Notarwesen in der Kurstadt

Bad Mergentheim: Kaufverträge, Erben, menschliche Schicksale

Notar Marcel Grau äußert sich im FN-Gespräch über digitale Transformation, Bürokratie, emotionale Herausforderungen und eine Revolution, ausgelöst durch die EU.

Von 
Sascha Bickel
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Marcel Grau ist Notar in Bad Mergentheim. © Sascha Bickel

Bad Mergentheim. Viel Bürokratie, jede Menge Fachbegriffe, sehr kompliziert und überaus nüchtern – all das könnten Vorurteile für das Notarwesen sein, das aber längst nicht so angestaubt ist, wie allgemein vermutet wird. „Denn uns beschäftigen die Menschen, ihre ganz speziellen Themen und die Schicksale, die damit verbunden sind“, sagt Marcel Grau (41) im FN-Gespräch. Er ist Notar in Bad Mergentheim und kümmert sich mit seinem Team um Kaufverträge für Häuser, Wohnungen und Grundstücke, aber auch sehr stark um das Familien- und Erbrecht, Testamente, Vollmachten, das Registerrecht für Firmen, Anteilsabtretungen und Gesellschafter-Nachfolgen. Grau berichtet von einem spannenden und abwechslungsreichen Job.

Die Digitalisierung hat auch vor dem Notariat nicht Halt gemacht. Marcel Grau begrüßt die Vorreiterrolle der Bundesnotarkammer auf vielen Feldern und den längst selbstverständlichen elektronischen Datenverkehr mit dem Grundbuchamt. Er sieht aber auch noch viel Potenzial für weitere Schritte und hofft zeitnah auf digitale Urkunden und Beurkundungen.

Einschneidende Veränderungen im Jahr 2018

Seit nunmehr 16 Jahren ist Grau im Bereich des Notariats tätig, wobei das Jahr 2018 eine entscheidende Veränderung mit sich brachte. Die Notar- und Grundbuchreform in Baden-Württemberg führte dazu, dass der notarielle Bereich vom Staatsdienst in die Freiberuflichkeit überging und das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd nun als Grundbuchamt für die hiesige Region zuständig ist. Die jüngste Veränderung in Graus Berufsleben betrifft die Auflösung der Sozietät im Johanniterhof, in der er bisher tätig war. Seit Anfang des Jahres arbeitet er nun eigenständig mit seinem Team in der Johann-Hammer-Straße, gegenüber dem Mittelstandszentrum. Urkunden, die er bislang schon betreute, werden hier auch weiterbearbeitet.

Zehn Mitarbeiter und eine Auszubildende umfasst Graus Mannschaft, ab September dann auch eine Bachelor-Studentin für den erst vor zwei Jahren etablierten Studiengang „Recht im Notariat“. „Zu tun gibt es genug“, sagt Marcel Grau zufrieden und betont mit Blick auf den Fachkräftemangel: „Wer nicht selbst ausbildet, bekommt keine! Da geht es uns wie vielen anderen Branchen.“

“Wir blicken tief in innerfamiliäre Beziehungen“

Sein Arbeitsalltag umfasst viele Präsenz-Termine, Gespräche und Koordinierungsaufgaben. Der Schriftverkehr reicht von einfachen Ausfertigungen bis hin zum Aufsetzen umfangreicher Verträge. „Oft gibt es lange Besprechungen und immer wieder geht es auch um Schicksale, zwischenmenschliche Untiefen, ganz persönliche Präferenzen. Wir blicken tief in innerfamiliäre Beziehungen und machen trotzdem unsere Arbeit verschwiegen, fachlich und sachlich korrekt“, so Grau.

