Gemeinderat Bad Mergentheim - Stellungnahme des Oberbürgermeisters zum Krieg in Osteuropa und den konkreten Auswirkungen auf die Kurstadt / 350 ukrainische Flüchtlinge schon angekommen

Bad Mergentheim: Pläne für Notunterkünfte werden erarbeitet

Die Folgen des russischen Angriffskrieges haben längst Bad Mergentheim erreicht. 350 ukrainische Flüchtlinge sind bereits angekommen und Pläne für größere Notunterkünfte werden ausgearbeitet.

Von 
Sascha Bickel
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Flüchtlinge aus der Ukraine sind auf diesem Beispielbild in Deutschland angekommen und werden von Helfern in Empfang genommen. © dpa

Bad Mergentheim. „Unsere Solidarität gilt nicht nur den Menschen in der Ukraine selbst, sondern auch jenen Kriegsvertriebenen, die hier bei uns in Bad Mergentheim Schutz suchen“, leitete Oberbürgermeister Udo Glatthaar die jüngste Sitzung des Gemeinderates am Donnerstagabend im Kursaal ein und erklärte weiter: „Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich einige Worte zum völkerrechtswidrigen Invasions- und Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine mit all seinen Schrecken sagen und der Öffentlichkeit aktuelle Informationen geben.“

„Bislang kamen rund 350 Kriegsflüchtlinge, davon allein über 120 Kinder, in Bad Mergentheim an“, so Glatthaar: „134 Ukrainerinnen und Ukrainer hat unser Bürgeramt bis zu diesem Donnerstag angemeldet und mit einer Anlaufbescheinigung vom Ausländeramt ausgestattet. Alle notwendigen Unterlagen werden ganz unbürokratisch an die Personen versendet. Bei der Anmeldung wird den Flüchtlingen mitgeteilt, dass sie ein Bankkonto eröffnen und den Briefkasten ihrer Unterkunft beschriften sollen.“

„Wir tun alles“

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„Wir tun alles dafür“, sagte Glatthaar, „die Menschen schnell in den Leistungsbezug und die medizinische Versorgung zu bringen. Wir haben unsere Verwaltungsstrukturen kurzfristig umgestellt: So wurden im Bereich des Bürgeramts zusätzliche Arbeitsplätze eingerichtet. Das Ausländer- und das Bürgeramt arbeiten die kommenden Samstage, vormittags, mit vierstündigen Sonder-Öffnungen ausschließlich für Ukraine-Flüchtlinge.“

Verwaltungsmitarbeiter hätten ihre Urlaube verschoben und ein fachkundiger Kollege sei aus dem Ruhestand heraus „aktiviert“ worden, berichtete Glatthaar und meinte weiter: „Eine Mitarbeiterin wird den Arbeitskreis Asyl fest unterstützen. In unserer zentralen Task Force, die neben Einwohnermeldeamt und Ausländeramt eingerichtet worden ist, wird Hilfe und vor allem Wohnraum vermittelt. Bislang wurden uns von Bürgern zehn Zimmer, 22 Wohnungen und drei Häuser zur Verfügung gestellt – ein Großteil davon ist bereits vermittelt. Im Namen der Stadt und des Gemeinderates sage ich Danke für die überwältigende Hilfsbereitschaft. Besonderer Dank gilt den Ehrenamtlichen im Arbeitskreis Asyl, mit denen wir eng und gut zusammenarbeiten und die in diesen Tagen unermüdlich im Einsatz sind!“ Applaus von den Stadträten folgte.

Noch größere Herausforderungen

„Wir gehen davon aus, dass die Herausforderungen für unsere Stadt auf absehbare Zeit noch deutlich größer werden“, fügte Glatthaar an und ergänzte mit Blick auf Millionen Kriegsvertriebene in Europa: „Wir müssen mit sehr hohen monatlichen Zuweisungen an ukrainischen Flüchtlingen rechnen; zudem kommen weiterhin Menschen von sich aus zu uns. Wir brauchen also weitere Unterkünfte, genauso wie Konzepte zur Betreuung und Beschulung von Kindern – alles in Abstimmung mit der Kreis-, Landes- und Bundesebene. Im Dialog mit den Ortsvorstehern werden aktuell städtische Gebäude wie Turnhallen oder Dorfgemeinschaftshäuser auf ihre mögliche Verwendung als Notunterkünfte geprüft und zumindest für den Fall der Fälle entwickeln wir einen Plan für das dann notwendige Vorgehen.“

Für Solidarität warb der Oberbürgermeister bei den eigenen Bürgern und für Verständnis, dass gerade manche Verwaltungsvorgänge bedingt durch personelle Corona-Ausfälle und die Versorgung der Flüchtlinge etwas länger dauern.

Energieversorgung

Auch die Energieversorgung im Stadtgebiet sprach Glatthaar aktiv an und er betonte, dass man in Gesprächen mit dem Stadtwerk, der Thüga und den Gremien des Städte- und Gemeindetags über die Auswirkungen des Krieges auf die lokale Infrastruktur sei.

Der Rathaus-Chef bat die Stadträte sowie die Bürger angesichts der Herausforderungen, „die nun auf uns zugekommen, um einen pragmatischen Umgang mit der Situation und mit den Themen, um Besonnenheit in Ton und Sprache und um Zuversicht, dass wir stark genug und gut genug sind, auch diese riesigen Aufgaben zu meistern“.

Heimatschutz?

CDU-Stadtrat Ulrich Gebert verlangte später am Abend unter dem Punkt „Verschiedenes“, dass die Stadt sich ganz neue Gedanken über die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung in Krisenzeiten mache. Er erwähnte unter anderem Vorratslager für Lebensmittel und Speicher für Öl und Gas. OB Glatthaar antwortete, dass die Verwaltung gerade ihre Strukturen für Krisenfälle überarbeite. Wolfgang Herz (CDU) bat darum, einen Antrag zum neuen Sirenen-Förderprogramm des Bundes zu stellen, ehe Andreas Lehr, der CDU-Fraktionschef, erklärte, dass der Krieg wohl nicht so schnell vorbei sein werde und die Stadt sich deshalb auf eine längere Versorgung von Flüchtlingen einstellen müsse.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Inge Basel rief alle Bürger auf, freien Wohnraum für die Vertriebenen bereit zu stellen und lobte die Stadtverwaltung für ihren Einsatz, den Flüchtlingen schnell und gut zu helfen. Diesem Lob schloss sich auch der Fraktionschef der Grünen, Thomas Tuschhoff, sofort an. Er erinnerte daran, dass die ukrainischen Familien mittellos seien, weil ihr Geld hier nichts wert sei, und entsprechend bräuchten sie schnell finanzielle Unterstützung zur Bewältigung ihres Alltags. Tuschhoff brachte abschließend und in die Zukunft gerichtet noch den Vorschlag zur Übernahme einer Städtepartnerschaft mit einer ukrainischen Kommune ein.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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