den Namen „Literatur allerorten“ trägt, äußert sich Ulrich Rüdenauer. Sie startete 2005 auf Initiative von Maike Trentin-Meyer, damals Direktorin des Deutschordensmuseums, der Buchhandlung Moritz & Lux und Rüdenauer selbst. Hohe Mietkosten, technische Probleme und eine veränderte Atmosphäre im Schloss hätten die Zusammenarbeit mit den SSG erschwert, berichtet Ulrich Rüdenauer und er betont die Notwendigkeit einer flexibleren und kooperativeren Haltung seitens der Schlossverwaltung, um nicht-gewinnorientierte kulturelle Veranstaltungen im Schloss zu unterstützen.
Rüdenauer bedauert, dass die SSG gleich zu Beginn ihres Einstiegs in Bad Mergentheim deutlich machte, nicht mehr als Mitveranstalter von „Literatur im Schloss“ zur Verfügung stehen zu können. „Das warf mehrere Probleme auf.“ Mit dem Kulturverein wurde zwar ein neuer Partner gefunden, aber die Miete für die Räume im Schloss stieg. „Trotz eines ‚Kulturrabatts‘ sind die Forderungen der SSG einfach zu hoch“, bringt es Rüdenauer auf den Punkt. Dazu komme eine marode Technik im Haus.
Die Reihe finanziere sich aus Sponsorengeldern, Spenden und öffentlichen Mitteln. „Wir müssen jedes Jahr von neuem versuchen, Gelder zusammenzutragen“, betont Rüdenauer und stellt auch klar, dass Monika Menth, die Leiterin der Schlossverwaltung, „uns sehr ermutigt hat, die Reihe fortzusetzen“. Allerdings habe dieser Zuspruch am Ende nicht dazu geführt, dass man im Schloss bleiben konnte. Aus Brandschutzgründen dürften keine Steckdosen benutzt werden, die Küche sei außer Betrieb, die Zahl der Besucher „empfindlich gedeckelt“. Rüdenauer berichtet: „Beim letzten im Schloss stattfindenden Büchermarkt ‚Winterlese‘ 2023 mussten drei Feuerwehrleute vor Ort sein, die selbstverständlich bezahlt werden mussten, dazu arbeitet die SSG mit einem Sicherheitsdienst zusammen, was einfach atmosphärisch nicht sonderlich angenehm ist. Apropos Atmosphäre: Ins Museum ist ein etwas pedantisches Klima eingezogen, was die Zusammenarbeit erheblich erschwert hat. Zudem scheint es mir an einem Gefühl dafür zu mangeln, welche Bedeutung dieses Schloss eben auch als wichtiger Kultur- und Begegnungsort für die Stadt hat. Früher war es eine Freude, ins Schloss zu kommen, alle waren sehr herzlich, freundlich und kooperativ. Plötzlich hatten viele das Gefühl, als Bittsteller und Eindringlinge wahrgenommen zu werden. Wo vorher ein roter Teppich ausgelegt war, wurden uns nun Steine in den Weg gelegt.“
„Es gab anfangs Gespräche - erfreuliche und unerfreuliche“
Ulrich Rüdenauer sagt auch: „Es gab anfangs viele Gespräche. Erfreuliche mit Frau Menth. Und unerfreulichere mit anderen Mitarbeitenden der SSG-Verwaltung. Sagen wir so: Das Bemühen und auch ein Problembewusstsein waren da, aber die Strukturen haben eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht zugelassen.“ Das Konzept „Literatur allerorten“ sei nun offen und würde gerne auch wieder im Deutschordensmuseum Station machen, so Rüdenauer, gerade auch im Hinblick auf die 2026 in Bad Mergentheim ausgerichteten „Baden-Württembergischen Literaturtage“. Allerdings müssten die finanziellen und die anderen Rahmenbedingungen stimmen.
Braucht es einen runden Tisch mit den SSG und der Stadt um über die Probleme im Schloss zu sprechen? Dazu antwortet Rüdenauer: „Die Stadt war immer an allen Entscheidungen beteiligt. Tourismusdirektor Kersten Hahn hat sich in außerordentlichem Maße dafür eingesetzt, gute Lösungen zu finden. Ich denke, es wäre sinnvoll, sich irgendwann noch einmal zusammenzusetzen. Vielleicht bekommt das Schloss in absehbarer Zeit auch die Probleme mit der Elektrik in den Griff, so dass wieder mehr Gäste ins Haus dürfen und etwa die Küche wieder genutzt werden kann.“
Traditionelle Veranstaltungen und neue Formate sind gefragt
Für die SSG antwortet Peter Stahnke, der Monumentsverwalter des Residenzschlosses Mergentheim, auf die FN-Fragen. Er betont zunächst: „Das Residenzschloss des Deutschen Ordens dient als Veranstaltungsort für unterschiedliche Formate. Die zentrale Aufgabe der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg besteht darin, das kulturelle Erbe für ein breites Publikum zugänglich zu machen. Dabei sind sowohl traditionelle Veranstaltungen als auch neue Formate von Bedeutung. Wir sind stolz, dass wir die Besuchszahlen deutlich steigern konnten.“
Auch in den kommenden Jahren seien „örtliche Traditionsveranstaltungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Auflagen ausdrücklich erwünscht“, ergänzt Stahnke und kommt dann auf die Kritik an den Auflagen zu sprechen: Diese seien heute strikter als noch vor 20 Jahren. Auch Preissteigerungen machten die Veranstaltungen teurer – „unabhängig vom Durchführungsort“.
Sind die Auflagen für die Vereine und Ehrenamtlichen zu hoch? Dazu sagte Stahnke, dass der im äußeren Schlosshof endende St. Martinsumzug und das anschließende St. Martinsspiel am 11.11. vergangenen Jahres „reibungslos verliefen“. Und er fügt an: „Die Auflagen sind gesetzlich festgelegt und dienen der Sicherheit aller Teilnehmenden. Wir heißen nach wie vor Vereine und Ehrenamtliche sehr gerne im Schloss willkommen, sind als Landesbetrieb jedoch an die rechtlichen Auflagen gebunden.“ Den Veranstaltern von öffentlichen Kulturformaten komme man mit einem „deutlichen Rabatt auf die Platz- und Saalmieten“ entgegen.
Zur Kündigung von Räumen des Museumsvereins meint Stahnke, dass dies „aus betrieblichen Gründen“ geschah. Das Land habe dem Verein aber ein entsprechendes Alternativangebot im Schlossareal unterbreitet. Und zur stillgelegten Küche sagt er: Diese stehe „aus sicherheitstechnischen Gründen“ nicht mehr zur Verfügung, weder für Externe noch für die SSG selbst.
Es gibt einen enormen Sanierungsstau
Wie steht es um den Brandschutz im gesamten Schloss? Welche Investitionen sind hier geplant? „Das Residenzschloss des Deutschen Ordens wurde 2023 mit einem enormen Sanierungsstau in die SSG-Familie aufgenommen“, erklärt Peter Stahnke: „Es sind beträchtliche Investitionen seitens des Landes notwendig, um dieses herausragende Monument zu erhalten und auch in Zukunft weiter betreiben zu können. So sind aktuell Brandschutzmaßnahmen für über eine Million Euro geplant. Die Maßnahmen werden im laufenden Betrieb umgesetzt.“
Auch die Stadtverwaltung kommt noch ausführlich zu Wort, siehe dazu den separaten Artikel.
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