„Die Aufteilung von Erbschaften oder die Frage, wer bekommt welche Vollmachten – da geht es sehr ins Emotionale und Persönliche hinein“, verrät der Experte und schiebt nach: „Notare sind Träger eines öffentlichen Amts und zur Neutralität verpflichtet. Wir beraten objektiv und versuchen, die Wünsche und Vorstellungen der Mandanten interessengerecht und in rechtlich zulässiger Weise umzusetzen.“

Den Hauptteil seiner Arbeit ordnet Grau „in unserer ländlich geprägten Region den Grundstücksveräußerungen, Kaufverträgen und Übergabe-Urkunden von Eltern an ihre Kinder“ zu, das mache etwa 50 Prozent aus. Danach komme das Erb- und Familienrecht mit Vollmachten, Patientenverfügungen, Schenkungen, Testamenten sowie den Begleiterklärungen und das Gesellschafts-/Firmenrecht. Betreut werden Einzelhändler bis hin zu großen Unternehmen.

Was macht ihm am meisten Spaß? Darauf antwortet Grau: „Wenn man mit den Beteiligten ein gutes Ergebnis entwickeln kann, man ehrlich miteinander umgeht und ein lösungsorientierter Weg beschritten wird.“

Früher wurde ein Kaufvertrag wesentlich einfacher abgewickelt

Aber die deutsche Bürokratie ist überbordend und macht vieles kompliziert? „Ja, auch uns Notare belastet die wachsende Bürokratie“, bestätigt Grau: „Wir machen nun mal einen sehr stark formal geprägten Job.“ Der Datenschutz und die unzähligen Meldepflichten, auch zum Thema Geldwäsche, seien umfangreicher, „aber“, so sagt Grau auch, „wir versuchen unseren Teil dazu beizutragen, die Anforderungen zu erfüllen“. Er blickt kurz zurück: „Vor einigen Jahren hat man einen Kaufvertrag wesentlich schmaler und einfacher abgewickelt, das ist nun anders, heutzutage muss man schon bei der Aufnahme der Stammdaten den Datenschutz viel stärker beachten. Dann gibt es inzwischen ein Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften - vom ersten Euro an.“ Die Dienstaufsicht für die Notare liegt beim Landgericht und da wird auf ein genaues Arbeiten größten Wert gelegt.

Marcel Grau hat für vieles Verständnis, würde sich aber von der Politik Vereinfachungen sehr wünschen: „Wir Notare sind vereidigt und halten die Gesetze ein. Es wäre schön, wenn man den Notaren wieder etwas mehr Spielräume ermöglichen könnte.“

Und wie steht es um die Digitalisierung im Notarwesen? „Die Bundesnotarkammer ist mit der elektronischen Urkunden-Sammlung da schon sehr weit“, freut sich Grau und begrüßt zudem, dass Baden-Württemberg die gerichtliche E-Akte anstrebt. Eine Revolution gab es durch einen Anstoß der Europäischen Union, Video-Beurkundungen zu erlauben. „Das heißt, dass beispielsweise eine GmbH-Gründung über eine eigene Plattform der Bundesnotarkammer stattfinden kann. Es gibt ein zweistufiges Identifizierungsverfahren und man braucht dazu eine spezielle App. Das ist alles im Wachsen“, erklärt Marcel Grau und verweist auch auf die Schattenseiten der „digitalen Urkunden“: „Bei einer Registeränderung einer Firma, zum Beispiel bedingt durch eine neue Geschäftsführung, trifft man sich in Präsenz vielleicht 15 Minuten, online sind es aktuell zwei Stunden! Aber die Entwicklungen gehen ja zum Glück weiter.“ Es gab bereits einen Gesetzentwurf für eine elektronische Beurkundung in Deutschland, „so dass wir nicht mehr vom Papier ablesen müssen und die Urkunde rein digital mit Unterschrift auf dem Tablet möglich wird – das wäre wieder ein großer Schritt und kommt hoffentlich bald“, ergänzt Grau noch.

Auf die abschließende Frage, was ihm persönlich in seinem Job am stärksten nahe geht, überlegt der Notar kurz und meint dann: „Wenn ich wieder einmal in Testamentsangelegenheiten auf die Palliativstation im Caritas-Krankenhaus gerufen werde und man kurze Zeit später vom Tod dieses Mandanten erfährt und sein sprichwörtlich letzter Wille nun ‚Gesetz‘ wird.“

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Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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