Jugendtechnikschule im Main-Tauber-Kreis

Bad Mergentheim: „Kinder können sich hier ausprobieren“

Die Jugendtechnikschule im Bad Mergentheimer Schloss begeistert Kinder für Technik und fördert MINT-Themen.

Von 
Linda Hener
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Das Bild zeigt Dr. Manfred Wittenstein (sitzend) 2016 bei der Gründung der Jugendtechnikschule. © Wittenstein-Stiftung

Bad Mergentheim. Vor rund zehn Jahren hatte Dr. Manfred Wittenstein die Idee einer Jugendtechnikschule (JTS) in der Region: ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe mit technischen und naturwissenschaftlichen Projekten in Berührung kommen und bestenfalls ihre Begeisterung dafür entwickeln. Inzwischen bietet die JTS nicht nur Kurse in ihren Räumen des Bad Mergentheimer Schlosses an, sondern ist mobil an Schulen und Kindergärten im ganzen Landkreis unterwegs. Die Fränkischen Nachrichten begeben sich in den nächsten Wochen auf die Spuren der Jugendtechnikschule und ihres großen Netzwerkes. Im Interview zum JTS-Serienauftakt spricht Manfred Wittenstein über die Hintergründe der Entstehung und auch, was er sich für eine künftige regionale Jugendförderung erhofft.

Dr. Manfred Wittenstein, wie kam es zu Ihrer Idee der Jugendtechnikschule, kurz JTS?

Manfred Wittenstein: Als Technologieunternehmer war ich stets daran interessiert, junge Menschen für MINT-Themen, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, zu begeistern. Unsere Mitarbeitenden kommen größtenteils aus der Region und würde sich hier niemand mehr mit Technik beschäftigen wollen, hätten wir lokal ein großes Problem. Darüber hinaus sollten wir verstehen, dass die Entwicklung technischer und digitaler Produkte für uns alle in Deutschland zentral ist. An Innovationen und deren Verkauf und Export hängt unser Wohlstand. Nur mit Dienstleistungen können wir den nicht erhalten. Deshalb haben wir uns bei Wittenstein schon vor über zwanzig Jahren für die Talentförderung stark gemacht und unter anderem den Erfinderwettbewerb Kreative Köpfe für Schülerinnen und Schüler auf die Beine gestellt. Mit der Wittenstein-Stiftung unterstützen wir zudem die Exzellenz-Forschung und herausragende MINT-Leistungen. Die JTS ist somit einer unserer zentralen Bausteine, MINT-Themen zu fördern, sie positiv in der Öffentlichkeit zu präsentieren – in diesem Fall frühzeitig damit zu beginnen und eben nicht bis zum Schulabschluss der Jugendlichen zu warten, um ihnen dann erst zu zeigen, was es alles gibt.

Gab es ein Vorbild für die JTS?

Wittenstein: Es war kurz vor meinem 70. Geburtstag, als ich einige Male gefragt wurde, womit man mich beschenken könne. Zum damaligen Zeitpunkt war mir die Jugendtechnikschule in Fellbach aufgefallen und ich fand, das war ein wunderbares Projekt, das ich mir ebenfalls für unsere Region vorstellen konnte. Daher bat ich die Gratulanten – statt mir etwas zu schenken – das Geld für die JTS-Idee zu spenden. Dadurch kamen rund 60.000 Euro zusammen, eine besondere Verpflichtung, das Projekt nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern bald daraufhin damit zu beginnen.

Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung?

Wittenstein: Ich wusste, ich musste Mitstreiter finden, allein geht das nicht. Also fragte ich damals Karin Markert, heute noch Leiterin unseres Personalwesens bei Wittenstein, und Iris Lange-Schmalz, die die Kreativen Köpfe verantwortet, ob sie sich vorstellen könnten, das Vorhaben mitzutragen und für Kinder ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich frei und ohne Druck einer schulischen Bewertung ausprobieren können – es muss nicht alles über die Schule gelöst werden. Unser Ziel war nicht, viel Geld dafür auszugeben, sondern vielmehr eine positive Grundstimmung zu erzeugen, die Kindern die Möglichkeit bietet, überhaupt mit diesen Themen in Kontakt zu kommen. Als ich jung war, konnte ich beispielsweise in eine Schreinerei oder eine Schmiede schauen und erlebte hautnah, wie Dinge hergestellt werden. Wo haben Kinder noch Gelegenheit, das zu sehen? Jedenfalls entwickelten wir Schritt für Schritt ein Programm, das von den Kindern und ihren Eltern angenommen wurde – denn es muss ja den Kindern schmecken, sonst bringt es nichts.

Gab es anfangs im Vergleich zu heute andere Schwerpunkte im Angebot der JTS?

Wittenstein: Die Welt dreht sich, man muss flexibel bleiben. Entsprechend spielen Digitalisierung und KI eine größere Rolle. Das Thema „Cyberphysische Systeme“, das Zusammenspiel von Daten und Realität, wird uns in Zukunft insgesamt noch mehr beschäftigen. Doch grundlegend geht es bei der JTS darum, bei Kindern Neugier zu wecken, Zusammenhänge verstehen zu wollen und Vorgänge kritisch zu hinterfragen.

Welche Kompetenzen halten Sie für die Arbeit im Team der JTS besonders wichtig?

Wittenstein: Zum Glück haben wir rund um Leiterin Iris Lange-Schmalz mit den MINT-Vermittlern ein tolles Team, dessen Vorgehen es ist, Kindern auf Augenhöhe zu begegnen. Das heißt, mit einer gewisse Challenge, Aufgabe, aber in freundlicher Art und Weise.

Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte, welche Sie mit der JTS verbinden?

Wittenstein: Für mich ist eine schöne Erfahrung gewesen, zu sehen, wie viele Menschen überhaupt bereit sind, sich zu engagieren. Ob es die Kommunen sind, die Schulen, Kindergärten, die Unternehmen, die MINT-Vermittler, der Landkreis oder Kooperationspartner wie die Futurelabs in Lauda – so viele, die mitmachen und verstehen, dass wir in einer Gemeinschaft leben und damit in einer gesellschaftlichen Gesamtverantwortung. Diese Zusammenarbeit, diese Aktivitäten befruchten sich untereinander und bringen uns weiter.

Inzwischen kam es zur Gründung des Vereins MINT-Region Main-Tauber e.V. ...

Wittenstein: … – was absolut positiv ist. Das Thema MINT hat hier eine stärkere Sichtbarkeit und Professionalität bekommen, mitunter weil der Landkreis sich eingeklinkt hat und Landrat Christoph Schauder neben Peter Vogel und meiner Tochter Anna-Katharina Wittenstein als Vorstand fungiert. Das zeigt, das ist eine Region, dort hält man zusammen, die ist attraktiv, da passiert was.

Wie stellen Sie sich die Zukunft der JTS und der MINT-Förderung in der Region vor?

Wittenstein: Für mich stellt sich die Frage, wie man „das Internationale mithineinholt“? In Heilbronn-Franken gibt es so viele Unternehmen, die international mit Kunden und Lieferanten zu tun haben und Mitarbeitende aus der ganzen Welt beschäftigen. In Ballungszentren gibt es passend dazu internationale Kindergärten und Schulen, in denen die Kinder verschiedene Kulturen und Sprachen kennenlernen. Ich fände, eine internationale Schule stünde dem Main-Tauber-Kreis sehr gut. Eine Schule, in der von Anfang die Sprachkompetenz, die MINT-Förderung sowie kreative Fähigkeiten mitgedacht werden. Dafür ist Offenheit wichtig.

Meilensteine der Jugendtechnikschule

2016 Gründung und Aufbau in Bad Mergentheim: 3. Juni, feierliche Eröffnung im Residenzschloss Bad Mergentheim. Mission: Praxisnahe MINT-Förderung (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) für Kinder und Jugendliche. Fokus: Alltagsnahe Workshops, Kooperationen mit Unternehmen, Ausbau digitaler Formate.

2022 Anerkennung als außerschulisches Forschungszentrum: verliehen durch Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. Grund: Herausragende Angebote und maßgeblicher Beitrag zur MINT-Förderung in der Region.

2023 Gründung des Vereins MINT-Region Main-Tauber e.V.: 27. Juni, offizielle Vereinsgründung. Neuer Träger: Übernahme der Jugendtechnikschule Main-Tauber. Ziel: Landkreisweite Vernetzung, Ausbau der MINT-Aktivitäten, Entwicklung neuer Bildungsangebote. Rolle: Plattform für langfristige Förderung von MINT-Projekten und engere Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Schulen, Unternehmen und weiteren Bildungseinrichtungen.

Das erste Vereinsjahr (2023/24) auf einen Blick: 37 Mitglieder, darunter acht Kommunen, der Landkreis Main-Tauber und 28 Unternehmen/Institutionen, sind bereits Teil des Netzwerks.

Mehr als 1970 junge Menschen haben sich im letzten Jahr für die vielfältigen MINT-Angebote begeistern lassen. Über 220 Workshops und Projekte in allen Mitgliedskommunen zeigen das große Engagement vor Ort. Gemeinsam mit Partnerunternehmen wurden neue MINT-Angebote entwickelt und erfolgreich pilotiert.

Regionale wie überregionale Kooperationen sorgen für ein noch breiteres Spektrum an spannenden Bildungskonzepten. Weitere Infos unter www.jugendtechnikschule-main-tauber.de.

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